Andreas Trautmann trinkt gerne Kaffee. Zum Treffen mit dem SÜDKURIER hat er welchen gebrüht. Geröstet in Überlingen, doch die Bohnen kommen von Mount Elgon in Uganda. Der Geschmack der Ferne in der Tasse – und eine erste Begegnung mit dem Ziel seiner Familie für die nächsten Jahre. Denn Andreas Trautmann will wenige Tage nach diesem Gespräch mit seiner Familie auswandern. Ihr Ziel: Uganda.

Andreas Trautmann arbeitet als Lehrer für Physik, Religion und Mathematik, seine Frau Christine hat Theologie studiert. Er ist 37, seine Frau 35. Inzwischen sind sie Eltern zweier Kinder: ihr Sohn Benaja ist fünf und ihre Tochter Hadassa zwei Jahre. Bis vor Kurzem haben sie noch in Arlen gewohnt. Vor vier Jahren haben sie dort ein Eigenheim erstanden. Hinter dem Haus war ein Garten angelegt mit einem Kirschbäumchen, einem Pflaumenbaum und einem Gemüsebeet. Nun ist der Garten mit dem Haus vermietet. Für Andreas Trautmann ein Sinnbild für das, was man hinter sich lässt: den Komfort des Alltäglichen. Und trotzdem: „Wenn wir in Uganda angekommen sind, glaube ich nicht, dass wir die Dinge vermissen“, sagt der Auswanderer.

Was sie nicht mitnehmen, bleibt auf dem Dachboden in Arlen verstaut .
Was sie nicht mitnehmen, bleibt auf dem Dachboden in Arlen verstaut . | Bild: Andreas Trautmann

Mit dem Spätzlehobel nach Afrika

Die meisten ihrer Sachen liegen nun auf dem Dachboden. Andere Sachen haben sie mit nach Sipplingen zu den Großeltern, den Eltern von Christine, mitgenommen, wo sie übergangsweise untergekommen sind. Aufgewachsen ist Trautmann am Kaiserstuhl. Dort wurde er auch zum Spätzle-Liebhaber. Daher habe er noch eigens einen Spätzlehobel gekauft, um die Knöpfle in Uganda nicht missen zu müssen. Das sei auch gar nicht so ungewöhnlich. Eine Arbeitskollegin erzählte, sie habe ihren eigenen Sauerteigansatz mitgenommen, um vor Ort ihr eigenes Brot backen zu können. Auch Weihnachtsschmuck nehmen die Trautmanns mit. Eine Tanne werden sie dort nicht finden, vielleicht gebe es stattdessen eine Weihnachtspalme, scherzt der Lehrer.

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In Afrika war noch keiner der beiden, weit weg waren sie beide schon: Andreas war in Pakistan, Christine in Korea, sie hat länger in London gewohnt und eineinhalb Jahre in Süd-Ost-Asien auf dem Schiff verbracht. Als sie zurückkehrten, blieb der Wunsch nach Weite bestehen. Also bewarben sie sich initiativ bei Coworkers. Coworkers ist eine christlich orientierte Organisation für Entwicklungszusammenarbeit. Paul Kakooza von der Curch of Uganda hatte dort zuvor bereits eine Anfrage gestellt, wurde dem Ehepaar auf Basis ihrer Vorerfahrungen Uganda vorgeschlagen. Die Church of Uganda sei laut Trautmann mit circa 8000 Bildungseinrichtungen im Land einer der wichtigsten Bildungsträger. Damit stelle sie grob ein Viertel der Schulen, so der Lehrer weiter. Ein weiteres Viertel stelle die katholische Kirche, der Rest verteile sich auf staatliche und private Schulen.

Ziel sei es nun, dabei zu helfen, Modellschulen aufbauen. Dafür werde Trautmann mit den kirchlichen Schulinspektoren zusammenarbeiten und mit ihnen Möglichkeiten entwickeln, die Bildungsteilhabe im Land zu verbessern. Dass er selbst unterrichtet, ist allerdings nicht vorgesehen. „Wenn das, was wir machen, auch nur ein paar Kindern etwas bringt, hat es sich schon gelohnt“, schließt der 37-Jährige.

Hier spazieren die Trautmanns noch bei Arlen. Die nächsten Jahre verbringen sie als Entwicklungszusammenarbeiter für Schulen in Uganda.
Hier spazieren die Trautmanns noch bei Arlen. Die nächsten Jahre verbringen sie als Entwicklungszusammenarbeiter für Schulen in Uganda. | Bild: Julia Peters

Der Vorbereitungsmarathon läuft

Vor zwei Jahren habe sich Trautmann noch gefragt, wo Uganda überhaupt liege, sagt er. Jetzt ist er auf dem Weg dorthin: „Die einen erklären uns für verrückt, die anderen bewundern uns“, berichtet er aus seinem Umfeld. Um einen ersten Überblick über die Kultur Ugandas zu bekommen, sahen sie Dokumentationen auf YouTube an und lasen die Biografie von Katie Davis Majors. Auch um einen Eindruck zu erhalten, wie sie wohnen könnten. Doch ohne die Erfahrung blieben die Bilder abstrakt: „Es hilft und gleichzeitig hilft es überhaupt nicht“, beschreibt es Trautmann.

Die Sachen sind gepackt und abfahrbereit.
Die Sachen sind gepackt und abfahrbereit. | Bild: Andreas Trautmann
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Die Vorbereitung war intensiv: Nicht nur mussten die Mieter für ihr Haus gefunden und die eigenen Sachen zusammengeräumt werden, auch diverse Impfungen von Gelbfieber bis Typhus mussten organisiert werden, Kindergeld, Postnachsendeantrag und ein internationaler Führerschein neu beantragt werden, und ein Intensivkurs in Luganda, eine der Sprachen Ugandas. Für die Kinder bedeutete das einen Marathon, erzählt ihr Vater. Trotz der Vorfreude sei die Übergangszeit zwischen Zuhause und dem neuen Kontinent gerade für Benaja schwierig. Er vermisse seine alten Freunde und neue habe er noch nicht kennengelernt. Auch für die Erwachsenen der Familie heißt es jetzt vor allem eines: Abschied nehmen. Gerade ihre Eltern sind von dem Vorhaben weniger begeistert, weil sie ihre Kinder und Enkelkinder nun seltener sehen werden, so Trautmann. Dennoch werde sich der Abschiedsschmerz vermutlich erst einstellen, wenn sie in Afrika sind. Aber wie auch immer es sich dort entwickle: „Die Kinder haben Vorrang“.

Ein ungewisse Rückkehr

Dass der Einsatz von Andreas Trautmann Schwierigkeiten birgt, wird schnell deutlich: Die Schulen unterscheiden sich stark, je nach dem, ob sie in der Stadt oder auf dem Land stehen. Die Nachwirkungen der Corona-Pandemie, machen dem Land nach wie vor zu schaffen. Trautmann spricht von 83 Wochen Lockdown. So wurde die Corona-Krise auch zu einer Bildungskrise. Zudem spreche man ungefähr vierzig verschiedene Sprachen, so der Religionslehrer. Obendrein habe das Land eine traumatische Geschichte in Bezug auf Kindersoldaten.

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Wie es dann vor Ort in Kampala aussehen wird, ist derweil noch unklar. Auch weil die Familie bald zu fünft sein wird. Das Kind wird dann in Uganda zur Welt kommen. Für die ersten Wochen haben die Trautmanns ein Gästehaus gemietet. Von dort wollen sie sich orientieren und eine dauerhafte Bleibe suchen. Doch vorher fliegen sie dreizehn Stunden in ihr neues Zuhause. Erst von Zürich nach Brüssel, von dort nach Burundi, um dann ins Flugzeug nach Entebbe, der alten Hauptstadt Uganda, zu steigen, wo sie inzwischen gelandet sind.

Inzwischen ist die Familie in Entebbe am Viktoriasee gelandet
Inzwischen ist die Familie in Entebbe am Viktoriasee gelandet | Bild: Andreas Trautmann

Die Entwicklungszusammenarbeit der Trautmanns ist vorerst auf drei Jahre begrenzt. Ob die Familie danach in ihr Haus in Arlen mit dem Garten zurückkehren will?: „Mal sehen. In der Zeit passiert viel. Man verändert sich in drei Jahren. Mal sehen, wo es uns beruflich hin verschlägt.“ Auf jeden Fall muss der Kaffee fürs Erste nicht mehr zu ihm kommen, weil sein Trinker jetzt dort ist, wo der Kaffee wächst.

Auf ihrem Blog, hält die Familie Interessierte auf dem Laufenden: