Die Kernbotschaft von Anke Traber, Geschäftsführerin der Agentur für Arbeit, ist klar und höchst erfreulich: „Wir haben einen aufnahmefähigen Markt für alle Arbeitsfähigen!“ Konkret heißt das, dass es für Jobsuchende oder Auszubildende viele Möglichkeiten gibt, einen Arbeits- oder Ausbildungsplatz zu finden. Sehr zufrieden blickt die Agenturchefin auf das Jahr 2021 zurück, das von einem Rückgang der Arbeitslosigkeit und Ausbau der Beschäftigung geprägt war. Bei den unter 25-Jährigen war die Entwicklung besonders erfreulich, denn die Arbeitslosigkeit in dieser Altersgruppe verringerte sich um 52 Prozent. Wobei der Landkreis Sigmaringen gegenüber dem Zollernalbkreis besser abschneidet, was nach Angaben von Traber vornehmlich der vielfältigen Wirtschaftsstruktur geschuldet ist. Im Landkreis waren 2021 durchschnittlich 2021 Arbeitslose gemeldet und im Jahresdurchschnitt hatte die Arbeitsagentur 1643 offene Stellen im Bestand.
Lebenslanges Lernen von Arbeitnehmern gefordert und Firmen müssen Qualifizierung ermöglichen
Eine unmissverständliche Forderung gibt es von Traber an Unternehmen, die ihre Mitarbeiter in steter Qualifizierung halten müssten, und auch Arbeitnehmer müssten zum lebenslangen Lernen bereit sein. In den kommenden Jahren würden sich die Wirtschaft und Arbeitswelt extrem verändern, getrieben von Digitalisierung und Künstlicher Intelligenz. „Helferstellen“ werden wegfallen und unqualifizierte Beschäftigte von Arbeitslosigkeit bedroht. Schon jetzt haben mehr als 50 Prozent der Arbeitslosen keine berufliche Ausbildung, aber nur ein Drittel der offenen Stellen sind für Helfer.
Gefahr für alle, die länger als drei Monate arbeitslos sind
Und ein weiterer Trend wird in der Jahresbilanz 2021 sichtbar. Wer länger als drei Monate arbeitslos ist, hat ein großes Risiko, in die Gruppe der Langzeitarbeitslosen abzurutschen. Deren Zahl ist im Arbeitsamtsbezirk Balingen mit mehr als einem Drittel konstant geblieben, allerdings ist es im Kreis Sigmaringen gelungen, jeden Zehnten wieder in Beschäftigung zu bringen. Für diese Klientel gibt es speziell qualifizierte Agenturbeschäftigte, die Betroffene unterstützen. Dazu gehören auch Qualifizierungsmaßnahmen und Anke Trabe hat eine klare Botschaft: „Am Geld wird eine Wiedereingliederung nicht scheitern!“.
Agenturchefin überzeugt, dass Mindestlohnerhöhung keinen Jobabbau bringen wird

Angesichts des boomenden Arbeitsmarktes, der Züge der Vollbeschäftigung aufweist, ist die geplante Erhöhung des Mindestlohnes auf 12 Euro völlig unproblematisch, antwortet Anke Trabe auf eine SÜDKURIER-Frage. Dass die Interessenverbände lauthals protestierten, sei verständlich, aber es werde keinen Jobabbau geben. Im Prinzip leergefegt ist auch der Ausbildungsmarkt, denn den 31 Kunden, die noch keine Lehrstelle haben, stehen im Kreis Sigmaringen noch etliche unbesetzte Ausbildungsstellen gegenüber. Immer mehr Firmen erkennen, dass nur durch eigenen Nachwuchs der drohende Facharbeitermangel verhindert werden kann und deshalb hat die Agentur mit zwei Unternehmen im Landkreis ein Modellprojekt gestartet.
Arbeitsagentur startet Modellprojekt zur Anwerbung von Jugendlichen aus der Türkei
Konkret geht es um die Anwerbung von Jugendlichen in der Türkei, die in Deutschland eine Ausbildung machen wollen. Angesichts des absehbaren Personalmangels ist für die Agenturchefin klar, dass auch die Flüchtlinge dringend benötigt werden. Derzeit würden viele der vornehmlich jungen Männer Helferjobs suchen, um das dort verdiente Geld als Unterstützung für die Familie nach Hause zu schicken. Für Traber ist klar, dass es für die deutsche Wirtschaft unerlässlich sein wird, die Flüchtlinge in den Arbeitsmarkt zu integrieren, um den Personalbedarf zu decken. Die meisten Stellenangebote gab es 2021 im Kreis Sigmaringen in der Metallverarbeitung, gefolgt vom Bereich „Lagerwirt, Post-Zustellung, Güterumschlag“ sowie Maschinenbau- und Betriebstechnik, Verkauf, Metallbau und Schweißtechnik sowie dem Bereich „Erziehung, Sozialarbeit“. Zu berücksichtigen ist, dass der Arbeitsagentur nur etwa ein Drittel der offenen Stellen gemeldet werden, während zwei von drei Jobs anderweitig besetzt werden. „Dennoch sind wir in Baden-Württemberg der Bezirk mit den meisten gemeldeten offenen Stellen“, ergänzt Anke Traber.
Nachwuchsprobleme im Handwerk
Große Schwierigkeiten Lehrlinge zu finden, hat das Handwerk, nennt die Agenturchefin beispielhaft die Berufe Gas-Wasserinstallateur und Metzger. Um die Aufmerksamkeit potenzieller Azubis zu gewinnen, müssten Betriebe sich „sexy und cool“ präsentieren, rät die Agenturchefin. Klar ist, dass coronabedingt viele Firmen keine Praktikaplätze anboten, bei denen sich Betrieb und Jugendliche kennenlernen. Diese Situation hat sich wieder verbessert, berichtet Traber von zahlreichen Praktikaplätzen, die Unternehmen anbieten. Um den Jugendlichen die Arbeits- und Berufswelt näher zu bringen, haben die Berufsberater ihre Agenturschreibtische verlassen und sind fast ausschließlich an den Schulen präsent. Handlungsbedarf sieht sie auch bei den Schulen, denn jeder siebte Jugendliche verlässt die Einrichtung ohne Abschluss.
Teilzeit spielt im Kreis Sigmaringen keine entscheidende Rolle
Die geringfügige Beschäftigung spielt auf dem Arbeitsmarkt im Landkreis Sigmaringen mit einem Anteil von 14 Prozent keine entscheidende Rolle, ergänzt Traber, wobei im Verkauf und im Gastrogewerbe mit 1443 und 1026 Beschäftigten die meisten Teilzeitstellen gemeldet sind. In Vollzeit arbeiteten im Juni 2021 übrigens 2873 Personen im Verkauf, mit steigender Tendenz sowie 435 in der Gastronomie, mit rückläufigen Zahlen.