Herr Utz, was passiert, wenn sich Biene und Blume nicht treffen, weil es immer früher warm wird?

Werner Utz: Das ist so nicht richtig, dass sie sich gar nicht treffen. Denn zwar ist die Vegetation durch die Erwärmung früher dran, die Bienen dann aber meist auch. Stehen die Bienenstöcke allerdings an einem ungeschützten und damit kühleren Standort, kann es doch passieren, dass während der Obstblüte die Bienenvölker noch nicht so weit sind.

Die Bienen gehen meist schon Anfang Januar in den Frühjahrsmodus. Das heißt, sie beginnen ihre Bruttätigkeit, je nach Witterung mehr oder weniger intensiv. Ein Indiz für die Erwärmung sind zum Beispiel kleine Brutnester im Dezember, so wie im vergangenen Winter. Und wenn beispielsweise im Januar die Sonne mal direkt auf einen Bienenstock scheint, dann fangen die Bienen an auszufliegen.

Aber wenn es zufällig mitten im Winter mal warm wird und dann wieder kalt – was hat das dann für Auswirkungen auf die Bienen?

Werner Utz: Zum einen ist so ein Flug während der Winterzeit gut, denn die Bienen können dann einen sogenannten Reinigungsflug vollziehen, also ihre Kotblase leeren. Wenn es zu lange zu kalt ist, wird hingegen in den Bienenstock gekotet. Aber wenn sie ausfliegen und es ist draußen doch zu kalt, dann kann es passieren, dass die Bienen sich kaltfliegen. Dann sterben sie bei diesem Flug.

Eine Honigbiene sammelt Nektar auf einer Rosmarinblüte.
Eine Honigbiene sammelt Nektar auf einer Rosmarinblüte. | Bild: Werner Utz

Woran genau liegt es, dass immer mehr Bienen sterben?

Werner Utz: Das Ganze ist eine Summe verschiedener Faktoren: Der größte Faktor ist eine Milbe, die für die Bienen tödliche Viren überträgt und die Brut schädigt. Dann seien da Flurbereinigungen und die Flächenversiegelung genannt, sprich: Es gehen immer mehr Lebensräume der Wildbienen verloren.

Es gibt auch Wildbienen, die auf ganz bestimmte Blütenpflanzen angewiesen sind, zum Beispiel die Glockenblumen-Scherenbiene. Fehlen solche Pflanzen, fehlt die Nahrungsgrundlage für diese Wildbienen und sie sterben aus. Es hängt alles miteinander zusammen.

Was bräuchten die Bienen, damit das nicht passiert?

Werner Utz: Es wäre zum Beispiel die Renaturierung von Privatgärten wichtig mit bienenfreundlichen Pflanzen, auch für Hummeln und eben verschiedene Wildbienenarten. Das ist etwas, das jeder tun kann, der einen Garten hat. Ein Bienenhotel, in dem die Tiere zwar einen Nistplatz, aber nirgendwo Nahrung finden, ist weniger sinnvoll.

Das könnte Sie auch interessieren

Mit Vorsicht zu genießen sind übrigens Blühmischungen aus dem Baumarkt oder Supermarkt: Diese enthalten oft günstige Füllsamen oder Samen, deren Blüten wenig oder keinen Nektar bieten. In der Landwirtschaft gibt es eine gute Alternative zum Mais als Energielieferant – die Durchwachsene Silphie, ein wahres Eldorado für Insekten, unter anderem auch weil die Insekten in den Blattachsen trinken können.

Werner Utz ist Bienensachverständiger und stellvertretender Vorsitzender des Bezirksimkervereins Stockach.
Werner Utz ist Bienensachverständiger und stellvertretender Vorsitzender des Bezirksimkervereins Stockach. | Bild: Maren Decker

Inzwischen gibt es immer mehr Leih-Imker. Was machen die und wie wird man das?

Werner Utz: Viele Firmen möchten das Verständnis für die Bienen und die Natur im Allgemeinen schulen, teils aus ökologischem Interesse, teils aber auch aus Imagegründen. Dazu werden Imker engagiert, um Mitarbeiter zur Imkerei anzuleiten oder auf Firmengrundstücken meist werbewirksam Bienen zu betreuen. Gerne wird der so geerntete Honig an Geschäftspartner verschenkt. Hier ist der örtliche Imkerverein ein guter Ansprechpartner. Junge Imker sind leider häufig in der misslichen Lage, dass sie zwar ihre Ausbildung haben, aber nicht wissen, wo sie ihre Bienen aufstellen sollen.

Bestäubungsimker stellen ihre Bienen in große Plantagen oder Obstfelder, damit die Bestäubung dort funktioniert. Bei uns wird die Arbeit der Bestäubungsimker leider nicht genügend honoriert: Die Obstbauern sind oft der Meinung, dass die Imker dankbar sein können, dass sie ihre Bienen in ihren Obstfeldern aufstellen dürfen.

Wie wird man denn überhaupt Imker?

Werner Utz: Es ist leider noch nicht erforderlich, einen Sachkundenachweis zu führen, um überhaupt Bienen halten zu dürfen, das darf jeder einfach so. Wir Imker sind aber der Meinung, dass es diesen Sachkundenachweis unbedingt geben sollte, um Bienen richtig zu halten.

Das könnte Sie auch interessieren

Man sollte vor dem Beginn der Imkerei auf jeden Fall einen Imker-Grundkurs bei einem Verein machen, wie ihn zum Beispiel der Bezirksimkerverein Stockach gerade anbietet. Dieser beginnt mit einem Info-Abend, an dem man erfährt, was Imkerei eigentlich bedeutet, was alles dahinter steckt, was auf einen Menschen zukommt, der beschließt, Bienen zu halten. Und man lernt während des theoretischen Teils auch über die gesetzlichen Verpflichtungen. Die Bienenseuchenverordnung sollte für jeden Imker die Bibel sein. Berufsimker kann man nach dreijähriger Ausbildung werden, zum Beispiel als Tierfachwirt mit Spezialisierung auf Imkerei. Als Berufsimker gelten Imker ab etwa 150 Bienenvölkern.