Einst war Südbaden eine Kegel-Hochburg, heute steckt diese Sportart in einer tiefen Krise. Eine Kegelbahn nach der anderen wird geschlossen, alteingesessene Vereine verschwinden, andere leiden unter Überalterung. Um dem entgegenzuwirken holte sich Holger Zurek, Präsident des Sportkegler- und Bowlingverbands Südbaden einen Mann ins Boot, der den Kegelsport in Deutschland über Jahrzehnte geprägt hat wie wohl kein anderer. Ob als Bundestrainer, als Bundesliga-Trainer erfolgreicher Clubmannschaften oder als kompetenter Berater namhafter Spieler. Gerhard Gromann ist heute 80 Jahre alt und lebt wieder in Donaueschingen, wo er aufgewachsen ist.

Holger Zurek möchte künftig Informationen in Form von Trainingslehre in die Vereine bringen. Der Kegelsport in Südbaden soll unter der Prämisse „Leistungssport“ laufen. Ganz im Sinne von Gerhard Gromann, der kürzlich eine schulende Trainerweiterbildung für Trainer und Funktionäre durchführte. Nach Bewegungsanalysen auf der Kegelbahn, konnte er den Teilnehmern auch jede Menge Lehrmaterial mitgeben.
Keine Ausbildungslehre geschaffen
„Es ist ein Drama, dass der Deutsche Kegelbund es nicht fertig gebracht hat, eine grundeinheitliche Ausbildungslehre zu schaffen: 16 Landesverbände, 16 in sich verschiedene Ausbildungen – keine ist wissenschaftlich fundiert.“, kritisiert Gromann. Das Ganze habe dazu geführt, dass in den Vereinen demzufolge auch kaum leistungssportliches Wissen bekannt ist. Das habe schon angefangen, als es noch genug Sportstätten gab. Die Jugendarbeit sei ebenso wie die Ausbildung von Trainern restlos vernachlässigt worden. Ein Trainer müsse in dieser technischen Ausdauersportart keglerische Bewegungslehre vermitteln, um im Lernprozess komplexe Vorgänge korrigieren zu können.

Gromann wird Bundestrainer
Gerhard Gromann selbst hat sich ein langes Sportlerleben mit diesen Prozessen beschäftigt. 1956 (!) hatte ihm sein Großvater die Grundbegriffe beigebracht. 1958 erhielt er seinen ersten Spielerpass, spielte für Alle Neune Bräunlingen und wechselte 1961 zum Postsportverein Donaueschingen, der in die damals höchste Klasse aufgestiegen war. 1964 nahm er in Berlin erstmals an einer Deutschen Meisterschaft teil. Wegen des nahenden Lehramtsstudiums verzichtete er auf eine Kader-Nominierung durch den damaligen Bundessportwart Ernst Bergmann. Während des Studiums pausierte Gromann zwei Jahre. Danach kegelte er für Schwäbisch-Gmünd und Schwabsberg. Er war Spieler und Trainer, Seine Lehrunterlagen waren allerdings noch reiner Urzustand. Der sportausgebildete Lehrer wurde Landeslehrwart in Württemberg. Damals begegnete er dem Nationalspieler und Weltmeister Dieter Zieher und war sofort von dessen ästhetischem Spiel-Timing beeindruckt. Die Idee, gleich anderen Sportarten auch ein Lehrwesen nach Vorgaben zu schaffen, reifte. Der Deutsche Kegelbund wurde 1971 auf ihn aufmerksam. Ab 1972 wurde er zunächst nebenamtlicher, dann ab 1974 hauptamtlicher Bundestrainer für den Kegel- und Bowlingsport. Nationalteamarbeit und Lehrwesen in Verbindung mit den Landesverbänden wechselten sich ab. Die ersten hochleistenden Erfahrungswerte von Spitzenleuten wie Dieter Zieher und Theo Holzmann, zahlten sich aus. Sie wurden Paarkampfweltmeister 1972 und 1974. Deutschland wurde im Team Weltmeister. Die Nationalteams Kegeln und Bowling verjüngten sich weiterhin über die Schulung neuer technomotorischer Leitmethoden, dem sogenannten tiefen Spiel. Durch die natürliche Koordination von Kräften und Massen in den neuen Ablauffertigkeiten, ergab sich auch gleichzeitig ein drastischer Rückgang von Knieverletzungen. In einem fast dreijährigen wissenschaftlichen Forschungsprojekt ab 1991 an der Uni Innsbruck, bestätigten sich nach und nach fast alle theoretischen Erfahrungswerte Theorien Gromanns. „Wissenschaftliche Erforschung von Leistungsdispositionen sind eine faszinierende Sache“, sagt er.

Heute noch Ansprechpartner
Jeder Kegler hat spielerische Krisen. So schicken ihm noch heute Bundesliga- oder Nationalspieler Filme von ihrem Bewegungsablauf, die er dann kommentiert zurückschickt. Einige kommen persönlich. Manchmal liegt es nur an Kleinigkeiten. Manche Bundesligamannschaft ist mit seinen Jahrestrainingsplänen und Wochentrainingsplänen versorgt.
1988 hat Gerhard Gromann ein Buch über die Kegelsportart Classic geschrieben. Neben dem Leistungssport und der Korrektur grober Fehler enthält es auch einen zweiten Teil Hobbykegeln. Der Verlag habe es halt so gewollt.

Es sei ihm ein Bedürfnis, sein Wissen an die jetzigen Generationen von Keglern weiterzugeben, sagt Gerhard Gromann. Dies begreife er als seine Aufgabe. Er ist davon überzeugt, dass es den Landesverbänden Baden-Württembergs gemeinsam wieder gelingen kann, mittels struktureller, personeller finanzieller und organisatorischer Nachwuchsleistungsförderung eine Zukunftsperspektive in die nationale Spitze entwickeln zu können.
Zur Person
Gerhard Gromann, 1939 wurde als Sohn eines Fernmeldeingenieurs in Wernigerode geboren. Er wuchs in Donaueschingen auf. Nach der Mittleren Reife arbeitete er bei der Deutschen Bundespost. Über den zweiten Bildungsweg entschied sich dann für ein Sportstudium auf Lehramt. An der PH in Schwäbisch-Gmünd studierte er neben Sport von 1966 bis 1969 die Fächer Kunst und Technik. 1972 wurde er nebenamtlich, ab 1974 hauptamtlicher Bundestrainer des Deutschen Keglerbundes. Nach der Rückkehr in den Schuldienst 1981 betreute er als Bundesligatrainer die Bundesliga-Teams Olympia Mörfelden, Stuttgart und Pirmasens und verbuchte mit ihnen jeweils die Deutsche Meisterschaft sowie weitere internationale Erfolge. Nebenamtlich war er auch vier Jahre ein schulender Nationaltrainer beim italienischen Keglerverband. Von 1991 bis 1993 betreute er nochmals als Nationaltrainer die deutschen Teams. Seine Spezialität ist bis heute die sportwissenschaftliche Analyse von Bewegungsvorgängen und eine daraus resultierende erfolgreiche Korrektur. (lrd)