Gummistiefel mitzunehmen wäre klug gewesen! Wo es doch nur so schmatzt unter unseren Füßen. Doch: Das Schmatzen ist gut. Schmatzen heißt: „Die Biber haben viel Wasser aufgestaut“, sagt Förster Peter Gapp.
Dem Nagetier auf der Spur
Mit ihm ist der SÜDKURIER auf Safari im Königsfelder Gemeindewald. Genauer: Im Badloch. Dem größten Nagetier Europas auf der Spur, das sich vor drei Jahren im Revier des Försters niederließ.
„Und das darf der Biber auch“, macht Gapp gleich zu Anfang deutlich. Denn: Er weiß, wie emotional die Debatten über den Biber geführt werden.

Nur: Wie viele der Tiere mittlerweile im Badloch leben, weiß Gapp selbst nicht so genau.
„Die Biber sind hier sehr scheu“, sagt er und wartet tiefer ins Dickicht hinein. Eins steht fest: „Es muss eine ganze Familie sein.“ Immerhin: „Ist die Burg, die sie gebaut haben, inzwischen so groß, das schafft keiner allein.“ Und immerhin: Hat er auf einer Wildtierkamera schon einmal zwei Biber festgehalten.
„Früher“, sagt Gapp und deutet auf einen Seitenarm des angestauten Sees, „floss hier nur ein kleines Rinnsal.“ Ein halbes Meter breit, 20 Zentimeter tief, damals. Heute: Ein Meter breit und ein Meter tief.

Natürlich war der Biber das – und nicht nur das: Fünf Hektar ist das Badloch groß, zwei Hektar hat er unter Wasser gesetzt – erst mal für sich getan. Denn: „Er ist faul“, sagt Gapp. Zu faul zum Laufen. „Eigentlich will er ganz entspannt schwimmen.“
Der Biber hält das Wasser in der Landschaft
Doch: Was ist mit den angrenzenden Gebieten, die so überschwemmt werden? „Da ist nichts problematisch.“ Im Gegenteil: „Schauen Sie sich draußen um. Wie viel verdorrtes Gras da ist.“ Wie sehr die Hitze an der Natur zehrt. „Deswegen ist es eigentlich gut, was der Biber macht. Dass er das Wasser möglichst lang in der Fläche hält. Dass es nicht so schnell wegfließt.“

Gapp stapft weiter durch die Sumpflandschaft der Biber. Nach einer Weile hält er inne. Schiebt ein paar Sträucher zur Seite. „Sehen Sie die Burg?“, fragt er. Doch die ist kaum zu übersehen.
Über die Jahre hinweg haben die Biber Ast um Ast zusammengetragen, sie übereinander geschichtet, die Zwischenräume mit Schlamm verdichtet – und sich unter Wasser einen Eingang geschaffen, durch den sie hineintauchen müssen.
„Der Biber fühlt sich am wohlsten, wenn er tauchen kann“, weiß Gapp. Denn: „Das hält ungebetene Besucher fern.“
Die Spuren der Biber
Auch an anderen Stellen im Badloch sieht man sofort die Spuren der Biber. Mal ragt ein Ast in den See, mal türmen sich Zweige am Rand. Und mal sind da angenagte Bäume.
Doch: Die Bäume braucht er nur im Winter als Nahrung. „Er frisst dann die Schicht zwischen Holz und Rinde“ – das sogenannte Kambium, „die Wachstumsschicht vom Baum, wo der Zuckersaft der Blätter drin ist.“

Und jetzt im Sommer? „Da weidet er am Ufer und lebt von Sumpfpflanzen und Kräutern“, sagt Gapp und tritt einen Schritt näher ans Wasser. Libellenflügel schimmern neben ihm. In der Ferne ruft ein Vogel. „Seit die Biber hier sind, gibt so viele Vögel hier, die vorher nicht da waren.“ Die Gartengasmücke und der Wasserläufer zum Beispiel.
Ständig neue Biotope
Für Gapp steht fest: „Der Biber schafft ständig neue Biotope.“ In seinen Verästelungs-Konstrukten im Wasser könnten Jungfische sicher und geschützt aufwachsen. Und in der Umgebung seines Sees gedeihen die Pflanzen besser – weil es so schön feucht sei.

„Untersuchungen zeigen, dass die Anzahl der in Biberrevier vorkommenden Amphibien, Vogel-, Fisch- und Insektenarten wesentlich höher ist als die in von Menschen geschaffenen Gewässern“, schreiben die Regierungspräsidien in Baden-Württemberg auf ihrer gemeinsamen Homepage.
Ist der Biber also ein Naturschutzwunder? Ein Besiedlungspionier? „Kann man so sagen“, lacht Gapp. Vor allem: „Überrascht er mich ständig.“
Erst kürzlich hat Gapp für einen Walderlebnistag mit Kindern – im Badloch – einen Pfad angelegt. Und kaum war er wieder im Wald auf Erkundungstour, da stand der Pfad auch schon unter Wasser, weil der Biber einen weiteren Damm angelegt hatte.

Doch: Gapp sieht schon vor sich, wie die Stelle in ein paar Wochen aussehen könnte. „Das gibt eine schöne Lagune“, sagt er.
Woher kommt die Wut auf den Biber?
Seit 30 Jahren ist er Förster in Königsfeld. Seit 30 Jahren versucht er, neue Biotope anzulegen – „das ging schleppend, mal hier mal da ein Tümpel“ – seit drei Jahren ist der Biber in seinem Wald und krempelt die Landschaft ratzfatz um.

„Er hat schon mehr Biotope geschaffen, als ich in all der Zeit“, sagt Gapp. Woher also kommt die Wut, das mulmige Gefühl, wenn es um den Biber geht?

Weil er immer mal wieder Wiesen und Felder flutet? Weil er sich nicht um bürokratische Verfahren und Baugenehmigungen schert? Weil er unter Artenschutz steht und nur in Ausnahmefällen getötet werden darf? Weil er kaum Feinde hat, außer sich selbst – Revierkämpfe enden oft blutig.
Wie viel Wildnis lassen wir zu?
Oder schlicht: Weil es um die Frage geht: Wie viel Wildnis lassen wir in unserer Umgebung zu? Oder: Weil „Negativschlagzeilen über den Biber länger im Gedächtnis bleiben“, wie Hans-Peter Straub vom Naturschutzamt des Landratsamtes vermutet.
Große Konflikte habe es wegen des Bibers bisher noch nicht gegeben, sagt Straub. „Nur kurzfristige Probleme, die wir auch immer lösen konnten.“
Der Biber – in unserer Heimat

Gapp kann die kritischen Stimmen schon verstehen. Zumal die Biber ressourcenintensiv leben:
In seinem Revier in Königsfeld haben die Tiere in den vergangenen drei Jahren gut 50 Bäume angeknabbert – „das ist in Ordnung. Es ja Gemeindewald und das Holz ist auch nicht tot“, sagt der Förster. Denn: Aus den Stümpfen der abgenagten Bäume trieben wieder neue Triebe.

Doch: „Privatwaldbesitzer trifft das hart.“ Der wirtschaftliche Schaden sei oft kaum aufzuwiegen. Deshalb wünscht sich Gapp einen positiven Anreiz, eine Entschädigung durch Ökopunkte, die gebraucht werden, wenn Bauvorhaben entstehen. Sie sollen, vereinfacht ausgedrückt, Eingriffe in die Natur ausgleichen.
Aber: Auf Ökopunkte gibt es bei der Flächenagentur Baden-Württemberg auch Zinsen. Und man kann sie verkaufen an andere, die Kompensations-Maßnahmen nachweisen müssen. Für echtes Geld.
„Am Ende wollen dann alle einen Biber“, scherzt Gapp. Denn: Dann wäre auch die Wut – das mulmige Gefühl – weg, wenn es um den Biber geht.