Kaffeeliebhabern weht in Geisingen immer wieder ein angenehmer Duft um die Nase. Nicht wenn er ein Café betritt, wo gerade eine Tasse aufgebrüht wird. Der Duft hat, bis er in Geisingen ist, schon einige Meter Luftlinie hinter sich und wird vom Westwind „ins Städtle“ getragen – bei Ostwind aber nach Gutmadingen.
Er stammt von einer Kaffeerösterei der besonderen Art, nämlich von der Stadtmühle. Dort wird seit vielen Jahrzehnten Dinkelkaffee hergestellt. Dinkelkaffee ist koffeinfrei, und eine milde Röstnote macht ihn zu einer interessanten Alternative oder Abwechslung zum Bohnenkaffee. Er hat eine malzige und nussige Nuance und hat mit Zichorienkaffee, der aus getrockneten Löwenzahn- oder anderen Wurzeln hergestellt wurde, nichts zu tun.
Weizen wurde verdrängt
Seit knapp vier Jahrzehnten wird in der Stadtmühle Dinkel verarbeitet. Der Vater von Inhaber Karl-Egon Binz, Egon Binz, hatte immer eine Vorliebe für den Dinkel. Dinkel war das Hauptgetreide der Baar, das Korn. Erst ab 1940 wurde es durch den Weizen verdrängt, weil dieser einen höheren Ertrag hatte. Egon Binz begann dann in den 90er-Jahren Dinkel zu verarbeiten und sich der Hildegard-Medizin zu widmen.
Schon die heilige Hildegard hat Dinkel in ihrer Ernährungslehre gelobt. Sie empfahl, Dinkel jedem anderen Getreide vorzuziehen. Egon Binz begann dann auch noch Brot zu backen. Inzwischen hat sich in der Stadtmühle sehr viel verändert. Eine moderne Bäckerei verarbeitet Dinkel für alle möglichen Produkte: von Brezeln über Zopf, Wecken und Brote in allen Formen und Zusammensetzungen der verschiedenen Dinkelmehle.
Hefe wurde vergangenes Jahr knapp
Im letzten Jahr, so erinnert sich Karl Egon Binz, kamen beim ersten Lockdown Leute und haben einen halben Zentner Mehl gekauft, aus Angst, es gäbe bald kein Mehl mehr. Inzwischen hat sich das alles beruhigt, es gibt nach wie vor Mehl, und vor allem, es gibt auch nach wie vor Hefe, ob trocken oder frisch. Denn diese Backzutat wurde im letzten Jahr knapp.

Wenn die Radfahrer, die derzeit hinter der Mühle die Umleitung des Radweges benutzen, zahlreiche Autos auf dem Parkplatz sehen, dann ist das ein Zeichen, dass hier viele Personen arbeiten. An die 35 Mitarbeiter hat die Stadtmühle. Probleme, Personal zu finden, habe er in der Backstube, so Karl Egon Binz. Dort seien vielleicht die Arbeitszeiten nicht für jeden attraktiv. Personal für die Verpackung der Dinkelprodukte vom Mehl bis hin zu Nudeln, Keksen oder Magenbrot, für den Versand oder auch Verkauf ist eher zu gewinnen.
Was ihm Sorgen macht, ist die Tatsache, dass Pioniere, die sich den Dinkelprodukten vor einigen Jahrzehnten verschrieben haben, inzwischen durch Konzerne in ihrer Existenz gefährdet werden. Da die Stadtmühle aber eine sehr breite Produktpalette der Hildegard-Ernährung anbietet und sehr vielfältig aufgestellt ist, hat man an der Donau diese Sorge nicht. Viele Waren werden über Paketdienste zu Kunden in ganz Europa versandt, gut frequentiert ist auch das Ladengeschäft. Beliefert werden auch Konstanzer Filialen oder andere Verkaufsstellen im Bodenseeraum.