Reinhold Buhl

Auch wenn die räumliche Nähe zum Stockacher Narrenbaum gegeben war, hatte doch das Schauspiel anlässlich der Badischen Revolution von 1848/49 so gar nichts mit Fasnacht zu tun. Statt närrischer Leichtigkeit herrschte vor dem Bürgerhaus Adler Post am Samstag, 9. März, der bittere Ernst eines Straßenkampfs zwischen Soldaten einer übermächtigen Bürgerwehr, dargestellt von der Sipplinger Bürgermiliz, und einer Handvoll unbeugsamer Revolutionäre.

Die Ruhe vor dem Sturm (von links): Adrian Staiger, Kommandant der Sipplinger Bürgerwehr, Ehrenfried Bantel, Organisator der ...
Die Ruhe vor dem Sturm (von links): Adrian Staiger, Kommandant der Sipplinger Bürgerwehr, Ehrenfried Bantel, Organisator der Veranstaltung, und Jan Elert alias Josef Fickler (in der Bildmitte mit Zylinder), umgeben von weiteren Revolutionären. | Bild: Reinhold Buhl

"Tatsächlich entsprach die gravierende Unterzahl der Revolutionäre gegenüber der Bürgerwehr den Tatsachen aus dem Revolutionsjahr 1848", erklärte Organisator Ehrenfried Bantel, der sich unumwunden als Fan der damaligen Revolution zu Erkennen gab.

Die Kernszene der Badischen Revolution in Stockach trug sich auf dem Dandler-Balkon zu: Josef Fickler (links, gespielt von Jan Elert), ...
Die Kernszene der Badischen Revolution in Stockach trug sich auf dem Dandler-Balkon zu: Josef Fickler (links, gespielt von Jan Elert), verkündet die Forderungen der Revolutionäre. Ehrenfried Bantel beobachtet das Geschehen. | Bild: Reinhold Buhl

Vor dem besagten Straßenkampf, bei dem letztendlich die Revolutionäre gefangen genommen wurden, wurde auf dem Balkon des Hauses Dandler die Szene nachgestellt, in welcher der Revolutionär Josef Fickler vor genau 171 Jahren, am 9. März 1848, die Revolution ausrief. Fickler wurde auf dem geschichtsträchtigen Dandler-Balkon dargestellt von Jan Elert aus Staufen.

Die Revolutionäre erwarten hinter ihrer Barrikade den Ansturm der Soldaten.
Die Revolutionäre erwarten hinter ihrer Barrikade den Ansturm der Soldaten. | Bild: Reinhold Buhl

Er ist ein langjähriger Weggefährte des Stockacher Revolutions-Fans Bantel, der die einführenden Worte zu der Balkonszene sprach. Musikalisch umrahmt wurde der Auftritt Elerts von Jürgen Lempp aus Wahlwies, der auf seinem Akkordeon die Marseillaise spielte, die zum ersten Mal 1792 beim Einzug der Soldaten in Paris gesungen wurde und seit 1795 die Nationalhymne Frankreichs ist.

"Wir hatten schon viele Einsätze, aber der heutige Barrikadenkampf war für uns eine Premiere." Adrian Staiger, Kommandant der Sipplinger ...
"Wir hatten schon viele Einsätze, aber der heutige Barrikadenkampf war für uns eine Premiere." Adrian Staiger, Kommandant der Sipplinger Bürgerwehr | Bild: Reinhold Buhl

Eine Barrikade teilt die Hauptstraße

Der geschichtsträchtige Tag lockte viele Stockacher und Gäste in die Hauptstraße, die durch eine von den Revolutionären erbaute Barrikade auf der Höhe der Metzgerei Bechler zweigeteilt war. Der einheimische Rolf Meyer, pensionierter und geschichtsinteressierter Lehrer, erklärte gegenüber dem SÜDKURIER, dass die heutige Darstellung für ihn eigentlich mehr eine Show für die Bevölkerung war und dass ein echtes Revolutionsgefühl bei ihm nicht aufgekommen sei. Das habe er aber auch nicht erwartet. "Ich finde, Herr Bantel hat das sehr gut gemacht, und man merkte, dass er voll hinter der Sache steht", ergänzt Meyer.

Pulverdampf durchwehte die Hauptstraße, als die Soldaten, dargestellt von der Sipplinger Bürgermiliz, die Barrikaden der Revolutionäre ...
Pulverdampf durchwehte die Hauptstraße, als die Soldaten, dargestellt von der Sipplinger Bürgermiliz, die Barrikaden der Revolutionäre stürmten. | Bild: Reinhold Buhl

Wolfgang Kaiser, gebürtiger Stuttgarter, der seit drei Jahren in Stockach wohnt, fand die Veranstaltung sehr interessant. "Ich bin gekommen, um bei diesem Ereignis – als gebürtiger Württemberger – mehr über die Badener und ihre Revolution zu erfahren", erklärte Kaiser.

Vortrag und Revolutionslieder im Bürgerhaus Adler Post

Im Anschluss an das Spektakel auf der Straße waren die Gäste zu einem kurzen Vortrag ins Bürgerhaus eingeladen. Redner war Fickler-Darsteller Elert, der zum damaligen 9. März 1848 einige interessante Fakten darbot. So erfuhren die etwa 150 Zuhörer, dass Josef Fickler damals mit einem sogenannten Eil-Wagen nach Stockach kam und von den damals anwesenden geschätzt 6000 Bürgern mit frenetischem Beifall empfangen wurde.

Nach der Erstürmung der Barrikaden werden alle Revolutionäre verhaftet. Auch der Agitator Josef Fickler (Bildmitte mit Zylinder) entgeht ...
Nach der Erstürmung der Barrikaden werden alle Revolutionäre verhaftet. Auch der Agitator Josef Fickler (Bildmitte mit Zylinder) entgeht nicht seinem Schicksal. | Bild: Reinhold Buhl

Die damalige Balkon-Veranstaltung wurde interessanterweise vom Meßkircher Bürgermeister Emmert eröffnet, auf den dann zunächst viele Revolutionärs-Redner aus allen Landesteilen folgten, bevor dann Fickler das Wort ergriff und seine Forderungen an die Obrigkeit formulierte. In einer Petition stellte er 16 Forderungen auf, in denen er unter anderem die Pressefreiheit, die Entwaffnung des Heeres, freies Agitationsrecht und Religionsfreiheit forderte. Dazu sollten Schwurgerichte, wie in England damals bereits bekannt, eingerichtet werden.

"Ich interessiere mich für Geschichte, deshalb wollte ich mir das Spektakel heute nicht entgehen lassen." Robert Mertens, Stockach
"Ich interessiere mich für Geschichte, deshalb wollte ich mir das Spektakel heute nicht entgehen lassen." Robert Mertens, Stockach | Bild: Reinhold Buhl

Elert beendete seinen Vortrag, wie nicht anders zu erwarten, mit dem Ausruf "Hoch lebe die Republik", den viele Anwesende mit einem revolutionären "Hoch" beantworteten. Bevor vier Musikerinnen und Musiker des Nellenburg-Gymnasiums unter Leitung und Mitwirkung von Stefan Gräsle das Deutschlandlied spielten, sang Bantel noch drei Revolutionärs-Lieder.

 

Rückmeldung an den Autor geben