25 Jahre lag sie im Dornröschenschlaf. Fein säuberlich verstaut in einer Scheune Richtung Bruggen: die legendäre Drehbühne der Lammgesellschaft, die Paul Rosenstihl eigens für den damaligen Bräunlinger Zunftball entworfen und gebaut hat.
Jetzt bekommt sie einen neuen Einsatzzweck. Der liegt mehr als 700 Kilometer entfernt, im Odeon-Theater in Wien. Im November findet auf dieser Bühne die Uraufführung der Oper „Alice“ durch das Sirene Operntheater statt. Vorlage für diese Oper ist das Märchen „Alice im Wunderland“.
Berthold Geyer recherchiert im Internet
In Gang gekommen ist die Kulturhilfe durch den Umstand, dass die Scheune anderweitig genutzt werden soll. Man musste also ausräumen. Zunächst war geplant, die alte Bühne zu verschrotten. Berthold Geyer fand das schade, recherchierte im Internet und stieß auf eine Börse für Theater mit Sitz in Hamburg, auf der unter anderem Kulissen, Kostüme und Beleuchtungsanlagen angeboten werden.

Hier wurde die Drehbühne zum Verschenken eingestellt. Es ging nicht lange und es meldete sich Jury Everhartz vom Sirene Operntheater, der die Bühne unbedingt haben wollte und sogar bereit war, sie abholen zu lassen.

Als dann die Spedition aus Wien eintraf, gaben sich viele Mitstreiter des damaligen Zunftballs ein Stelldichein. Einerseits, um bei der Verladung der schweren Teile zu helfen, andererseits um in Erinnerungen zu schwelgen.

Der Zunftball 1998 sollte etwas ganz Besonderes werden. Auf dem Programm stand das selbst geschriebene Theaterstück „Typisch Deutsch“ in vier Akten in wechselnden Kulissen. Die dafür benötigte Drehbühne durfte maximal sieben Meter Durchmesser haben, die Tiefe der damaligen Stadthallenbühne angepasst.

Sie wurde von Paul Rosenstihl konstruiert und besteht aus neun kuchenstückartigen schweren Metallsegmenten, die auf außen angebrachten Rädern um ein Drehlager laufen und von Hand bewegt werden. Die Teile sind mit Brettern belegt, die vier Kulissen über ein Kreuz unterteilt.
Bei Küpper-Weisser wächst die Bühne zusammen
„Unser damaliger Schlossermeister Bernhard Birk hat die Teile nach Feierabend bei Küpper-Weisser zusammengeschweißt“, erinnert sich Paul Rosenstihl. „Ich war damals schon Konstruktionsleiter und unser Chef Walter Mießen hat das Projekt unterstützt. Die Bretter haben wir bei der Lammgesellschaft darauf geschraubt.“

Obwohl geprobt, dauerte der Aufbau viel zu lange. Der Auftritt war schließlich ein voller Erfolg: Eine Familie kommt auf die Bühne, setzt sich aus Sofa zum Fernsehabend, die Bühne stellt ein großes Fernsehgerät dar, das Programm beginnt mit der Tagesschau.
Die Schalte geht weiter zu Ortsvorsteher Kurt Hepting nach Unterbränd, wo es am See mächtig stinkt, berichtet dann live aus dem Donaueschinger Schloss, wo auch Bürgermeister E. Ferkel bei Fürst Joachim zu Gast ist.

Anschließend ist Pfarrer Ocker zu Gast bei Robert Lembke beim „heiligen Berufe-Raten“. Vogelwild und lustig geht es weiter.
Auf der Bühne waren rund 25 Akteure zu sehen. Danach wurde die Drehbühne abgebaut und eingelagert, nicht ahnend, welche Wendung ihr Schicksal 25 Jahre später nehmen sollte.

Die schweren Teile wurden dann mit Hilfe eines Radladers in den Lkw aus Wien geladen. Dabei packen auch die Fahrer Marco Jeriz und Dragan Lowiz kräftig mit an. Und dann ging es im Eiltempo zurück nach Österreich, wo sich Jury Everhartz schon auf die Ankunft freute.
„Wir haben eine Produktion im Herbst, Alice im Wunderland, für die wir die Drehbühne verwenden möchten. Wir werden dieses Stück im Wiener Odeon spielen, dort ist die Bühne zurzeit auch untergebracht“, erzählt Everhartz wenige Tage später auf Anfrage.
„Nachdem wir kein eigenes Haus haben sondern nur ein Theaterverein sind, werden wir die Bühne wahrscheinlich dem Odeon zur weiteren Nutzung überlassen. Die freuen sich sehr darüber. Später werden wir sie fallweise für Produktionen ausborgen, wenn wir sie brauchen.“ Die Drehbühne, das scheint gewiss, dreht sich also weiter.