Zur Auseinandersetzung mit dem Thema „Alles Plastik – geht‘s auch anders?“ innerhalb der öffentlichen Veranstaltungsreihe Forum Nachhaltigkeit lud die Hochschule Albstadt-Sigmaringen und die evangelische Kirchengemeinde Sigmaringen in die Kreuzkirche in Sigmaringen ein. Professor Markus Schmid von der Fakultät Life Sciences der Hochschule Albstadt-Sigmaringen präsentierte dem Publikum auf unterhaltsame Weise einige Daten und Statistiken, die ein Gefühl dafür vermittelten, wie stark die Zunahme an Plastikverpackungen seit 1950 verlief, besonders ab den 70er Jahren. Ebenso sprach er über die Möglichkeiten der Abfallvermeidung und sinnvollen Verpackungen sowie deren Auswirkung auf die Treibhausgase.
Podiumsgespräch lockt viele Zuhörer in die Kreuzkirche nach Sigmaringen
Danach entwickelte sich unter der Moderation von Oliver Weidermann vom evangelischen Bildungswerk Balingen und Sulz ein interessantes Podiumsgespräch mit Fachleuten aus verschiedenen Bereichen: Professor Markus Schmid, Dr. Wilfried Jud, CEO Flex-Pack-Consult, Alexander Korn, Geschäftsführer von Korn Recycling, Studentin Alina Kleiner, Mathis Hoheisel von Fridays for Future sowie Kirsten Klein vom Unverpacktladen „Tante und Emma“.
350 Millionen Tonnen Plastik werden jährlich produziert

Es gehe um die Frage, wie Nachhaltigkeit regional umzusetzen sei, betonte der evangelische Pfarrer und Hochschulseelsorger Mathias Ströhle bei der Begrüßung der Gäste. Als erschreckendes Beispiel nannte er die enorme Steigerung der Plastikverpackung. Während im Jahr 1950 1,5 Millionen Tonnen produziert wurden, seien es heute 350 Millionen Tonnen, und die Hälfte davon lande im Abfall. Er verwies anhand der Schöpfungsberichte der Bibel auf die theologisch-ethische Verantwortung des Menschen, die Natur zu bewahren und zu schützen.
Professor bezieht Besucher in seine Überlegungen ein

„Nachhaltigkeit geht uns alle an“, betonte Markus Schmid, Professor von der Fakultät Life Sciences, und band die Zuhörer stets in seine Überlegungen mit ein. Es seien die Treibhausgase, die am meisten zu den menschengemachten Anteilen am Klimawandel beitragen. Der Anteil der Verpackungen sei in dieser Hinsicht zwar gering, in Deutschland 1,5 bis 2 Prozent, doch gelte es, in allen Bereichen das Treibhausgas zu reduzieren und Müll zu vermeiden. Er ließ das Publikum raten, wie viele Jahre Verpackungsverbrauch der Flugreise einer Person von Berlin nach Schanghai und zurück entspricht, wenn man den jeweiligen Ausstoß von Treibhausgasen vergleicht: 30 Jahre.
Mikroplastik ist in der Arktis nachweisbar
Das praktische Plastik, das alle möglichen Eigenschaften annehmen könne, trage natürlich auch zur Umweltverschmutzung bei und sei als Mikroplastik in großem Maße sogar in der Arktis nachzuweisen. Eine Möglichkeit, dieser Umweltverschmutzung entgegenzuwirken sei die Entwicklung von Plastik, das sich selbst abbaut. „Für diese Ziele müssen alle zusammenarbeiten“, erklärte Markus Schmid. Es brauche Forschung, um die Produkte zu entwickeln, die in eine sinnvolle Kreislaufwirtschaft eingebunden werden können.
Abfallvermeidung reduziert Treibhausgasemissionen
Treibhausgase ließen sich ebenso durch Abfallvermeidung reduzieren. Anhand einer Grafik wies Schmid darauf hin, dass Lebensmittel vor allem weggeworfen werden, weil sie nicht mehr frisch sind. Am Beispiel der Bio-Gurke in der Kunststofffolie führte er aus, dass die Folie zu einer längeren Haltbarkeit führe und deshalb das Wegwerfen verringere. Auf diese Weise produziere die Gurke mit Folie weniger Treibhausgase als ohne Folie. Ein optimales Verpackungskonzept habe zur Grundlage: so viel wie nötig, so wenig wie möglich.
Regional verfügbare Lebensmittel nutzen
Kirsten Klein vom Sigmaringer Unverpacktladen fragte kritisch: „Warum muss man eine Salatgurke im Winter essen?“ Produkte solle man dann essen, wenn sie in der Region wachsen, forderte sie und erhielt dafür viel Applaus.
Überrascht war Moderator Oliver Weidermann, dass viele Arme nach oben gingen, als er fragte, wer schon in einem Unverpacktladen eingekauft habe. Kirsten Klein kritisierte die großen oder festen Mengen, welche die Konsumenten kaufen müssten. Dies sorge dafür, dass Reste oft weggeworfen würden. In einem Unverpacktladen könne die Menge exakt gewählt werden, die benötigt werde.
Verstärkte Kontrolle bei den Entsorgungsketten gefordert
Der Verpackungsexperte Dr. Wilfried Jud setzte sich für eine verstärkte Kontrolle beispielsweise bei den Entsorgungsketten ein, damit europäischer Müll nicht illegal in Asien oder Afrika lande. „Wenn nicht kontrolliert wird, sind alle Gesetze Makulatur“, verdeutlichte er. Er verteidigte die PET-Flasche. „Sie ist ein Erfolgsmodell, das sich gut recyceln lässt“, erklärte er. Dies könne man auf andere Behältnisse übertragen. Die Flasche könne sozusagen nichts dafür, dass man sie illegal entsorge statt zu recyceln. Studentin Alina Kleiner, die beim Foodsharing aktiv ist, ergänzte, dass es hauptsächlich Produkte aus der Fischerei seien, wie Netze, welche die Meere vermüllten.
Hochtechnisierte Mülltrennung
Der Verpackungsexperte Jud lobte das Material Aluminium, da es zwar viel Energie bei der Herstellung benötige, aber sehr wenig beim Recycling-Prozess. Alexander Korn vom Albstädter Recycling-Unternehmen beschrieb, wie die hochtechnisierte Mülltrennung funktioniert. Auf die Frage aus dem Publikum, wie viel der Verpackungen aus dem Gelben Sack wiederverwertet würden, meinte er, nicht mehr als 50 Prozent. Allerdings bräuchten die Müllverbrennungsanlagen kein zusätzliches Material, um die Verbrennung zu befördern. Mathis Hoheisel plädierte dafür, mehr die Industrie in die Pflicht zu nehmen als den Konsumenten. Am Ende der Runde wies Alina Kleiner darauf hin, dass neben all den genannten Aspekten die Suffizienz eine große Rolle spiele. Das bedeutet, jeder sollte über sein Konsumverhalten nachdenken und überlegen, ob beispielsweise neue Kleidung oder ein neues Auto nötig sei, worauf sie ebenfalls viel Zustimmung aus dem Publikum erhielt. Mathias Ströhle nahm dies als ideales Schlusswort auf und bedankte sich bei allen für den regen Austausch. Danach standen noch etliche Grüppchen beieinander, um der ein oder anderen Frage nachzugehen.