Der Bau eines Gewächshauses der Pestalozzi Gärtnerei GmbH in Wahlwies sorgt weiterhin für sehr konträre Standpunkte, wie sich bei einem Termin mit Vertretern des Petitionsausschusses des Landtags gezeigt hat: Bernd Löhle, Vorsitzender der Stiftung „Pestalozzi macht Bio“ als Träger der gGmbH und Geschäftsführer des Pestalozzi Kinder- und Jugenddorfs, verweist darauf, dass aus verschiedenen Gründen nur der gewählte Standort passt. Die Bürgerinitiative (BI) „Nein zum Standort Aach„ hält dagegen und führt negative Einflüsse auf die Tierwelt, das Landschaftsbild und den Erholungswert an. Aufgrund einer Petition der BI kam nun eine Abordnung nach zum Gedankenaustausch und Vor-Ort-Termin nach Stockach und Wahlwies.

Der Landtagsabgeordnete Jürgen Keck (FDP) leitete die Veranstaltung als Berichterstatter der Petition zusammen mit der Landtagsabgeordneten Martina Braun (Grüne). Er sagte, sie nähmen alle Erkenntnisse mit und bat um einen sachlichen Austausch, bei dem alle Argumente auf den Tisch kommen sollten.

Was die Stiftung sagt
Bernd Löhle erläuterte zunächst die Notwendigkeit eines Gewächshauses, da Wetterextreme immer häufiger vorkämen. Dann sagte er, es sei schwierig, die landwirtschaftlichen Betriebe vom Kinderdorf-Verein weiter zu fördern. „Wir bekommen keine Fördergelder mehr, da wir mehr als 250 Mitarbeiter haben. Darum haben wir uns entschieden, eine neue Stiftung zu gründen und die Gärtnerei auszulagern, um Fördergelder und Ähnliches bekommen zu können.“

Im Vorstand der neuen Stiftung seien die Kinderdörfler in der Minderheit. Bei der Mitgliederversammlung im November 2018 habe man abgestimmt, ob die Vereinsmitglieder überhaupt ein Gewächshaus wollten. Eine große Mehrheit sei dafür gewesen. Löhle erklärte: „Es gab die Möglichkeit von zwei Standorten, die klare Entscheidung fiel für diesen Standort, da dort eine Erweiterung möglich ist.“ Negative Reaktionen seien überhaupt nicht absehbar gewesen. „Wir hätten es lieber etwas weiter oben gehabt, aber der Eigentümer wollte die Fläche nicht abgeben, wir haben neun Versuche unternommen. Wir haben die Baugenehmigung, haben alle Auflagen entsprechend erfüllt und möchten jetzt sehr, sehr gerne bauen.“
Die Kritik seitens der Bürgerinitiative wies Bernd Löhle zurück. „Von vier Info-Veranstaltungen haben wir eine abgesagt, das Interesse war nicht so groß.“ Das Bauvorhaben sei 2018 bereits bekannt gewesen, zumindest dem Ortsvorsteher Udo Pelkner – der schüttelte gleich den Kopf.
Erläuterungen des Anwalts
Wolfgang Frick, Fachanwalt für Verwaltungsrecht und juristischer Berater des Kinderdorfs, ergänzte, zuerst seien drei andere Standorte angedacht gewesen: Im Winterried wären die Erschließungskosten zu hoch gewesen. Auf einen anderen habe man eigentumsrechtlich keinen Zugriff gehabt. Beim dritten wollte sich ein anderer Betrieb aus dem Kinderdorf-Verein auch erweitern und brauchte die Fläche. Das baurechtliche Verfahren sei sauber abgearbeitet und alle Naturschutzbelange geprüft worden. Seit 2020 gebe es die bestandskräftige Baugenehmigung. Die archäologische Untersuchung und Einebnung des Geländes hätten bereits Kosten verursacht.
Bürgerinitiative hat lange Liste an Argumenten
Eckhart Wildi und Konrad Walter sprachen für die BI. Aus ihrer Sicht sei es nicht nachvollziehbar, warum gerade dieser Standort gewählt worden sei. Sie wiesen auf das Auengelände als Schutzgebiet vieler seltener Tierarten hin. Man habe hier die längste Distanz mit dem größten negativen Einfluss, der Anfahrt über Wohnbereiche entlang der Waldorfschule. Sie sprachen von einem sehr regen Verkehr von Gabelstaplern: „6000 Fahrten pro Jahr, das ist nicht vernachlässigbar.“

Ein Gewächshaus an diesem Standort stelle einen erheblichen Eingriff dar – hinzu komme ein Warmwasserspeicher von zwölf Metern Höhe und 18 Metern Durchmesser. Und nach den Plänen der Stiftung solle es nicht bei dem einen Gewächshaus bleiben. „Wir können das Vorhaben nicht isoliert betrachten. Die ganze Fläche soll in der Erweiterung bebaut werden. Eine Verpackungsanlage kommt noch hinzu. Der Effekt hat langfristig eine ganz andere Dimension.“
Wie es mit der Umgebung aussieht
Zur Einordnung der Grundstückslage sprach Thomas Buser, Leiter des Amts für Baurecht und Umwelt beim Landratsamt. Das Baugebiet grenze an ein Biotop, befinde sich jedoch nicht in einem Schutzgebiet. „Es wäre uns aus naturschutzrechtlicher Sicht auch lieber gewesen, wenn das Gewächshaus dichter an der vorhandenen Bebauung dran wäre, aber das können wir nicht einfordern. Wir durften nur den Standort betrachten, der geplant wurde.“ Jede bauliche Anlage im Außenbereich bedeute eine Veränderung der Natur und Landschaft. „Wir fordern das, was nötig ist, nicht mehr, aber auch nicht weniger. Das ist üblich für vergleichbare Vorhaben.“
Im Rahmen von Ausgleichsmaßnahmen müsse der Bauherr darstellen, wie ein solcher Eingriffe kompensiert werden könne. Buser sagte: „Es wurde ein Monitoring zugrunde gelegt. Das, was man genehmigt hat, wird beobachtet.“ Er verstehe das Anliegen der BI, aber: „Wenn die Rahmenbedingungen stimmen, müssen wir die Zustimmung geben, das ist keine Ermessensfrage.“
Die Stadt wollte den Standort nicht
Bürgermeister Rainer Stolz berichtete, er habe Bernd Löhle schon zu Beginn gesagt, die Stadt werde diesem Standort so nicht zustimmen, weil man ihn für ungeeignet halte. Der Planungsausschuss des Gemeinderats und der Ortschaftsrat Wahlwies hätten den Standort dann auch abgelehnt. „Aber es geht nicht nur nach dem Wunsch einer Gemeinde“, so Stolz. „Dieser Sachverhalt muss nach Gesetz und Recht beurteilt werden. Daher muss die Baurechtsbehörde etwas genehmigen, was die politische Seite der Stadt nicht will.“
Der Wahlwieser Ortsvorsteher Udo Pelkner bestätigte, Ortschafts- und Gemeinderat hätten nicht den Bau eines Gewächshauses abgelehnt, sondern sich seit über drei Jahren gegen den Standort an der Aach ausgesprochen. An die Vertreter des Kinderdorfs gewandt sagte er: „Von 60 Mitgliedern Ihres Vereins waren 40 dafür. Sie haben immer auf privilegiert gepocht, dabei hat das Grundstück Ihnen damals gar nicht gehört, das haben Sie erst in der Folge getauscht, um dann sagen zu können, wir können nur da bauen, wo uns das Grundstück gehört.“

Ursprünglich sei die Idee gewesen, das vorhandene Gewächshaus zu spiegeln. Dass der landwirtschaftliche Betrieb Bedarf melde, sei nie ein Thema gewesen, so Pelkner. Er schloss: „Sie haben die Grundstücke getauscht, das haben Sie clever gemacht. Das muss man bewundern, verstehen muss man es nicht.“ Rechtsanwalt Frick antwortete: „Dieser Eingriff ist an dieser Stelle erlaubt, er ist ein Recht.“
Befürchtung eines Präzedenzfalls
Thomas Buser machte klar, dass der Eingriff in das Landschaftsbild geprüft worden sei. „Derzeit ist dort ein Acker. Selbstverständlich verändert ein Gewächshaus die Landschaft. Aber es gibt in der Nähe schon ein Gewächshaus. Das hat Einfluss auf die Entscheidung, weil es eine gewisse Vorbelastung der Landschaft darstellt. Diese Aspekte müssen wir beachten, das ist eine gesetzlich klare Vorgabe.“ Hier fürchtete die BI die Schaffung eines Präzedenzfalles.
Buser bestätigte: „Es kann passieren, dass künftig weitere Gewächshäuser genehmigt werden. Es kann auch passieren, dass die Bebauung so massiv würde, dass ein privilegiertes Verfahren hintenanstehen muss. Ein Betrieb kann nicht x-beliebig in die Landschaft hineinplanen.“
Wie es nun weitergeht
Alle Informationen werden nun aufbereitet und im Petitionsausschuss besprochen, bevor sie dem Landtag vorgelegt werden. Das kann dauern, nicht absehbar ist, ob das Thema in der nächsten Sitzung auf die Tagesordnung kommt oder ob mehrere Termine notwendig werden, weil noch weitere Informationen eingeholt werden müssen. Jürgen Keck bat daher um Geduld.
Die Bürgerinitiative
Die Bürgerinitiative „Nein zum Standort Aach“ wurde im Frühjahr 2020 gegründet, nachdem bekannt geworden war, dass dort ein 1,6 Hektar großes Gewächshaus entstehen soll und eine Erweiterung möglich ist. Neben dem Gewächshaus sind ein 800-Kubikmeter-Wassertank sowie ein Gebäude für Technik (400 Quadratmeter), Sozialräume (200 Quadratmeter) und eine Hackschnitzelanlage (200 Quadratmeter) geplant, wie aus einer Bürgerinfo der Stiftung „Pestalozzi macht Bio“ vom Sommer 2020 hervorgeht. Eine Baugenehmigung liegt sei 2020 vor. (wig)