Wegen exhibitionistischer Handlungen hat Amtsrichterin Isabelle Voß am Amtsgericht Sigmaringen einen 23-Jährigen zu einer viermonatigen Freiheitsstrafe verurteilt, die für drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt worden ist. Gleichzeitig hat sie in ihrem Urteil darüber verfügt, dass dem 23-Jährigen ein Bewährungshelfer zur Seite gestellt wird. Als weitere Auflagen hat der Verurteilte 60 Stunden gemeinnützige Arbeit zu leisten und die Gerichtskosten zu tragen.
Weil er zur ersten Verhandlung nicht erschienen war, hatte das Gericht ihn dingfest gemacht: In Fußketten führte ihn ein Justizbeamter jetzt zum Prozess in den Gerichtssaal. Vorgeworfen wurde dem Angeklagten, dass er am Neujahrstag dieses Jahres im Zug von Stuttgart nach Sigmaringen zwei junge Frauen unsittlich belästigt habe. Dies wurden in der verlesenen Anklageschrift insoweit beschrieben, dass er mit eindeutigen Gesten den Frauen sexuelle Avancen gemacht hätte, um sich dann, als sich die beiden Frauen auf die Zugtoilette begaben, davor auf einer Sitzbank zu platzieren und sich in ihrer Nähe selbst zu befriedigen.
Der Angeklagte, der seit Herbst 2021 in Pfullendorf lebt und dem eine Dolmetscherin beigestellt war, stellte die Anschuldigungen in Abrede. Er hätte beobachtet, dass ihn die jungen Frauen einladend angeschaut und angelacht hätten, so seine Darstellung. Sein Hantieren vor seiner Hose sei lediglich seinem verspürten Harndrang geschuldet gewesen, den er damit zu unterdrücken versuchte – auch er habe dringend auf die Toilette gemusst. Ob ihm seine Verteidigerin Stefanie Jetter-Strecker zu dieser Ausflucht geraten hat? Völlig perplex sei er gewesen, dass ihn auf dem Sigmaringer Busbahnhof ein Polizist aufgrund einer Beschreibung der Frauen festgenommen habe. Ihm seien Handschellen angelegt und seine Hände auf dem Rücken gefesselt worden, so der Angeklagte. Was er nicht aussagte, gab der ihn festnehmende Polizeibeamte vor Gericht als Zeuge zu Protokoll: So hätte der Angeklagte überaus aggressiv auf seine Ansprache reagiert und „wild um sich geschlagen“. Einen Alkoholtest habe dieser trotz des bei ihm bemerkten Geruchs verweigert.
Die als Zeuginnen geladenen beiden Frauen aus dem Kreisgebiet, 18 und 20 Jahre alt, die ebenfalls Silvester in Stuttgart gefeiert hatten, fanden die „aufgeilenden Blicke“ des Angeklagten, dessen eindeutiges Zungenspiel, das Hin- und Hergelaufe, aber erst recht die von ihm vorgenommene manuelle Befriedigung als „voll eklig“ und schockierend. Da die Toilettentür im Zug nicht zu verschließen war und von ihnen zugehalten werden musste, konnten sie sich dessen Gebaren nicht entziehen. Die beiden Frauen weihten einen im Zug mitgereisten 20-jährigen Freund ein, der allerdings bei seiner Aussage im Gerichtssaal einräumte, die sexuellen Handlung des Angeklagten selbst nicht mitbekommen zu haben.
Der 23-Jährige lebt seit 2019 in Deutschland und war seither wegen Betrugs, Beleidigung und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte bereits fünf Mal straffällig geworden. Dass der Tatvorwurf, so wie geschildert, tatsächlich stattgefunden hatte, daran hatten weder Steffen Fischer, Rechtsreferendar der Staatsanwaltschaft, noch die Richterin Zweifel. Einzig die Verteidigerin sah die Handlung ihres Mandanten „als nicht bewiesen“ an und forderte einen Freispruch. In ihrem Urteil hielt Richterin Voß dem Angeklagten zugute, dass ihm ein Ausbildungsplatz in Aussicht gestellt werde. Der 23-Jährige versprach, dass sich ein solcher Vorfall nicht wiederholen werde. Die Inhaftierung hob die Richterin wieder auf.