
Der Zahn der Zeit nagt an den ältesten Schätze des Stockacher Stadtarchivs. Ein Restaurator hat deshalb nun 14 der historisch wertvollen Bücher abgeholt und rettet sie für die Zukunft. Es geht zum Beispiel um das älteste Urbar, also ein Güterverzeichnis, von Stockach.

„Es zeigt, wer welchen Besitz hatte“, erklärte Archiv- und Museumsleiter Johannes Waldschütz, als ein Restaurator die Bücher abholte. Ein Urbar sei früher das gewesen, was heute das Grundbuch ist. Außerdem sind weitere Urbare, Ratsprotokolle und Kopialbücher (Urkundenabschriften) dabei.
Fördermittel für die Restauration
Johannes Waldschütz freut sich, dass es geklappt hat und die Mittel für die Restauration einiger Bücher genehmigt wurden: 6000 Euro von der Stadt und 6000 Euro von der Koordinierungsstelle für die Erhaltung des schriftlichen Kulturguts (Kek). Bei manchen lösen sich die schützenden Einbände oder haben Risse.

Bei einem der Bücher zeigte Waldschütz zum Beispiel, dass das Buch stark benutzt wurde. „Weil der Einband seine Schutzfunktion nicht mehr ausüben kann, gehen innen Blätter kaputt“, erklärte er die Dringlichkeit der Maßnahme. Was weg sei, sei auf ewig verloren. Deshalb sei es auch wichtig, frühzeitig den Bestand zu erhalten. Bücher wie das Urbar würden immer wieder angefragt, erzählte Waldschütz: „Sie sollen benutzbar bleiben. Und wir wollen die Bücher für künftige Generationen erhalten.“
Stockach habe die Besonderheit, dass seit 1618 alle Ratsprotokolle durchgängig erhalten seien. Und was die Urbare angehe – diese stimmen mit vorhandenen Karten überein, so Waldschütz.
Wie die Restauration abläuft
Norbert Schempp, der Chef von Schempp Bestandserhaltung persönlich, packte die Bücher mit Waldschütz ein und erzählte dabei, wie die Rettung des Urbars abläuft. „Der Einband wird abgenommen, die Blätter ausgelöst und Fehlstellen ergänzt“, beschrieb er die anstehenden Arbeiten. Der Einband werde dann restauriert.
Eines der anderen Bücher ist in eine alte Urkunde aus dem 15. Jahrhundert eingeschlagen. So ein Zweitverwendung sei üblich gewesen, wenn Urkunden ungültig geworden seien. „Recycling war damals auch schon ein Thema“, erklärt Schempp.

Im Rahmen der Restauration will er schauen, von was genau die Urkunde handelt. Es sei eine interessante, historische Quelle. Neben Urkunden sei soetwas auch mit Liederhandschriften gemacht worden – dies ist bei einem weiteren Buch aus dem Archiv, das ebenfalls restauriert wird.

Auch eines der ältesten Stockacher Ratsprotokolle wanderte in die Transportbox. Der Band sei leider mal feucht gelagert gewesen, erzählte Waldschütz. Schempp erläuterte, dass die Zellulose im Papier ein Mehrfachzucker sei – Pilze spalten diesen auf. Der Restaurationsprozess sorgt nun dafür, dass der Schaden eingedämmt und weitere vermieden werden.

Bei einem anderen, sehr massiven Werk hat sich der Buchrücken stark gegengerundet. „Das passiert, wenn der Löschsand, der beim Schreiben benutzt wurde, hinten rein rutscht“, sagte Schempp, der Restaurator im Buchbindehandwerk ist. So gerate viel Schmutz in den Buchrücken und das Volumen nehme zu. Der Rücken mache das nicht mit und gehe deshalb in die Gegenrundung. Die Falze werden deshalb nun mit einem fingerbreiten Mini-Staubsauger gereinigt.
Auswahl der Bücher nach Dringlichkeit
„Jedes Buch hat einen anderen Schaden“, fasste Waldschütz zur Auswahl für diese Restaurations-Runde zusammen. Er und Schempp hätten die Bände mit der höchsten Dringlichkeit zusammengestellt. „Wir sind im Januar alles durchgegangen“, erzählte Waldschütz. Die Abholung war aber erst jetzt.

In der Firma Schempp arbeiten 24 Mitarbeiter. Neun davon sind Restauratoren. Sie werden sich im Lauf des Jahres um die Stockacher Bücher kümmern. Es wird laut Schempp und Waldschütz vermutlich Jahresende bis die Werke wieder zurück im Stadtarchiv sind. So lange dauere die Bearbeitung und Trocknung.“ Es gebe bereits weitere, die eine solche Kur ebenfalls nötig hätten. Waldschütz hofft deshalb auf weitere Mittel, um die Werke für die Nachwelt zu erhalten – zum Beispiel ein historisches Gerichtsbuch.

Norbert Schempp hatte großes Lob für Johannes Waldschütz: „Man muss vernünftig argumentierten, um Geld von Kek zu bekommen.“ Das habe Waldschütz geschafft.
Das Stadtarchiv
Die Internetseite von Stockach beschreibt das Stadtarchiv im Rathaus folgendermaßen: „Das Stadtarchiv ist das historische Gedächtnis der Stadt Stockach und Anlaufstelle für Forschungen zur Stockacher Stadtgeschichte. Es ist zuständig für die Sicherung und Überlieferung städtischen Schriftguts, das rechtlich oder historisch einen bleibenden Wert besitzt.“ Im Archiv sind außerdem auch nichtamtliche Schriftstücke, Nachlässe, Deposita (Narrengericht, Familie von Krafft-Ebing) und das umfangreiche Fotoarchiv Hotz. Ansprechpartner sind Leiter Johannes Waldschütz, Sybille Trefflich und Wolfgang Kögl. (löf)