Der Sigmaringer Kreisverband der Alternative für Deutschland (AfD) hat zum Politischen Stammtisch in die Brauereigaststätte Zoller-Hof geladen. Etwa 15 Anhänger folgen dem Vortrag von Wolfgang Currlin, dem pensionierten Geschichtslehrer, der früher am Karl-Maybach-Gymniasium in Friedrichshafen unterrichtete und sich dem Thema „Ist die AfD rechts, rechtspopulistisch oder völkisch-rechtsradikal“ widmen will. Nach seinem beklatschten Vortrag stellt sich Stefan Herre vor, der in Balingen in den Landtag gewählt worden war. „Ich kann keine guten Nachrichten mitbringen, die Dinge haben sich nicht so entwickelt. Mehr kann ich nicht sagen, solange die Presse da ist!“ Er gibt ein kurzes Statement, dann wird die Presse hinauskomplimentiert.

Currlin hat bei seiner Vorstellung angegeben, kein Parteimitglied zu sein. „Ich bin nur Sympathisant und habe persönlich nichts dagegen, wenn man mich rechts nennt. Das ist eher ein Adelsprädikat geworden!“ Sein Untersuchungsergebnis fällt für einen bedingungslosen Sympathisanten eindeutig aus: Über die AfD spricht er nur in Wir-Form und er stellt ihr den allerbesten Leumund aus. Sie setze sich aus freiheitlich-liberalen und konservativ-patriotischen Kräften zusammen. „Ich habe keinen einzigen kennen gelernt, der rechtsradikal ist. Da sind keine Radikalinskis drin, eher bürgerliche durch die Bank!“ Er stellt fest, dass sie zur Gewaltenteilung und für den Rechtsstaat steht, der immer mehr abgebaut würde und für den Pluralismus, obgleich es eine richtige Opposition im Bundestag nicht mehr gebe. Currlin behauptet, dass sich die Mitglieder diffamiert fühlten, Demonstrations- und Meinungsfreiheit eingeschränkt würden.

Einen Gutteil Mitschuld gibt er den Medien, die er wüst und völlig undifferenziert als „Lügen- und Lückenpresse“ beschimpft, weil sie Wahrheiten durch den Rost fallen ließe. „Diese Verleumdungen, dieser Dreck! Diesen Dreck, den sie über uns ausschütten“, wettert er. Zuvor hat sich der AfD-Kreisvorsitzende Michael Koppatz noch über das Interesse der örtlichen Medienvertreter gefreut und eine gemeinsame Erklärung der beiden AfD-Bundessprecher Frauke Petry und Jörg Meuthen verlesen, die nach dem Zwist und der Abspaltung in zwei Landtagsfraktionen mitteilten, zur Sachpolitik zurückkehren zu wollen.

Sachlichkeit oder Toleranz ist aber dem Referenten völlig fremd. Er arbeitet mit abwertenden Adjektiven, wenn er sich mit den so genannten Altparteien beschäftigt, „die sich den Staat unter den Nagel gerissen“ hätten. „Unsere Gegner“ wird dabei zum geflügelten Schlagwort, hier macht er die konstruierten Feindbilder fest. Angefangen bei Bundeskanzlerin Angela Merkel, die Gesetze im Alleingang ausgehoben und mit ihrer „Asylpolitik und Euro-Rettung den Rechtsstaat nach Strich und Faden beschädigt" hätte. Da kriegt er Beifall. Wogegen ihn der Beifall für Merkel auf dem CDU-Parteitag an die einstige SED-Herrschaft in der DDR erinnert. Nicht besser kommen die Sozialdemokraten bei ihm weg, denen er die Fähigkeit im Amte abspricht: „Die SPD ist ein Mistladen. Uns als rechtsradikal zu bezeichnen, dafür sollten sich diese Leute schämen,“ schäumt Currlin über den stellvertretenden Bundesvorsitzenden Ralf Stegner, den er als linken Aktivisten attackiert. Überhaupt seien Teile von SPD und Grünen mit linksradikalen Antifaschisten vernetzt.

Und in der Linksfraktion würden „die echten Antisemiten“ sitzen. So rät er der AfD, mal bei diesen Parteien nachzubohren. „Es gibt Säuberungsprozesse, die machen wir“, spielt er auf den aus der Fraktion ausgetretenen Wolfgang Gedeon an. Currlin prognostiziert, dass bis zum Jahresende eine weitere Million an Flüchtlingen nach Deutschland kommen würde. Der Staat hätte sich zur „Postdemokratie“ entwickelt und könnte in einen Polizeistaat übergehen, „wenn die Probleme oder Kriminalität weiter wachsen“. „Migrationsbonus, den gibt es bei uns nicht“, sagt Currlin. Die Medien durften nach diesen Tiraden abziehen, die Veranstaltung ging unter Ausschluss der Öffentlichkeit weiter.

"Versuchen Schaden zu begrenzen"

Stefan Herre ist mit 24 Jahren jüngster Abgeordneter der AfD, der über den Wahlkreis Balingen in den Stuttgarter Landtag eingezogen ist. In Sigmaringen gab er beim Politischen Stammtisch zu den aktuellen Zerwürfnissen ein knappes Statement ab.
 

Herr Herre, lässt sich die Spaltung der AfD-Landtagsfraktion noch abwenden?

Wir arbeiten mit Hochdruck daran. Eine Woche, wie die vergangene, habe ich selten erlebt. Wir telefonieren unentwegt und versuchen auch an der Basis, eine Meinung dazu einzuholen.

 

Aber am Status hat sich seither nichts geändert?

Wir haben eine juristische Fraktion der Altverbliebenen. Ich gehöre zu der von Jörg Meuthen. Wir sind fraktionslos, haben eine Fraktion in Gründung. Mit der Situation bin ich natürlich nicht zufrieden. Die Abstimmung im Fall von Gedeon haben einige missbraucht, weil sie mit dem Führungsstil von Meuthen nicht einverstanden waren. Und Meuthen hat zu voreilig seine Person in die Waagschale geworfen.

 

Wie beurteilen Sie die aktuelle Lage?

Wir versuchen nach außen alles, um den Schaden zu begrenzen. Womöglich gibt es gewisse Spitzenkräfte, die kein Interesse an einem Zusammenkommen mehr haben. Der Landtag hat drei Gutachter beauftragt, bis zum Freitag der nächsten Woche auszuloten, ob eine zweite Fraktion möglich ist.

 

Fragen: Jürgen Witt