Sie sind in Sicherheit. Sie sind dankbar für die Unterstützung, die sie bekommen. Sie freuen sich, dass es ihnen und ihren Kindern gut geht. Aber sind sie auch glücklich?
Svitlana Malona und ihr Ehemann Oleg Andrusyshin hatten mit ihren fünf Kindern ein gutes Leben in Iwano-Frankiwsk nahe der polnischen Grenze. Die promovierte Malona unterrichtete an der Universität, Manager Oleg Andrusyshin war als Projektleiter für verschiedene Firmen tätig. Im Januar 2022 feierte die Familie mit den fünf Kindern zwischen zwölf und zwei Jahren das orthodoxe Weihnachtsfest. Im Februar begann der Krieg in der Ukraine.
Das wichtigste Ziel der Eltern: Die Kinder in Sicherheit bringen
Bei Kriegsbeginn am 24. Februar 2022 verließ Svitlana Malona mit den Kindern die Stadt in der Nähe von Lwiw und fuhr zunächst zu Freunden nach Polen. Sie dachte, die Lage würde sich wieder beruhigen und nahm nur wenige Kleider mit. Sie wusste nicht, dass sie und die Kinder nicht mehr nach Hause kommen.
Am 23. März endete für die Mutter mit ihren fünf Kindern eine wochenlange Flucht in Hüfingen. Mitte April durfte Familienvater Oleg Andrusyshin die Ukraine verlassen. Nach einigen Wochen in der Gemeinschaftsunterkunft erhielt die Familie im Juli vergangenen Jahres eine Wohnung in einem Firmengebäude im Gewerbegebiet von Hüfingen. Dort hat sie viel Platz und fühlt sich wohl.
Doch der Blick ins Wohnzimmer beschreibt die Seelenlage der Bewohner. In dem großen Zimmer hängen zwei Weltkarten. Die in Deutschland gekaufte Karte zeigt eine Grenze zwischen der Krim und der Ukraine. Deshalb hat die Familie eine weitere Landkarte aus der Ukraine kommen lassen. Hier ist die Krim ukrainisches Staatsgebiet. „Die Kinder sollen wissen, wo sie gerade sind auf der Welt,“ erklärt Vater Oleg. „Und wo die Ukraine ist.“

Kinder sollen eine Zukunft haben
Volodia und Dmytro sind 13 und elf Jahre alt und besuchen das Fürstenberg-Gymnasium in Donaueschingen. Der achtjährige Arsen und die sechsjährige Tania gehen auf die Grundschule in Hüfingen. Nesthäkchen Anna wird im April drei Jahre alt und freut sich auf den Kindergarten. Mutter Svitlana und Vater Oleg besuchen Sprach- und Integrationskurse und wechseln sich ab mit Kinderbetreuung und Haushalt.
„Die Kinder sollen eine Zukunft haben,“ erklärt Oleg Andrusyshin. Deshalb fördern sie Aktivitäten wie Judo, Schwimmen, Basketball, Tanzen und Musik. Die Beiträge finanzieren sie über das Kindergeld. „Die Kinder sind unsere Investition.“

Familie ist dankbar für die Unterstützung
Die Berichte über nach Russland entführte Kinder oder deren Situation in Bombenkellern – bei Kälte, ohne Strom und Lebensmittel – bestärkt das Ehepaar in der Entscheidung, ihre Heimatstadt bei Kriegsbeginn verlassen zu haben. Die zurückgebliebenen Verwandten und Freunde haben Verständnis für sie und fragen nicht, wann sie zurückkommen. „Sie fragen: Wann sehen wir uns das nächste Mal?“ beschreibt Svitlana Malona den Austausch mit der Heimat.
Die Familie ist dankbar für die Unterstützung, die sie in Deutschland bekommen und für das Leben, das sie jetzt haben. Dennoch wirken alle ernst. Auch über die Gesichter der Kinder huscht selten ein Lächeln. Nur Katze Simba sorgt ab und zu für unbeschwerte Momente.
„Mit dem Körper sind wir hier, aber mit dem Herzen sind wir in der Ukraine,“ beschreibt Oleg Andrusyshyn den Gefühlszustand seiner Familie.

Ziel ist finanzielle Unabhängigkeit
Wenn sie ausreichend Deutsch können, wollen die Eltern alle Möglichkeiten nutzen, sich beruflich weiter zu entwickeln. Schon jetzt informieren sich die 40-Jährigen bei der Arbeitsagentur und besuchen Informationsveranstaltungen. Sie wollen finanziell unabhängig werden und sich und ihren Kindern ein gutes Leben aufbauen. Dennoch – das Leben zwischen Deutschland und der Ukraine ist ein Spagat.
Auch nach der Beendigung des Krieges sehen die Eltern keine Lebensgrundlage für sich und ihre Kinder in der Ukraine. Ihr Haus gibt es noch, aber das Land ist vermint, das Kraftwerk in Saporischschja eine drohende Gefahr für die Umwelt, die zivile Infrastruktur ist zerstört. Der wichtigste Maßstab für ihre Entscheidung: die Zukunft der Kinder.

Bei allen Bemühungen um den Aufbau eines Lebens in Deutschland: Langfristig planen kann die Familie nicht. Ihre Aufenthaltserlaubnis endet im März nächsten Jahres. Ob und wann sie in die Ukraine zurückkehren? Sie wissen es nicht.
Stattdessen konzentrieren sie sich auf die Aufgaben, die im Moment anstehen. Das Firmengebäude, in dem sie jetzt leben, ist verkauft worden.
Bis Ende April sollen sie ausziehen. Jetzt suchen sie nach einem neuen Zuhause, um ihren Kindern eine sichere Zukunft zu bieten. Vater Oleg bleibt zuversichtlich. „Das ist der einzige Grund, warum wir hier sind.“
