Mobiles Arbeiten oder Homeoffice gehören seit der Corona-Pandemie für viele zum Arbeitsalltag. Doch der Wunsch nach Begegnung, Austausch und Inspiration ist da. Dem trägt die Arbeitsform Coworking Rechnung, die zum Beispiel in Tengen und bald in Engen angeboten wird. Die Stadt Tengen hat diese Möglichkeit seit dieser Woche in Räumen von Schloss Blumenfeld geschaffen. Betreut wird das Angebot von Kerstin Müller und Nadja Kögel, die als Teilnehmerinnen des Summer of Pioneers die Ideen des Projekts weiterführen.

Besprechungen in historischen Mauern: Ein Konferenzraum im Schloss Blumenfeld mit (von links) Nadja Kögel und Kerstin Müller.
Besprechungen in historischen Mauern: Ein Konferenzraum im Schloss Blumenfeld mit (von links) Nadja Kögel und Kerstin Müller. | Bild: Weiß, Jacqueline

Der Blick vom Konferenztisch geht auf Gewölbe und Schlossmauerwerk oder auf eine Wandmalerei aus dem 16. Jahrhundert. Vom Schreibtisch aus schauen die, die hier in Zukunft arbeiten wollen, auf einen alten Kachelofen im Karl-Moritz-Gedächtniszimmer, die Holzdielen knarzen. Das ist die historische Kulisse des Coworking auf Schloss Blumenfeld. Büros und Konferenzzimmer stehen für Menschen bereit, die sich diesen ungewöhnlichen Arbeitsplatz auf Zeit mieten wollen. Zwei Besprechungsräume neben dem Trauzimmer auf dem Schloss stehen ebenfalls für Workshops oder Meetings bereit. Zehn Coworker dürfen unter den derzeitigen Corona-Auflagen in den Räumen arbeiten.

Altes Gemäuer trifft auf modernes Arbeiten: Ein Raum für künftige Coworker im Schloss.
Altes Gemäuer trifft auf modernes Arbeiten: Ein Raum für künftige Coworker im Schloss. | Bild: Weiß, Jacqueline

Kerstin Müller und Nadja Kögel haben beim Tengener Projekt Summer of Pioneers in Blumenfeld mit 20 Teilnehmern mitgemacht, bei dem die Teilnehmer Visionen für das zukünftige Leben auf dem Land entwickelten. Das Projekt sollte auch Möglichkeiten für eine Nutzung des Schlosses nach dem Pflegeheim-Aus aufzeigen. Vier Pioniere sind geblieben, leben auf dem Schloss und führen die erarbeiteten Konzepte fort. „Wir arbeiten weiter an den fünf Themenfeldern, die im Sommer entstanden sind“, berichtet Kerstin Müller. Das seien das Schlosscafé, Coliving, Coworking, Veranstaltungen und bürgerschaftliches Engagement.

Schloss Blumenfeld im Tengener Ortsteil war zuvor ein Pflegeheim, jetzt werden neue Nutzungsangebote ausprobiert.
Schloss Blumenfeld im Tengener Ortsteil war zuvor ein Pflegeheim, jetzt werden neue Nutzungsangebote ausprobiert. | Bild: Weiß, Jacqueline

Die beiden Frauen wollen im Geist des Sommers, größtenteils ehrenamtlich, weitermachen und dafür sorgen, dass das Schloss ein Ort der Begegnung und des Austauschs bleibt. Kerstin Müller ist von Beruf Webdesignerin, Nadja Kögel Veranstaltungsmanagerin. Beide wollen hauptberuflich in ihrem Job arbeiten und das Coworking nebenbei organisieren. Dass das Schloss als Arbeitsraum funktioniere, habe der Summer of Pioniers gezeigt, bei dem 20 Pioniere in den Räumlichkeiten arbeiteten, so Müller. Bei der Ausstattung der Räume habe der Gedanke der Nachhaltigkeit eine Rolle gespielt: Die Möbel stammen hauptsächlich aus dem Schloss oder wurden gespendet.

Ein Arbeitsplatz auf Zeit

Kerstin Müller erklärt auf die Frage nach möglichen Nutzern des Coworkings, vor dem Hintergrund, dass sowieso viele im Homeoffice arbeiten: „Es gibt Menschen, die können gut im Homeoffice arbeiten, andere brauchen die Büroumgebung, den Ortswechsel oder auch den Austausch mit anderen.“ Sie kann sich vorstellen, dass Arbeitnehmer oder Selbstständige sich zwei oder drei Tage in der Woche einen Arbeitsplatz mieten oder den besonderen Ort für einen Workshop suchen. Auch jemand, der mit seiner Familie im Hegau oder am Bodensee Urlaub macht, könnte einen Arbeitsplatz buchen, damit der Rest der Familie den Urlaub verlängern kann. Es bestehe auch die Möglichkeit, Wohnen und Arbeiten zu verbinden und sich im Schloss einzumieten.

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Die beiden Pionierinnen von Schloss Blumenfeld hoffen, dass der Summer of Pioneers in eine zweite Runde geht. Das werde der Gemeinderat nach ihren Informationen Ende Februar entscheiden. Das Projekt werde dann von Mitte Mai bis Oktober gehen. Aus ihrer Sicht gibt es noch viel zu tun und das Schloss berge viele Möglichkeiten. Sie erinnern sich gern an tolle Konzertmomente im Schlosshof im Sommer oder an die rund 400 Besucher beim Tag des offenen Denkmals.

Coworking im Engener Cube

Das Thema Coworking als zukünftige Form des Arbeitens ist auch in anderen kleineren Städten im Hegau ein Thema. Im benachbarten Engen soll im Bürogebäude Cube ein Raum für Coworking entstehen. „Wir sind gerade dabei, den Seminarraum umzubauen. Er bietet auf 100 Quadratmeter von der EDV und der Ausstattung alles, was man für Coworking braucht“, berichtet Berta Baum von der Hausverwaltung des Cube und Vorsitzende des Marketingvereins. Acht Arbeitsplätze können dort Corona-konform noch in diesem Frühjahr entstehen.

Nachfrage kann wieder steigen

Im ursprünglichen Konzept des Cube sei Coworking vorgesehen gewesen. Bisher hätten auch ein bis zwei Firmen im Gebäude tageweise die Möglichkeit geboten, sich einen Arbeitsplatz zu mieten. Weil während der Corona-Pandemie jeder im Homeoffice gearbeitet habe, habe es keine Nachfrage nach Coworking gegeben, so Berta Baum. Doch das ändere sich jetzt langsam wieder. Interessenten seien zum Beispiel Unternehmen, die planen, sich in der Region anzusiedeln und einige Mitarbeiter als Vorhut entsenden.

Coworking, Pioniere und Trautermine

  • Coworking: Coworking heißt wörtlich zusammenarbeiten und ist eine neue Arbeitsform, die sich daraus entwickelt hat, dass in immer mehr Berufssparten ortsunabhängig gearbeitet werden kann. Beim Coworking soll der soziale Aspekt dazukommen, bei dem Menschen aus unterschiedlichen Berufen in einem Raum arbeiten, sich austauschen und inspirieren. Die Arbeitsplätze und die technische Ausstattung werden zur Verfügung gestellt. Die Plätze können tage- oder wochenweise gemietet werden.
  • Summer of Pioneers: Der Summer of Pioneers der Stadt Tengen sollte 20 Kreativen und Digitalarbeitern aus ganz Deutschland und der Schweiz Probewohnen und Coworking auf dem Land ermöglichen. Die Pioniere wurden über eine Ausschreibung ausgewählt, bekamen vergünstigte möblierten Wohnungen, sowie kostenlosen Zugang zu einem extra eingerichteten Coworking Space im Schloss Blumenfeld. Im Gegenzug sollten sich die Pioniere mit ihrem Wissen und ihren Netzwerken in der Stadt einbringen. Derzeit wird im Rahmen des Projekts ein Pächter für das Schlosscafé gesucht, der auch im Schloss wohnen kann und ein Tischler, Schreiner oder Raumgestalter, der sieben Zimmer und eine Küche gestaltet.
  • Trautermine im Schloss: Das Standesamt Tengen bietet außerdem Trautermine im Trauzimmer des Schloss Blumenfeld auch für Paare von außerhalb an. Es werden zehn Termine an Samstagen angeboten. Weitere Trauungen können unter der Woche nur noch mittwochs und freitags stattfinden. Die Trausamstage sind: 18. März, 13. Mai, 17. Juni, 8. Juli, 22. Juli, 19. August, 16. September, 30. September, 14. Oktober und 16. Dezember.