Ich komme nach dem Unterricht raus auf's Deck, die Wellen lassen die Pelican of London unangenehm hoch- und runterschaukeln. Während der Wind die mühevoll gesetzten Segel aufbläht, halten die ersten Seekranken die Köpfe über die Reling und die anderen stehen bereit, um den Rücken zu streicheln oder die Haare zu halten. Draußen lasse sich das Übel besser ertragen, dachte ich mir mit flauem Magen, bevor ich zum Steuerrad wankte, um meiner Wache nachzugehen. Ein schneller Blick, um zu sehen, von wo der Wind kommt und auch ich lehnte mich schnellstmöglich über die Reling und befreite mich vom Mittagessen, welches meinen Magen gereizt hatte. Es ging mir nun tausendmal besser. Dennoch kann ich nun nicht mehr stolz von mir behaupten, noch nicht seekrank gewesen zu sein. Es war unser erster Tag nach Teneriffa zurück auf hoher See, unser erster Wachwechsel steht bevor und wir verlassen Europa. Ich freue mich darauf, wieder weiter in Richtung Abenteuer zu segeln und der Routine an Bord nachzugehen.

- Tagesbeginn Mitternacht: Mein Tag startet hier exakt um Mitternacht mit meiner vierstündigen Wache. Alle 30 Schüler und Mentoren sind auf dem Schiff in sechs unterschiedliche Wachen aufgeteilt. Das bedeutet, jeder von uns hat einen anderen Tagesablauf. Diese "watches" werden nach einer Weile durchgewechselt, sodass jeder einmal zu angenehmeren oder unangenehmeren Zeiten Wache schieben darf. Bis um vier Uhr in der Früh übernehme ich also verschiedene Aufgaben, wie zum Beispiel das Steuern nach dem vorgegebenen Kompass-Kurs, den Sternen oder eben dem aktuellen Wind. Des Weiteren muss das Logbuch geführt werden. So tragen wir alle halbe Stunde wichtige Daten wie die Windstärke oder Position ein, die wir dann auch verantwortungsbewusst in die Karten eintragen. Eine der schönsten und wichtigsten Aufgaben während der Wache ist der Ausguck auf Steuer- und Backbordseite. Hier halten wir Ausschau nach anderen Schiffen, Bojen oder schlechtem Wetter. Von hier aus kann man tagsüber wunderbar Delfine oder auch Wale beobachten und nachts einige Sternbilder und Sternschnuppen entdecken. Dennoch mussten wir auch schon erfahren, dass dieser Job wachsam erledigt werden muss. So sind wir in einem unachtsamen nächtlichen Moment bereits durch ein Fischernetz gesegelt, welches sich in unserer Schiffsschraube verhedderte. Dieses konnten wir wiederum nutzen, um neue Knoten zu lernen, was ebenfalls Teil unserer täglichen Wache ist. Nach den arbeitssamen vier Stunden voller frischer Seeluft klettere ich dann todmüde in mein schmales, aber gemütliches Bettchen. Natürlich ganz leise, denn meine Zimmergenossinnen schlafen zu dieser Zeit.
- Disziplin ist wichtig: Acht Stunden am Tag haben wir die Zeit, uns schlafen zu legen. Dass man diese allerdings am Stück und in der Nacht hat, ist nur bei wenigen der Fall zu. Hier ist Management und Disziplin angesagt, sodass man sich, auch wenn alle anderen munter sind, hinlegt. Denn die Müdigkeit überkommt hier jeden früher oder später. Bis 9.30 Uhr kann ich mich erholen. Das Frühstück habe ich zwar verschlafen, da nur bis 7.45 Uhr das Buffet aus Toast und Müsli bereitsteht, aber meinen Schlaf ein zweites Mal zu unterbrechen, ist es mir nicht wert. In meiner freien Zeit bis zum Mittagessen gibt es ein Angebot der Schiffscrew ("seemanship"). Grundlegendes Wissen wie Navigieren anhand von Sternen oder das Lesen von Karten, bekommen wir hier von der englischsprachigen Crew vermittelt. Außerdem arbeite ich zu dieser Zeit oft Unterrichtsstoff für meine Heimatschule nach oder schreibe mit der Aussicht auf den blauen Ozean in den extra auf die Reise spezialisierten Klarheitskalender.
- Arbeit in der Kombüse: Zu Mittag essen wir in zwei Etappen, da die 42 Personen an Bord nicht alle gleichzeitig in unsere Messe oder bei schönem Wetter an die Tische an Deck passen. Unsere Köchin an Bord bekommt jeden Tag drei unserer tatkräftigen Schüler an die Hand, die sich um das Schneiden von Gemüse, den Abwasch oder den mitternächtlichen Snack kümmern. Alle zehn Tage stehe dann auch ich in den Dämpfen unserer geräumigen Bordküche und bin von Wache und Unterricht befreit.
- Happy Hour: Nach der Mittagszeit findet ein Treffen an Deck statt. Jeder von uns hat hier die Möglichkeit, Probleme an Bord anzusprechen. Regelmäßige Themen sind herumstehende Tassen, die bei Seegang gerne mal umfallen und zerbrechen, und die Einhaltung der englischen Bordsprache. Unser humorvoller Kapitän nutzt unser Beisammensein meist noch als Gelegenheit, uns Witze oder Rätsel mit auf den Weg zu geben. Anschließend folgt die allseits beliebte „Happy Hour“, also unser tägliches Putzprogramm, bei dem alle mal die Besen und Lappen im Takt motivierender Musik schwingen lassen dürfen. Die Toiletten und Duschen sind hierbei Pflicht.
- Unterricht: Nun kommt einer der wichtigsten Teile des Ocean Colleges: Von 14 bis 18 Uhr erhalten wir zwei bis drei Stunden Unterricht in den Hauptfächern von unseren drei Lehrern. Die restlichen Stunden haben wir sogenannte freie Lernstunden, in denen wir individuell unserem Unterrichtsstoff aus den Heimatschulen nachgehen und die Mentoren oder andere Mitschüler zu Rate ziehen können. Ob wir diesen Unterricht an Deck oder in der Messe verbringen, ist uns freigestellt. Die Schulatmosphäre hier und an Festland ist ohnehin nicht zu vergleichen. So wird beispielsweise für den Biologieunterricht mal eben Plankton aus dem Meer gefischt und unter den Mikroskopen interessiert untersucht.
Wie der Tagesablauf an Bord der Pelican of London weitergeht, berichtet Nele im folgenden Teil über die Erlebnisse auf der Fahrt mit dem Ocean College. Aktuell befindet sich das Schiff bereits in Costa Rica.
Das Abenteuer
Die 15-jährige Nele Haarmann aus Donaueschingen wird für sechs Monate mit der schwimmenden Schule Ocean College über den Ozean fahren, das Segeln lernen, für die Schule büffeln und fremde Länder erleben. Von den Erlebnissen ihrer Reise wird sie in loser Folge im SÜDKURIER berichten. Ihre Artikel verfasst sie auf dem Schiff, sie werden dann vom jeweiligen Teil der Welt, in dem sie sich gerade befindet, nach Donaueschingen geschickt. (guy)