Ein Interview am runden Tisch? Nein – das gefällt ihm gar nicht. Das ist Arnold Stadler zu rund, zu glatt, zu gefällig. Nicht sein Ding! Er mag es lieber mit Ecken, Kanten und Unebenheiten. Stormlinienförmigkeit, Angepasstheit oder Mitläufertum liegen ihm nicht. Dann eben ein Interview am eckigen Tisch in der SÜDKURIER-Lokalredaktion Meßkirch. Passt viel besser. Denn trotz oder vielleicht auch gerade wegen seiner klaren, kritischen Worte wird Arnold Stadler am Freitag, 12. April, um 19.30 Uhr im Meßkircher Schloss die doppelte Ehrenbürgerwürde von Meßkirch und Sauldorf verliehen."Ich nehme an, dass es für meine Bücher ist", mutmaßt der zu Ehrende, in dem für ihn typischen, teils bescheidenen, teils humorvollen, teils sarkastischen Ton.
Autor pflegt seinen eigenen Stil
Er pflegt eben seinen eigenen Stil. Und am Anfang möchte er es immer ganz genau wissen. Welcher Leser meint es ernst? Und welcher Leser ist leicht zu verscheuchen? Darum beginnen alle seine Bücher mit einem besonderen Wort oder einem endlos langen "Vogelscheuchensatz", wie Arnold Stadler es nennt: "Manche schreckt das ab. Doch für manche ist es eine Einladung zum Weiterlesen." Und auf diese Unerschrockenen, die sich von einem "Vogelscheuchensatz" nicht ins Bockshorn jagen lassen, auf die setzt er – sie sind seine Klientel. Für sie sind die Botschaften des 65-Jährigen gedacht: Dass die Welt nicht so schön ist, wie sie sein sollte. Dass es eine Distanz zwischen ihm und dieser Welt gibt, die er schreibend in Angriff nimmt. Dass seine Freude am Kritisieren und Fabulieren raus muss. Dass er viel zu sagen hat. Und dass ihm immer etwas einfällt. Oder kurz: "Ich schreibe stellvertretend für alle, die selbst nichts geschrieben haben."
Ein Suchender voller Neugier
Nur ein Stellvertreter also? Nein. Arnold Stadler ist mehr. Ein Original. Ein kantiger Charakter. Ein Spötter. Ein Kenner der Menschen. Ein Suchender mit einer unstillbaren Neugier. Doch seine Eigencharakterisierung trifft's am besten: "Ich bin ein nachdenklicher Einzelgänger, aber durchaus gesellig." Für Arnold Stadler kein Widerspruch. Das Alleinsein gibt ihm Inspiration, die Geselligkeit Imagination. Denn bei aller künstlerischen Liberalität braucht der Schriftsteller seine lieb gewonnenen Rituale: Früh fängt er an zu schreiben. Lange vor sieben Uhr sitzt er am Schreibtisch. Formt Gedanken zu Worten, Worte zu Sätzen, Sätze zu Büchern. Um 13 Uhr ist Schluss. Dann legt er den Füller weg.
Den Füller! Arnold Stadler arbeitet noch handschriftlich. Doch er hat sich auch einen Computer zugelegt. Negative Erfahrungen hat er mit beiden gemacht – mit der klassischen und der digitalen Schreibmethode. Alles, was ihm einfällt, was ihn bewegt, was ihm auffällt, erzählt Arnold Stadler, hält er in einem Buch fest, das er immer bei sich trägt. Für ihn eine Quelle, aus der er seine Literatur schöpft. An einem schönen Sommertag im Juli hat er eines dieser Bücher auf dem Balkon liegen lassen. Ein Gewitter kam. Und die mit Tinte geschriebenen Worte wurden verwischt. Unwiederbringlich. Arnold Stadler ist aber auch ständig am Korrigieren, Feilen, Ziselieren seiner Texte, und einmal hat er einen großen Teil eines am Computer in mühevoller Kleinarbeit überarbeiteten Romans beim Speichern versenkt. Auch unwiederbringlich.
Ideen gehen ihm nie aus
Sein Gedankenfluss aber ist geblieben. Dabei dachte er zu Beginn, ein Buch sei genug. Doch nach dem Bestseller "Mein Hund, meine Sau, mein Leben" konnte er nicht mehr aufhören. "Kein Herz und keine Seele" und "Ich war einmal" machten das Einzelwerk zur Trilogie – und Arnold Stadler zur Zielscheibe teils harscher Kritik. Mit der Schärfe, mit der Leser auf seine Bücher reagierten, erklärt der Autor im Nachhinein, habe er nicht gerechnet. Einen damals im SÜDKURIER veröffentlichten Leserbrief mit deutlichen Attacken gegen seine Bücher kann er noch immer wortwörtlich zitieren. Die Erinnerung ist da – aber kein Verständnis: "Es ist Literatur, kein Sachbuch", weist er auf den fiktiven Charakter seiner Werke hin. Er habe Erfundenes wiedergegeben, aber es der besseren Erzählbarkeit und des Realitätsbezugs wegen in eine Welt hineinversetzt, die er kannte und kennt. Das, so erklärt er, macht das Beschreiben leichter. Denn: "Man muss die Welt kennen, über die man schreibt."
Fiktives mit einem realen Boden unter den Füßen – das ist Arnold Stadlers Literatur-Formel. Er ist ein Autor nahe an der eigenen Lebenswirklichkeit. Und der seiner Leser. Nur die Interpretation dieser Lebenswirklichkeit unterscheidet sich. Der ländllche Raum, dörfliche Enge und Eigenheiten haben den Autor geprägt, ausgedehnte Reisen, Auslandsaufenthalte und die Liebe zu fernen Ländern haben den Menschen erweitert. Ein Weltbürger in der Provinz? Da schüttelt Arnold Stadler energisch den Kopf: "Provinz gibt es nicht. Es gibt nur Welt".
Worte zur Heimat
Für Arnold Stadler ist Heimat ein wichtiger Begriff. Denn: "Ich verdanke meiner Herkunft und Heimat sehr viel. Nicht nur viel Bücherstoff, sondern vor allem die Sprache – das Rasterische, das immer noch zu Hause gesprochen wird. Am Bodensee jedoch ist unsere schwäbisch-alemannische Muttersprache leider schon fast verloren gegangen. In Überlingen, zum Beispiel spricht man nun ein verwechselbares Deutsch, was die Überlinger für Hochdeutsch halten mögen: Wenn ich das höre, weiß ich, was Heimat ist."