Wolf-Wilhelm Adam

Der Narrenschopf in Bad Dürrheim ist mit seinen vier Kuppeln nicht nur architektonisch ein Hingucker. Er ist auch eines von sechs Museen deutschlandweit, das im Rahmen des Projektes „muesum4punkt0“ den Schritt in die Zukunft gewagt und erfolgreich umgesetzt hat.

Die vierte Kuppel im Kurpark vor dem Narrenschopf ist zum festen Bestandteil des Fastnachtsmuseums geworden.
Die vierte Kuppel im Kurpark vor dem Narrenschopf ist zum festen Bestandteil des Fastnachtsmuseums geworden. | Bild: Wolf-Wilhelm Adam

Mit zu dieser Umsetzung gehörte auch die Schaffung der vierten Kuppel, die sich ja allein schon rein äußerlich von den anderen drei bestehenden Kuppeln unterscheidet. In ihr befindet sich modernste Technik, die es dem Besucher ermöglicht, mittels 360-Grad-Projektion in das Fastnachtsgeschehen einzutauchen. Das heißt, man befindet sich also mitten in einer Brauchtumsvorführung und nicht nur vor einem Bild davon.

Der SÜDKURIER hat nachgefragt, wie es zum Bau der Kuppel kam, was das Besondere im Innenleben ist und wie es nun mit ihr weitergeht.

Die Vorgeschichte

Bereits im Dezember 2016 zeichnete sich ab, dass der Narrenschopf Teil des Projekts „museum4punkt0“ sein wird. Brauchtum zu zeigen unterscheidet das Museum dabei von den anderen großen deutschen Museen und so hatte Bad Dürrheim hier auch ein Alleinstellungsmerkmal. Die Organisatoren im Hintergrund fragten sich also: Wie können wir einen Brauchtumszug zum Leben erwecken und die Besucher in die Welt der Fasnacht eintauchen lassen? Es wuchs der Wunsch heran, Technik, die im Planetarium verwendet wird, auf die Darstellung des Brauchtums zu übertragen.

Ullrich Dittler, verantwortlich für die technische Konzeption und Professor für Interaktive Medien der Hochschule Furtwangen, erzählt, dass man zunächst die dritte Kuppel dafür verwenden wollte. „Doch es zeichnete sich schnell ab, dass die Kosten hier ins Unermessliche steigen würden und wir immer noch keine optimale Lösung hätten.“ Deshalb entschied man sich für die vierte Kuppel, die für die Projektion von 360-Grad-Aufnahmen optimiert ist.

Idee und Umsetzung

Die nächste Herausforderung war, das Filmen in 360-Grad-Technik umzusetzen. Mittels 3-D-Druck wurde eine Vorrichtung gebaut, die sechs sogenannte Go-Pros, also kleine Actionkameras so anordnet, dass ein 360-Grad-Bild entsteht. „Spezialkameras hätten wiederum unser Budget gesprengt, weshalb wir hier kreativ sein mussten. Aber die Qualität unserer Eigenkonstruktion lässt keine Wünsche offen“, so Dittler. Zwei Jahre wurden in den unterschiedlichsten Regionen Video-Aufnahmen gemacht und am Computer zusammengeschnitten. Nicht gerade einfach war dann auch noch den Ton passend zum 360-Grad-Bild einzubinden. Und immer mussten die Filmer auch aufpassen, dass nicht aus Versehen ein Narr gegen die Kameravorrichtung läuft. „Die Narren haben ja durch ihre Masken ein eingeschränktes Sichtfeld. Da brauchten wir manchmal echt gute Nerven und auch ein bisschen Glück“, erzählt Artur Fuss. Er und sein Kollege Jan Brunnenkant waren immer mit der Kamera unterwegs und waren es auch in der gerade beendeten fünften Jahreszeit noch.

So sieht die Eigenproduktion aus: sechs kleine Actionkameras wurden so angeordnet, dass sie ein nahezu optimales Bild ergeben. Am PC ...
So sieht die Eigenproduktion aus: sechs kleine Actionkameras wurden so angeordnet, dass sie ein nahezu optimales Bild ergeben. Am PC wird dann der Rest gemacht. | Bild: Wolf-Wilhelm Adam

Doch alle Herausforderungen wurden gemeistert und so entstanden Videos, die vorzeigbar, spannend und gleichzeitig auch nicht zu lang sein durften. Je Film sind nun sechs Bräuche kurz zusammengefasst. Die Videos dauern zwischen acht und zehn Minuten. Auf Anfrage können in der Kuppel auch Aufnahmen gezeigt werden, die nicht in den klassischen Zusammenschnitten zu sehen sind. „Wenn also eine Zunft den Narrenschopf besucht und wir dort Aufnahmen gemacht haben, können wir genau diese Aufnahmen in der Kuppel zeigen“, sagt Artur Fuss. Mit der Zeit seien rund 30 Terrabyte an Aufnahmen zusammengekommen. „Die Auflösung reicht aus, um auf künftige Entwicklungen in der Technik vorbereitet zu sein“, weiß Ullrich Dittler zu berichten.

Artur Fuss vor dem Projektor, der die 360-Grad-Projektion an das Kuppelinnere wirft.
Artur Fuss vor dem Projektor, der die 360-Grad-Projektion an das Kuppelinnere wirft. | Bild: Wolf-Wilhelm Adam

Die Technik in der Kuppel

In der Kuppel muss, bevor die 360-Grad-Aufnahmen gezeigt werden können, ein Vakuum herrschen. Das dauert rund 30 Minuten. Eine Leinwand wird hochgezogen und spannt sich innen über den Köpfen der Besucher. Rund 25 Personen finden Platz, damit jeder auch wirklich in die Vorführung eintauchen kann. Besonders im Winter ist auf das Wohlbefinden der Besucher zu achten. „Die Filme dürfen nicht zu lang sein, denn in der Kuppel gibt es keine richtige Heizung“, berichtet die Projektkoordinatorin Vera Jovic-Burger. Kuppel und Technik haben zusammen rund 70.000 Euro gekostet.

Ein wenig kann man erahnen, wie imposant die 360-Grad-Projektion aussieht. Aber man muss es selbst erleben, um das Besondere der ...
Ein wenig kann man erahnen, wie imposant die 360-Grad-Projektion aussieht. Aber man muss es selbst erleben, um das Besondere der Projektion zu erleben. | Bild: Wolf-Wilhelm Adam

Die Zukunft der Kuppel

In vielerlei Hinsicht befindet man sich auch nach einiger Zeit des Betriebs immer noch in verschiedenen Erprobungsphasen. So sollen die Stühle künftig anders angeordnet werden, damit die Besucher wirklich alle einen guten Blick auf die Projektion haben. Überall wurden Rampen angebracht, damit die Kuppel zum einen rollstuhltauglich ist, zum anderen ist die Technik hoch empfindlich. „Da wir den Beamer nachts nicht in der Kuppel stehen lassen, muss dieser immer in den Narrenschopf gerollt werden. Die Erfahrung hat gezeigt, dass Erschütterungen ihm nicht gut tun, weshalb auch für ihn die Rampen enorm wichtig sind“, so Jovic-Burger.

Generell wird die vierte Kuppel auch künftig das Bild des Narrenschopfs prägen. Ein Abbau ist nicht geplant und die Verleihung an Zünfte lässt sich nicht wirklich kostengünstig realisieren. „Wir könnten die Projektionstechnik einer Zunft zur Verfügung stellen. Eine entsprechende Kuppel kann man sich recht kostengünstig übers Wochenende ausleihen. Da wäre der Aufwand, unsere Kuppel abzubauen, einfach zu groß“, so Vera Jovic-Burger.

Das vom Bund in Bad Dürrheim mit rund einer Million Euro geförderte Projekt „museum4punkt0“ hatte die Vorgabe, dass es auf andere Museen übertragbar sein muss. Aktuell liegen dem Narrenschof zehn Anfragen anderer Fasnachtsmuseen vor, die bei sich 3-D-Brillen einführen und dabei auch auf die Aufnahmen aus Bad Dürrheim zurückgreifen wollen. Ein Museum denkt sogar ebenfalls über eine Kuppellösung nach. Im Narrenschopf ist man auf das Erreichte so richtig stolz.