Wenn der ganze Bürgersaal gebannt an den Lippen von Kämmerin Heike Bender hängt und es minutenlang mucksmäuschenstill ist, dann bedeutet dies eines: Es geht um den Haushalt 2023 der Stadt Singen. Oder knapp formuliert: Was kann sich die Stadt leisten, wo will sie Geld ausgeben, auf welches Projekt müssen die Singener weiterhin warten und wo muss gespart werden.
Bei der anschließenden Diskussion im Verwaltungs- und Finanzhaushalt – im Vorfeld zur eigentlichen Haushaltssitzung – wird deutlich: Große Sprünge sind auch in diesem Jahr nicht drin. Oder wie es Oberbürgermeister Bernd Häusler ausdrückt: „Der Haushalt ist ausgewogen, aber den großen Wurf, etwa die neue dreiteilige Sporthalle, werden wir nicht landen.“ Wie schon in den Jahren zuvor gelte es bei anstehenden Projekten, auf Sicht zu fahren.
Das bedeutet auch: Vieles, was sich die Singener seit Jahren wünschen, wird vorerst Wunsch bleiben müssen. „Unsere Prognosen für den Haushalt 2023 sind aber sehr nahe an der Realität dran“, betont der Singener Rathauschef.
So sehen die Zahlen aus
Ein Blick in das städtische Finanzpapier für 2023 zeigt: „Der Haushalt 2023 ist zu großen Teilen erfreulich“, sagt Kämmerin Heike Bender. Laut ihrer Vorstellung rechne die Stadtverwaltung im Ergebnishaushalt mit einem Plus von 19,3 Millionen Euro.
Anders sieht es mit Blick auf den Finanzhaushalt aus. Dieser weise laut Bender ein Minus von rund 5,5 Millionen Euro aus. Allerdings sei es laut Bender möglich, dieses Minus aus Rücklagen aus den Vorjahren zu tragen.

Insgesamt bezeichnet die Kämmerin die Finanzlage der Stadt dennoch als gut. Dies liege mitunter an einer stabilen Gewerbesteuer. Nach dem Rekordjahr 2022 mit Gewerbesteuereinnahmen von 62 Millionen Euro, rechne die Stadt in diesem Bereich 2023 mit Einnahmen in Höhe von 54 Millionen Euro. Erfreulich sei zudem, dass im Jahr 2023 nach derzeitigem Stand keine neue Kreditaufnahmen nötig seien.
2024 wird zum Sorgenjahr
Trotz allen Optimismus blicke man laut Kämmerin Heike Bender mit einem gewissen Maß an Sorge auf das kommende Jahr 2024. Denn sie gehe aktuell davon aus, dass die Ergebnishaushalte ab 2024 deutlich negativer ausfallen werden – und dies trotz weiterhin guter Einnahmesituation. „Insbesondere der Ergebnishaushalt 2024 schließt mit einem Minus von 21,2 Millionen Euro ab“, sagt sie.

Die Kämmerin erläutert: Weil im Jahr 2022 die Gewerbesteuer wesentlich höher ausgefallen sei, werde auf die Stadt ab 2024 eine höhere Kreisumlage zukommen. Zeitgleich werde die Schlüsselzuweisung des Landes geringer ausfallen. Erschwerend hinzu käme, dass die Stadt 2024 einen Kreditbedarf von vier Millionen Euro haben werde.
Stadt investiert in Kita, Scheffelhalle und Straßen
20,2 Millionen Euro will die Stadt Singen im Haushaltsjahr 2023 investieren. Alleine für Baumaßnahmen sind laut Kämmerin Heike Bender 12,5 Millionen Euro vorgesehen. Zu den größten Investitionen zählt sie den Kita-Neubau in der Kernstadt (500.000 Euro), den Neubau der Scheffelhalle (1,5 Millionen Euro), den Erwerb unbebauter (1,5 Millionen) und bebauter Grundstücke (2,5 Millionen Euro), den weiteren Umbau von Bushaltestellen (400.000 Euro), sowie den Neubau der Güter- (1,5 Millionen Euro) und der Hohenkrähenstraße (800.000 Euro).
Aber Bender hebt angesichts der anstehenden Aufgaben und Projekte auch mahnend den Finger: „Insbesondere müssen zukünftige Investitionen auch unter Berücksichtigung ihrer Folgekosten gesehen werden.“
Kann der Gürtel enger geschnallt werden?
Stadtrat Eberhard Röhm (Grüne) versucht im Laufe der Sitzung, weitere Großprojekte, auf die Singen schon länger wartet, nach vorne zu schieben – etwa die dringend benötigte dreiteilige Sporthalle, die Nordstadt-Kita oder ein neues Hallenbad. Sein Vorstoß: Vielleicht das ein oder andere Vorhaben vorzuziehen. Gerade bei der Sporthalle würden viele Singener danach lechzen.
„Wenn der Haushalt so eintritt, dann werden wir diese Maßnahmen nicht stemmen können. Wir haben nirgends Geld versteckt“, betont Häusler. Mit Blick auf ein Hallenbad-Neubau zeigt sich der Rathauschef skeptisch. Er verweist darauf, dass das benachbarte Schaffhausen ein ähnliches Projekt für 82 Millionen Euro umsetze. Auf längere Sicht dürfte man auch ein neues Feuerwehrhaus für 15 bis 20 Millionen Euro nicht vergessen, so Häusler weiter.

Um mehr Spielraum im Haushalt 2023 zu generieren, schlägt Stadträtin Birgit Kloos (SÖS) vor, das Geld für den Praxedisplatz einzusparen. Wohl die einzige Wortmeldung, bei der OB Häusler der Blutdruck ein bisschen ansteigt. „Wenn wir die Mobilitätswende weiter voranbringen wollen, ist dieses Projekt dringend geboten.“ Gerade für Radfahrer und Fußgänger sei die aktuelle Situation am Praxedisplatz eine Zumutung. „Man braucht fast ein Vesper, um über den Kreuzungsbereich zu kommen“, so Häusler. Aktuell ist eine Planungsrate für 50.000 Euro im Haushalt 2023 eingestellt.
Radweg an Schlachthausstraße muss warten
Wie wenig Spielraum im Haushalt 2023 tatsächlich ist, wird auch an einer anderen Stelle deutlich: Eine Diskussion über einzelne Projekte bleibt nahezu komplett aus. Lediglich beim Radweg von der Schlachthaus- bis zur Homberger Straße kommt ein bisschen Hitze in die Diskussion. Eberhard Röhm schlägt vor, dass man bei der Umsetzung zuerst auf die Ergebnisse des Radwegekonzeptes warten solle.
Dafür gibt es von OB Häusler eine klare Absage: „Dann schießen wir 200.000 Euro Fördergelder einfach in den Wind.“ Die Kosten für den Radweg belaufen sich auf 489.000 Euro. „Wenn wir das Projekt verschieben, fliegt es ganz raus. Wir wissen nicht, ob wir die Fördergelder auch im kommenden Jahr bekommen“, so Häusler weiter. Der Kompromiss: Vorerst wird der Radweg mit einem Sperrvermerkt belegt.
Mehr Aufgaben führen zu mehr Personalkosten
Bereits beim Singener Nachbarschaftswein kurz vor Jahreswechsel hatte OB Bernd Häusler eine stark zunehmende Bürokratisierung, die den Kommunen von Land und Bund aufgebürdet wurde, harsch kritisiert. 100 neue Gesetze habe der Bund auf den Weg gebracht. Was dabei von den Gesetzgebern vergessen werde: „Es braucht auch Menschen, die diese bearbeiten und umsetzen“, betonte Häusler damals.

Alleine bei der Stadt Singen seien in den vergangenen zwei Jahren 40 neue Stellen geschaffen worden. Aber der Fachkräftemangel sei deutlich: „Wir finden die Menschen gar nicht mehr. Wir müssen deutlich sagen, dass es nicht mehr funktionieren wird“, sagte Häusler beim Nachbarschaftswein. Wie sehr dieser Umstand die Singener Stadtverwaltung treffe, wird mit Blick auf die Personalkosten im Rathaus deutlich: Seit 2018 sind diese stetig gestiegen. 2023 werden sie laut Kämmerin Heike Bender 49,2 Millionen Euro betragen. 2024 sollen sie zum ersten Mal die 50-Millionen-Euro-Grenze übersteigen.
Am Ende der mehrstündigen Sitzung ist man im Singener Rathaus zufrieden. Der Haushalt 2023 scheint gestemmt und wartet nun auf die endgültige Verabschiedung des Gemeinderates in der kommenden Woche. Stadträtin Kirsten Brößke (FDP) fasst zusammen, was allen Stadträten und Verwaltungsmitarbeitern um OB Häusler in die Gesichter geschrieben steht: „Der Haushalt ist immer ein hartes Werk.“