Uwe Spille

Schon am Eingang warten zwei Polizeibeamte und zeigen, dass dieser Vortrag Brisanz hat. Ein großes Schild weist vor dem Saal darauf hin, dass „Anhänger rechter Parteien und deren Gesinnung“ heute Abend nicht erwünscht sind. Stephanie Richter von der Königsfelder Buchhandlung Hornscheid hat den Rechtsextremismusforscher Matthias Quent mit seinem Buch „Deutschland rechts außen“ eingeladen. Und dass dieses Thema auch in Königsfeld unter den Nägeln brennt, sieht man im Helene-Schweitzer-Saal der Herrnhuter Gemeinde. Stühle müssen beigestellt werden, um den Andrang aufzufangen.

Rechtsextremismusforscher Matthias Quent, hier mit Organisatorin Stephanie Richter, wartet in seinem Vortrag mit beeindruckenden Zahlen auf.
Rechtsextremismusforscher Matthias Quent, hier mit Organisatorin Stephanie Richter, wartet in seinem Vortrag mit beeindruckenden Zahlen auf.

Matthias Quent steigt mit beeindruckenden Zahlen in seinen Vortrag ein. 198 Todesopfer rechter Gewalt gegenüber 14 durch islamistischen Terror in den vergangenen Jahren – diese Zahlen, so führt er aus, zeige die Relation des Gefährdung für Menschen, die in Deutschland leben. Verharmlosend sind für Quent Begriffe wie konservativ, rechtsnational oder rechtspopulistisch für Parteien wie die AfD und andere. Man müsse, so Quent, für Politiker wie Höcke, Gauland und Weidel den Begriff rechtsextrem verwendet. Denn mit konservativen Inhalten haben diese Menschen nichts mehr zu tun.

Immer wieder das Feindbild

„Rechte sind nicht radikal, da sie nicht auf die Wurzel, die Radix, schauen. Rechte konzentrieren sich überwiegend auf die Herkunft, die Kultur von Menschen“, begründet Quent. Immer sind Flüchtlinge und Einwanderer das Feindbild für konservative reaktionäre Rechte, egal ob vor 100 Jahren oder heute. Auch Verschwörungstherorien über eine feindliche Elite wie die Juden, die angeblich gegen das Volk arbeite, gab es ebenfalls schon früh in der Geschichte Deutschlands, sie sind keine neuzeitliche Erfindung. Sie sei in der faschistischen DNA angelegt. „Und wenn Höcke von einem Staatszerfall spricht, dann greift er die Worte von Goebbels und Himmler auf“, so Quent.

Eindeutige Aufforderung
Eindeutige Aufforderung

„Sie nutzen liberale Ansichten nur als Deckmantel für destruktive Wünsche. Der Reaktionär ist nicht von Hoffnungen motiviert, sondern von pessimistisch-hysterischen Ängsten getrieben. Er reagiert wesentlich häufiger mit Empörung und Wut. Und unterscheidet sich damit in keiner Weise von fundamentalistischen Islamisten„, so Quent wörtlich. Dabei ist diese Gruppierung zumindest in Westdeutschland überschaubar. 13 Prozent der Bürger hier, so ergeben Studien, haben ein solch rechtsextremes Gedankengut. Und 55 Prozent dieser Gruppe vertritt wiederum antisemitische Ansichten.

Aus dem Mittelstand

Doch dass sich die Wähler der Rechten, wie häufig von rechten Kreisen kolportiert, aus den sozial unteren Schichten rekrutieren würden, stimmt nicht. Studien zeigen anderes. „Deren Erfolge ergeben sich aus einem neuen chauvinistischen, gehobenen Mittelstand, überwiegend Männern, die eine Kränkung patriarchalischer Ansprüche erfahren haben,“ gibt Quent Auskunft.

Demokraten sind am Zug

Ist alles verloren? Nein, Quent gibt auf diese rhetorische Frage gleich die Antwort. „Nicht die Rechten sind am Zug, sondern wir Demokraten“. Denn genauso erwiesen ist, dass noch nie so viele Menschen in Deutschland nicht rassistisch, nicht antisemitisch waren wie heute. Noch nie seien so viele bereit gewesen, Flüchtlinge aufzunehmen. Von einem Rechtsruck könne keine Rede sein. „Das Bild in der Öffentlichkeit jedoch ist ein anderes, denn die extremen Rechten sind sehr meinungsstark. Und wir sollten den Höckes und Weidels dieses Feld nicht überlassen“, so Quent.