Im Bürgerverein Linde in Büßlingen nahm der nur noch wenige Tage amtierende Tengener Bürgermeister Marian Schreier einen seiner letzten offiziellen Termine wahr. Dort begrüßte er die Schriftstellerin Tina Pruschmann, die im Rahmen des Literatur-Festivals „Ehrzählzeit ohne Grenzen“ aus ihrem neuen Roman „Bittere Wasser“ las.

Die in Leipzig lebende Künstlerin nahm die etwa 30 Literaturbegeisterten schnell für sich ein und entführte diese mit ihrem Roman, aus dem sie mit angenehm warmer Stimme las, ins Erzgebirge. Dort schuftet der Großvater der Romanheldin Ida im Uranbergbau der AG Wismut unter Tage. Als Bergmann, der für das Atomwaffenprogramm der Sowjetunion Uran abbaut, genießt er Vorrechte und Privilegien und gehört damit zum sogenannten „Wismut-Adel“. Doch der Uranabbau hat seinen Preis, die Umwelt wird zerstört, die Flüsse verseucht – und der Großvater spuckt eines Tages Blut und stirbt dann, wie viele seiner Kumpels, vor der Zeit an Lungenkrebs. Mit der Romanheldin Ida, die später zusammen mit ihrer Mutter beim Staatszirkus der DDR als Artistin arbeitet, erlebt der Leser das Chaos des postsowjetischen Zeitenwandels. Ida, inzwischen erwachsen, baut sich ein neues Leben in Kiew auf, weil sie dort vieles von früheren Zeiten noch kennt, wie etwa „Speckwürfel und Wodka“. In ihrer Wahlheimat wird sie wieder mit Uran konfrontiert, wenn auch auf skurrile Weise, indem auf den Flohmärkten die Waren aus den geplünderten Häusern der verbotenen Stadt Tschernobyl als radioaktivfrei verkauft werden, was die kaum vorhandenen Knack- und Knistergeräusche des Geigerzählers, der an jedes Stück gehalten wird, beweisen sollen. Wie Tina Pruschmann verriet, habe nur wenige Tage nach Beendigung ihres Romans im Februar letzten Jahres der Überfall auf die Ukraine stattgefunden. Dass die Schriftstellerin mit Sondersituationen umgehen kann, bewies sie auch in Büßlingen, denn alle 15 Minuten machte die ehemalige Büßlinger Kirchturmuhr mit ihrem Läutwerk auf sich aufmerksam, die ja in einem großen Glaskasten im Vereinshaus Linde zu bestaunen ist. Traudl Ritter vom Vorstand des Bürgervereins dankte zum Schluss dem scheidenden Bürgermeister Marian Schreier, der sich große Verdienste um den Bürgerverein Linde erworben habe.