In Bezug auf die Rolle von Mann und Frau in der katholischen Kirche ist ein starkes Grummeln und Unzufriedenheit in der Bevölkerung wahrzunehmen, auch vor Ort. Spüren Sie dieses Rumoren in Ihrem Umfeld und Ihrer Seelsorgeeinheit auch? 

Diese Themen sind schon lange da. Manchmal mehr, manchmal weniger. Wir hören oft: „Warum gibt es die Gleichberechtigung nicht in der katholischen Kirche, in der evangelischen geht es doch auch?“ Ich habe den Eindruck, die Missbrauchsfälle haben diese Themen wieder vermehrt auf den Tisch gebracht, ebenso Studien, die sich damit befassen, wie es aussehen könnte, wenn die katholische Kirche demokratischer würde. Ich nehme das wahr. Doch es ist nicht die Meinung von allen gleichermaßen. Ich habe mit vielen Menschen zu tun. Die einen vertreten den Wunsch nach Gleichberechtigung forsch, andere bleiben zurückhaltend.

Würde sich die Situation grundlegend bessern, wenn Frauen zu katholischen Priesterinnen geweiht werden könnten und die Pfarrer heiraten dürften?

Ob sich die Situation dann verbessert, kann ich nicht sagen. Ich bin kein Prophet. Ich sehe nur, dass auch in der evangelischen Kirche die Zahlen rückläufig sind. Das Phänomen allein darauf zurückzuführen, halte ich für zu kurz gegriffen.

Geraten die Grundstrukturen der katholischen Kirche nicht ins Wanken, wenn sich jetzt nichts verändert?

Das ist auch eine gesellschaftliche Frage. In Deutschland gibt es zwar auch arme Menschen. Da es aber vielen sehr gut geht, sind die Menschen mehr damit befasst, wie sie Spaß erleben können, als dass sie eine Sensibilität für die Transzendenz entwickeln. Das Spirituelle und der Wunsch danach sind bei vielen abhandengekommen. Viele Menschen haben kein Interesse daran, eine Stunde ihres Lebens zu „opfern“, um in die Messe zu gehen. Die Frage „was bringt mir das?“ steht häufig im Vordergrund.

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Was sollte sich diesbezüglich ändern?

Wo kann ich mich ganz persönlich einbringen, müsste wieder mehr gefragt werden. Und dies nicht nur in der aktiven Gestaltung des Gemeindelebens, sondern auch im Gottesdienst. Spirituell einbringen kann man sich in der Pflege der Gottesbeziehung und als Mitglied der Gemeinschaft. Aber das interessiert viele nicht mehr.

Wie können Veränderungen angegangen werden?

Die Kirche muss im Dialog bleiben und gut abwägen, was zu tun ist. Dies wird keine leichte Aufgabe sein, da die Erwartungen unterschiedlich sind. Man darf aber nicht dem Trugschluss verfallen, dass alles besser wird, wenn man auf die Meinung der Masse hört. Eine Reformation der Kirche ging oft nur von Einzelnen aus, wie von Franz von Assisi. Er konnte etwas bewegen, weil er nicht mit der Kirche brach, sondern von der Treue zur Kirche und zur Gemeinschaft bewegt war.

Die katholische Theologin Jacqueline Straub, die offensichtlich für ihren Glauben brennt, würde wahrscheinlich gern Verantwortung übernehmen und die Kirche voranbringen. Sollte eine Frau wie sie kein Recht auf eine Weihe haben?

Ein Recht auf die Weihe oder auf das Priesteramt hat eigentlich niemand. Auch ich hatte damals kein Recht darauf. Ich glaube, dass wir im Sinne der heute verstandenen Gleichberechtigung nicht weiterkommen. Es geht darum, gute theologische Argumente zu finden, warum es ist, wie es ist, oder ob es auch anders sein könnte. Ich glaube jedenfalls, dass man die Beteiligung von Frauen in der Kirche noch sehr ausbauen kann, auch wenn eine Weihe nicht möglich sein sollte. Es gab in der Geschichte Bischöfe ohne Weihe und Frauen, die in der Kirche sehr viel Macht besaßen. Dazu zählen Äbtissinnen wie etwa die heilige Odilia. Es gibt zahlreiche Möglichkeiten der Mitwirkung, die es auszuschöpfen gilt.

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Die Zulassung der Frauen zum Priesteramt könnte doch dem personellen Engpass in der Kirche entgegenwirken.

Frauen nur zuzulassen, um ein personelles Loch zu stopfen, fände ich auch nicht gerecht. Ich bin jedenfalls sehr froh, dass ich kein Bischof bin und auch nicht Papst und diese Verantwortung nicht tragen muss.

Als Argument für die Abkehr von der Kirche wird häufig genannt, dass sie nichts mit der Lebenswirklichkeit der Menschen zu tun hat und sich die katholischen Kirchenmänner nicht in die Probleme der Familien, Frauen und Kinder einfühlen können.

Im Pfarrhaus kommen viele Lebenswirklichkeiten zusammen. Ich habe viele Gespräche mit Brautpaaren und Familien und führe zahlreiche Tauf- oder Trauergespräche. Manche Leute erzählen mir Dinge, die sie wahrscheinlich noch nicht einmal mit ihren besten Freunden austauschen. Wir hören zu. Ich glaube, dass wir als Kirche diesbezüglich gefragt sind und den Menschen auf ihrem Lebensweg helfen können.

Aber können Sie die Frauen nicht verstehen, die sich in dieser Hinsicht auch einbringen möchten?

Wir haben schon sehr viele Seelsorgerinnen im pastoralen Dienst, die hervorragende Arbeit leisten, worüber ich sehr dankbar bin. Und sicher kann ich Frauen verstehen, die darüber hinaus nach der Weihe fragen. Für was ich aber überhaupt kein Verständnis habe, sind manche Aktionen der Bewegung Maria 2.0. Ich war schockiert darüber, dass sie eine Priesterweihe in Freiburg dazu missbrauchten, um zu demonstrieren. Eine Priesterweihe ist für die jungen Männer, die zu Priestern geweiht werden, wie der Hochzeitstag, also ein ganz feierlicher Moment. Ich würde mich schämen, einen solchen einmaligen Moment zu stören. Das ist für mich überhaupt keine Basis, um ins Gespräch zu kommen. Eine Priesterweihe zu stören, das ist für mich ein No-Go.

Drei Lauchringer Frauen, die nach Fulda zur Bischofskonferenz gefahren waren, waren sehr enttäuscht darüber, dass Erzbischof Stephan Burger die Petitionen zur Gleichberechtigung nicht persönlich entgegennahm.

Ich frage mich, warum sie keinen Termin mit ihm im Ordinariat in Freiburg ausgemacht haben. Der Erzbischof hat sogar am Rande der genannten Priesterweihe mit Vertreterinnen und Vertretern von Maria 2.0 gesprochen, obwohl das eigentlich ein Ausscheren aus der Prozession bedeutete. Das zeigt für mich, dass er gesprächsbereit ist.

Der Ruf nach mehr Demokratie und weniger Hierarchie in der Kirche ist ebenfalls laut.

Jeder kann sich im Pfarreileben engagieren und seine Ideen einbringen. Das ist Demokratie vor Ort. Die Hierarchie soll keine Machtstruktur widerspiegeln, sondern eher das Miteinander strukturieren. Und wie gesagt, man braucht kein Weihe-Amt, um Macht zu haben.