Hat das aktuelle Kommunalwahlrecht die Kluft zwischen der Kernstadt und den Ortsteilen vertieft? Diese Auffassung hat das „Bürgerforum Starke Ortsteile Hüfingen (BFSO)“. In Sumpfohren haben etwa ein Dutzend Gründungsmitglieder diesen politischen Verein ohne Parteicharakter aus der Taufe gehoben. Das BFSO wird bei der Kommunalwahl im Mai 2019 mit einer eigenen Liste antreten. „Eines unserer Ziele ist die Wiedereinführung der Unechten Teilortswahl“ informierte der Vorsitzende Michael Steinemann. Für eine kooperative und faire Kommunalpolitik innerhalb der Gesamtstadt benötige es einen festen Platz für jeden Ortsteil am Ratstisch und insgesamt eine „starke Stimme aus den starken Ortsteilen“.

Steinemann ist als Geschäftsführer der Bezirks-CDU beruflich der Politik verbunden, engagiert sich aber ebenso in der Politik im Ort. 2009 und 2014 startete er aus aussichtslosen Positionen Anläufe in die Gremien einzuziehen, für 2019 ist die Frage einer Kandidatur noch zu früh. Was ihn umtreibt, ist eine umgreifende Ungerechtigkeit. Bis etwa 2007 habe im Verhältnis zwischen Kernstadt und Ortsteilen ein Verhältnis im Einklang geherrscht. Strittige Beschlüsse wie die geplante Schließung von drei Ortteilkindergärten – „und das trotz gut gefüllter Stadtkasse“ hätten in den vergangenen Jahren das Misstrauen wachsen lassen. In den Ortsteilen fühle man sich als Hüfinger zweiter Klasse, gibt der 31-Jährige ein Gefühl wider und drückt es in Zahlen und Prioritäten aus.

Von den 17 Mitgliedern des Gemeinderats kämen fünf aus den Ortsteilen. „Aus Sumpfohren sitzt niemand mehr am Ratstisch, der Vertreter aus Fürstenberg hat es knapp geschafft“. Noch ausgeglichener müsste das Verhältnis am Ratstisch bei Betrachtung der abgegebenen Stimmen sein, verfügen die Dörfer doch traditionell über eine hohe Wahlbeteiligung. Bei den Kindergärten in den Ortsteilen werde wegen 100 000 Euro jährlicher Betriebskosten die Schrauben angezogen, bei der Aquari-Sanierung seien sechs bis neun Millionen Euro im Gespräch.

Auch über die Aussprache zu solchen Themen möchte das Bürgerforum schnell wachsen. Jeder politisch Interessierte ab 16 Jahre, der in der Gesamtstadt wohnt oder arbeitet, kann mitmachen. Stattfinden sollen „weitere gute Gespräche mit den Ortsvorstehern“, aber auch ein Treffen mit Bürgermeister Michael Kollmeier steht auf der Agenda. Dieser sei vor zwei Jahren durch den Zuspruch der Ortsteile zum Bürgermeister gewählt worden.

Bereicherung und Skepsis: So wird die neue politische Kraft betrachtet

  • Michael Kollmeier sagte, als Bürgermeister habe er die Aufstellung einer einzelnen Liste nicht zu kommentieren. Seine Aufgabe sei vielmehr, mit dem aus den Wahlen hervorgegangenen Stadtrat zum Wohle der gesamten Stadt mit all ihren Teilen zusammenzuarbeiten. Aus den letzten Stadtratswahlen seien sechs Stadträte aus den Stadtteilen und zwölf aus der Kernstadt hervorgegangen. Das entspreche ziemlich genau dem Verhältnis der Bevölkerungsanteile. An Spekulationen, wie viele Stadträte aus den Ortsteilen es nach den kommenden Wahlen es sein werden, werde er sich nicht beteiligen. Die Abkehr von der Unechten Teilortwahl sei im Stadtrat mit großer Mehrheit beschlossen worden. Kollmeiers persönliche Einschätzung: „In absehbarer Zeit gibt es keine Mehrheit für einen erneuten Kurswechsel.“
  • Uwe Schnekenburger, Ortvorsteher in Behla, sieht in der Stärkung der Ortsteile „im Kern etwas Gutes“. In Sachen Kindergartenplanung habe Behla profitiert. Bezüglich der neuen Liste sei er noch unschlüssig. Die Gefahr, der eigene Ortsteil sei irgendwann nicht mehr im Stadtrat vertreten, sei durchaus gegeben. Erneut kandidierende Stadträte hätten es natürlich leichter, gesamtstädtisch wahrgenommen zu werden als Neulinge. Und die rund 1000 Stimmen, die man für einen Ratssitz benötige, lasse sich im Wohnort kaum erzielen. Ob es eine zusätzliche Liste brauche? „Die Fraktionen geben sich Mühe“, betont Schnekenburger. Sie suchten beispielsweise vor der Haushaltssitzung die Ortsteile auf. Zusätzliche Fragestellung: Eine weitere Liste mache es noch schwieriger Kandidatenlisten zu füllen.
  • Hans-Peter Münzer, Ortsvorsteher in Hausen vor Wald, teilt die Bedenken des Bürgerforums, dass irgendwann nicht mehr alle Ortsteile im Gemeinderat vertreten sein könnten. Eine Rückkehr zur Unechten Teilortswahl könnte er sich durchaus vorstellen. Einflussmöglichkeiten auf die Ratsarbeit gebe es durchaus. „Man kann ja bereits in die Fraktonssitzungen hineinwirken“, so Münzer. Auch wenn Sumpfohren einfach Pech gehabt habe, als es den Sitz verlor, sei folgende Entwicklung zu berücksichtigten. Die Zahl der Wähler in den Ortsteilen gehe zurück. „Und damit sinkt mit den Chancen gewählt zu werden, auch die Bereitschaft, überhaupt zu kandidieren“, so der Ortsvorsteher.
  • Ancilla Batsching gab ein kurzes Statement gab. Die Notwendigkeit einer Änderung erschließe sich schon aus der Tatsache, dass sich das Bürgerforum gegründet habe, sagte die Ortsvorsteherin aus Sumpfohren. Die Bürger nähmen hier einen Bedarf wahr. Bei der Gründung des Vereins habe sie sich bewusst herausgehalten.
  • Bernhard Schmid, Ortsvorsteher in Fürstenberg, sieht das Anliegen des Bürgerforums vom Prinzip her richtig. Alle Ortsvorsteher hätten inzwischen das Problem, dass sie keine Kandidaten mehr finden: sei es für den Gemeinderat wie für den Ortschaftsrat. „Keiner will sich das antun, wenn er kaum eine Chance hat, in den Stadtrat zu kommen“, so Schmid. Politische Beteiligung mit realistischen Chancen beschränke sich so eher auf eine Kandidatur für den Ortschaftsrat. Die Wiedereinführung der Unechten Teilortswahl wäre insofern durchaus ein Thema. Allerdings sieht Schmid einen solchen Vorstoß mit Skepsis. Seit der Ablehnung der Beibehaltung vor knapp zehn Jahren habe sich die Zusammensetzung im Rat kaum geändert. Die Liste sieht Schmid neutral. Sie sei aber zu begrüßen.
  • Michael Jerg wollte keine Bewertung abgeben. „Ich möchte dem Verein die Chance geben, sich selbst in der Öffentlichkeit darzustellen“, sagte der Mundelfinger Ortvorsteher auf Anfrage.