Lutz Rademacher

Der Biber nagt und knabbert sich durch viele Bäume rund um den Kirnbergsee. Das hat mittlerweile heftige Ausmaße angenommen.

„Wenn nicht bald etwas passiert, gibt es am Kirnbergsee keinen Baum mehr“, so die Aussage von Wilfried Hepting, einem Anwohner. Gemeint sind damit die Aktivitäten des großen Nagetiers. Mittlerweile werden sogar Bäume angefressen, die mit Draht gesichert sind.

Ein Ärgernis

Für Reinhard Merz, den zuständigen Revierförster wird der Biber zusehends zum Ärgernis, zumal dieser Jahre lange Arbeit beim Umbau der Wälder zu Mischwäldern im Zuge des Klimawandels zunichtemacht. Und für Grundstückbesitzer gibt es weder eine Handhabe gegen den Biber, noch irgendwelche Entschädigungen. Das sei untragbar.

„Ich bin alles andere als ein Biberhasser“, sagt Merz. Als die Biber vor über zehn Jahren über die Donau und die Breg in Bräunlingen aufgetaucht sind, habe er sich gefreut. „Ein possierliches Tierchen, fleißig, gestaltet die Natur.“

In eine völlig andere Landschaft hat der Biber das Gebiet oberhalb des Brändbacheinlaufs in den Kirnbergsee verwandelt.
In eine völlig andere Landschaft hat der Biber das Gebiet oberhalb des Brändbacheinlaufs in den Kirnbergsee verwandelt. | Bild: Lutz Rademacher

Im Bereich Buchhalde Richtung Hüfingen sei das zunächst völlig unproblematisch gewesen, da es sich hier ohnehin um ein Überflutungsgebiet handelt. Dann habe sich der Biber weiter vermehrt, bregaufwärts Richtung Wolterdingen, über den Brändbach zum Kirnbergsee.

Der Biber

Inzwischen breiten sich die Biber weiter Brändbach aufwärts, aber auch Richtung Dittishausen aus. Dort stehen ganze Wälder und Wiesen unter Wasser, die Wassertretstelle muss ständig gereinigt werden. In Hubertshofen ist ebenfalls die Wassertretstelle betroffen, hier hat man inzwischen aufgegeben, das gilt auch für die benachbarte Eiswiese, die im Winter nicht mehr betrieben werden kann. Aber das sind Luxusprobleme.

Biber versus Klimawandel

Viel schlimmer ist, dass der Umbau der Wälder im Zuge des Klimawandels gefährdet ist. In den vergangenen Jahren setzt man hier auf Mischwälder, die mühsam angepflanzt werden mussten. Jetzt werden genau die Pflanzen vom Biber gefressen, die nun nach 30 Jahren endlich soweit sind, dass sie sich selbst weiter entwickeln können.

Die Population der Biber habe inzwischen derart zugenommen, dass die Situation nicht mehr tragbar sei, so Reinhard Merz. Ein Indiz dafür sei auch, dass alleine auf der Gemarkung Bräunlingen in den vergangenen Monaten vier Biber überfahren wurden.

Dieser Biber wurde auf der Umgehungsstraße hinter der Bräunlinger Stadthalle überfahren.
Dieser Biber wurde auf der Umgehungsstraße hinter der Bräunlinger Stadthalle überfahren. | Bild: Reinhard Merz

In Bayern gebe es die Möglichkeit, nach vorheriger Genehmigung durch Abschuss regulierend einzugreifen, in Baden-Württemberg nicht.

Aber auch die Situation der Grundstückbesitzer, vor allem derer mit kleinen Flächen, ärgert ihn. „Nach der momentanen Rechtslage haben diese kein Recht auf Entschädigung. Hier wird sich auf die Dauer ein großes Frustpotenzial aufbauen, vermutlich auch Wut auf die Behörden, die einzig und allein auf der Seite der Biber stehen.“

Das sagt das Regierungspräsidium

Zuständig für das Thema Biber beim Naturschutzreferat des Regierungspräsidiums (RP) Freiburg ist Tobias Kock. Er sieht die Situation weniger dramatisch. Baden-Württemberg könne man nicht mit Bayern vergleichen. Mit geschätzt 7500 Tieren betrage der Bestand hier gerade einmal 35 Prozent der dortigen Population. Auch von einer unkontrollierten Vermehrung könne man nicht sprechen, denn 75 Prozent der Jungtiere sterben vor Erreichen des zweiten Lebensjahres.

In diesem Mischwald ist dem Biber eine Birke zum Opfer gefallen.
In diesem Mischwald ist dem Biber eine Birke zum Opfer gefallen. | Bild: Reinhard Merz

Neben Krankheiten und Parasiten spiele hier die Territorialität der Art eine wichtige Rolle. Denn Biberpaare besetzen im Schnitt vier Kilometer Gewässerstrecke, in denen keine weiteren Biber geduldet werden. Eine Eindämmung der Population sei daher nicht notwendig. Ferner macht Kock darauf aufmerksam, dass der Biber mit der Einwanderung von Wolf und Fischotter auch wieder natürliche Feinde bekomme.

Zu Unfällen mit Bibern komme es zur Wanderzeit der Jungtiere, wenn diese gezwungen seien, Straßen zu überqueren, dies ließe keinen Rückschluss auf die Population zu. Kock rät dazu, an kritischen Stellen Warnschilder „Wildwechsel“ aufzustellen oder Tempolimits zu erlassen.

Stellen müssen gesichert werden

Bezüglich der Gefahren für Spaziergänger oder Fahrzeuge durch angenagte Bäume weist Tobias Kock auf die Verkehrssicherungspflicht hin. Dieser nachzukommen sei ohne weiteres möglich, in dem man mit korrekt angebrachten Drahtgittern oder einem Schälschutzmittel arbeitet. „Die Kosten der dazu notwendigen Materialien werden zu 100 Prozent vom Regierungspräsidium übernommen“, so Tobias Kock.

Den Biber abschießen?

Kock räumte aber auch ein, dass derzeit im Rahmen des „Bibermodellprojekts nach bayrischem Vorbild“ in Baden-Württemberg die rechtlichen Voraussetzungen für eine letale Entnahme, also dem Abschuss von Bibern zur Lösung von Biberkonflikten geprüft werden.

Grundsätzlich dürfe dies aber nur die letzte Möglichkeit sein, wenn alle anderen Maßnahmen nicht möglich oder erfolgreich sind. Man dürfe eine solche Maßnahme aber nicht mit einer Bejagung von Bibern zum Zwecke der Populationsregelung verwechseln, das sei auch in Bayern nicht der Fall. Und auch dort sei eine Genehmigung der Naturschutzbehörde notwendig.

Richtig sei, dass es in Baden-Württemberg keine Entschädigung für durch den Biber verursachte Schäden gibt. Kock widerspricht aber der Aussage, dass Flächenbesitzer, die bestimmte Bereiche ihres Besitzes nicht mehr nutzen, alleine gelassen werden.

Förderungen sind möglich

Es sei wichtig, dass sich die Betroffenen frühzeitig mit der unteren Naturschutzbehörde in Verbindung setzen, um Biberkonflikte im Frühstadium oder im besten Fall von vorne herein zu verhindern. Es gebe mehrere Möglichkeiten, über die Landschaftspflegerichtlinie eine Förderung zu bekommen, die Verdienstausfälle durch nicht mehr nutzbare Flächen ausgleichen soll.

Sollte durch einen Biberdamm eine unmittelbare, reale Gefahr drohen, kann sich der Betroffene ebenfalls an die untere Naturschutzbehörde wenden. In Absprache mit dieser kann die Gefahr beseitigt werden, beispielsweise das Absenken oder Entfernen von Biberdämmen. Das ist in Bräunlingen auch schon geschehen, beispielsweise, als eine Quelle und damit die Trinkwasserversorgung gefährdet waren. Die Kosten hierfür wurden übernommen.

Eine genehmigte Baggermaßnahme am Bruderbachim Stadtwald Bräunlingen.Das durch den Biber-Damm aufgestaute Wasser droht durch ...
Eine genehmigte Baggermaßnahme am Bruderbachim Stadtwald Bräunlingen.Das durch den Biber-Damm aufgestaute Wasser droht durch oberflächliche Versickerungdas Wasser einer Waldquelle zu verunreinigen. | Bild: Reinhard Merz