Eine ganze Reihe von Wohnmobilisten ist bereits im Laufe der vergangenen Tage in Bad Dürrheim eingetrudelt. Einer davon ist Erich Stähli, der am Mittwochmittag seinen Platz auf dem weitläufigen Gelände gefunden und sein zehn Meter langes busartiges Reisemobil auf einen Längsparkplatz rangiert. In der Heckgarage seines Dreamliners führt er einen Smart-Kleinwagen im Gepäck.

„Fünf Viertelstunden“, berichtet der Schweizer aus dem Thurgau, braucht er für die Fahrt von Zuhause bis Bad Dürrheim. Dann hat er Urlaub. Was er hier, neben der überschaubaren Anfahrtsstrecke, besonders schätzt sind die „fründliche Lüüt“ auf dem Stellplatz. Und dass man jederzeit kommen kann und immer einen Platz findet. Was mit seinem mächtigen Bus vermutlich nicht überall so einfach ist.
Nach Corona und Homeoffice, wochenlang immer nur zu Hause, sei es „endlich Ziit für en Urlaub in Bad Dürrheim“, sagt Stammgast Stähli. Die Vorfreude strahlt ihm aus den Augen.
Perfekter Platz für die Schweizer
Barbara und Marlon Schnelli kommen aus Thun im Schweizer Berner Oberland. Dort leben sie auf 1200 Metern Höhe, wo immer noch Schnee liegt. Jetzt wollen sie vier Tage lang in Bad Dürrheim Sonne tanken, bevor sie weiter fahren.

Ihr Fahrzeug ist eigentlich ein großer Lastwagen, den sie selbst zum Wohnmobil umgebaut haben. Auf einem Anhänger ziehen sie einen Smart hinterher, mit dem sie vor Ort die Gegend erkunden. Nach Bad Dürrheim kommen sie bereits das vierte Mal. „Hier ist einfach alles perfekt für uns“, erklärt Marlon Schnelli.
Die Schweizer machen derzeit 30 Prozent seiner Gäste aus, berichtet Andreas Bertsch. Der 32-Jährige betreibt seit 2018, als er in die Fußstapfen seiner Eltern Michael und Heidi Bertsch trat, den Wohnmobilstellplatz in Bad Dürrheim, und damit den größten in ganz Deutschland. Dass die Schweizer so zahlreich hierher kommen, hat geografische, aber auch monetäre Gründe. Beim derzeitigen Wechselkurs des Franken zum Euro von etwa eins zu eins ist Urlaub in Deutschland für die südlichen Nachbarn derzeit besonders günstig.

Doch auch von Seiten der deutschen Gäste, die rund zwei Drittel ausmachen, ist die Nachfrage immens. In diesem Jahr mehr denn je. „Ich bin über Ostern komplett ausgebucht“, berichtet Bertsch. Vier seiner fünf Parkplätze sind belegt oder reserviert. Den fünften hält er als Reserve bereit. Hier kann er noch einmal 60 bis 100 weitere Stellplätze anbieten.
Offen für spontane Gäste
Er hält sie frei, damit auch spontan anreisende Traveller noch ein Plätzchen finden können. Dieses Angebot hat System und wird von Bertsch als Markenzeichen seines Platzes offensiv beworben. „Bei uns gibt es für Sie immer ein freies Plätzchen – 365 Tage im Jahr – versprochen“, heißt es auf seinem Werbeprospekt.

Dieses Versprechen konnte Bertsch und sein Team bisher immer einlösen. „Wir mussten noch nie jemand abweisen“, berichtet er. Schließlich will seine Klientel den Traum leben, möglichst ungebunden und frei reisen zu können, auch wenn das angesichts der Masse der Camper immer schwieriger wird.
Platzrekord an Ostern 2019
Das Thema Masse hat Bertsch zuletzt in besonderer Weise 2019 erlebt, dem letzten coronafreien Jahr. Zum Ancampen an Ostern gingen damals bis zu 442 Wohnmobile gleichzeitig im Reisemobilhafen vor Anker. Neuer Platzrekord. Über 73.000 Übernachtungen in 2019 bedeuteten auch vorläufigen Jahresrekord.
Doch dann kam Corona. Und für den Stellplatzbetreiber eine schwierige Zeit. Nach jahrelangen Zuwachsraten, beflügelt durch den Megatrend Wohnmobil-Camping, kamen Bertsch und sein Team nur mit Staatshilfen und dem Griff in die Rücklagen über die Runden.
Die Mobilisten sind heiß aufs Campen
Doch dieses Jahr kann es wieder werden wie früher. Durchaus möglich, dass an Ostern der Platzrekord von 2019 fallen könnte. Denn die Reisemobilisten, das hat Bertsch in vielen Telefonaten gehört, sind jetzt besonders heiß drauf, auszurücken. „Nach dem Winter und nach Corona wollen die Leute wieder los.“

Dazu kommt: Es gibt viele brandneue Wohnmobile, ablesbar an zweistelligen Zuwachsraten bei den Zulassungen. Die Pandemie hat dem Trend nach alternativen Reiseformen noch einen zusätzlichen Kick verpasst. Viele neue Wohnmobilisten wollen ihre Neuerwerbungen jetzt endlich ausprobieren. Und die Osterferien, die sind für viele der Startschuss in die neue Saison.
Wellness bringt Pluspunkte
Damit rückt der Stellplatz Bad Dürrheim in den Fokus. Dessen größter Attraktivitäts-Bonus ist nach wie vor das Thermalbad Solemar. „Wir sind in Deutschland einer von nur drei Thermalbad-Stellplätzen“, erläutert Bertsch. Das lockt die Wellness-Freunde weiterhin in Scharen. Auch das Gesamtpaket der Freizeitangebote im Ort und die attraktive Region beurteilt Bertsch als Pluspunkte.
Ebenso das Klima: Im Hochsommer, so berichtet er, kommen zahlreiche Wohnmobilisten aus der Hitze des Oberrheintals hinauf auf die kühlere Baar, „um mal ein paar Nächte durchschlafen zu können“.
Und nicht zuletzt, so Bertsch in eigener Sache, schätzten die Wohnmobilisten, dass es auf dem Dürrheimer Stellplatz eine persönliche Betreuung gibt. Denn die meisten Angebote funktionieren ohne Personal. „Wir sind insofern ein Mittelding zwischen Campingplatz und Wohnmobilplatz“, erläutert Bertsch diese Besonderheit. Sein neuester Service für die Besucher: Die können jetzt zwei Elektro-Kleinwagen vom Typ Smart bei ihm ausleihen, um Ausflüge in die Gegend zu unternehmen.

Der Stellplatz-Chef geht nun in ein extrem anstrengendes Osterwochenende. Davor hat er Respekt. Doch er hofft, dass die wieder spürbare Lust am Wohnmobil dauerhaft anhalten wird und das Jahr 2022 ein gutes wird. Trotz hoher Spritpreise, Ukraine-Krieg und drohender Wirtschaftskrise. Denn aufgrund vieler Gespräche weiß er: Es gibt viel Nachholbedarf. Und: „Am Urlaub wird meist als letztes gespart.“