Traditionelles verpflichtet, dazu gehört einfach die morgendliche Zeitung am Frühstückstisch. Schon früher haben wir uns unter den Geschwistern um den Sportteil gerissen, dass ich später selbst für den SÜDKURIER Artikel schreiben darf und einmal das Erbe meines Großvaters antrete, hätte ich mir nicht träumen lassen. Tatsächlich hatte mein Opa Hans Relling von 1950 bis 1970 als freier Mitarbeiter aus Bohlingen für die Redaktion Radolfzell berichtet. Ihm folgte Oberlehrer Ernst Halmer als Lokalreporter nach, und dieser wiederum hat mich dann als seinen Nachfolger auserkoren. In der Zwischenzeit gehörte Bohlingen, nach der Eingemeindung 1975 in die Hohentwielstadt, zur Lokalredaktion Singen.

Im März 1997 startete das Abenteuer Zeitung, und das als echter Quereinsteiger. Eine journalistische Ausbildung hatte ich nicht, in meinem Hauptjob war ich als Facharbeiter in einem Singener Aluminiumbetrieb tätig. Dafür hatte ich jede Menge Wissen über die Menschen an der Basis und einen ausgeprägten Sinn für das Ehrenamt in den Vereinen. Redakteur Albert Bittlingmaier von der Lokalredaktion Singen kontrollierte meinen ersten verfassten Artikel und gab mir das Kürzel „hir“. Daraufhin begann eine wirklich spannende Zeit, vom Redaktionsteam bekam ich immer breite Unterstützung und den nötigen Feinschliff mit der klaren Aufforderung, jeden Artikel vom ersten Satz an interessant zu verfassen.

Für mich galt, die gesamte Bandbreite des Lokaljournalismus, von Reportagen, Menschengeschichten, lustigen, ernsten und traurigen Berichten und Kommentaren, für die Tageszeitung fertigzustellen. Spannende Reportagethemen gab es zahlreich, etwa der Mountainbike-Weltrekord im Höhenmeterfahren von Slim Gamh-Drid am Schienerberg im Jahr 2016, als es fast rund um die Uhr aktuell und mit Fotos online zu berichten galt. Um ein einzigartiges Foto vom Storchennest auf dem Runden Turm in Bohlingen zu bekommen, führte der Weg im gegenüberliegenden Kirchturm hinauf bis auf die Ebene der Glocken. Für diesen waghalsigen Aufstieg mittels einer Leiter, genau terminiert zwischen den Glockenschlägen zu jeder Viertelstunde, lief bei mir der Schweiß in Strömen. Die Zeitungsleser bekamen dafür ein tolles Foto serviert.

Einer der emotionalsten Momente war im Juni 1999 beim 50. Jubiläum des Sportvereins Bohlingen, als während eines Fußballturniers am Aachtalsportplatz ein fünfjähriges Mädchen beim Spielen in die angrenzende Aach stürzte. Ein Zuschauer hatte den Vorfall zufällig bemerkt und das Mädchen beherzt aus dem Wasser geborgen. Über den Lebensretter Werner Fix aus Tuningen hatte ich in der Zeitung berichtet, bald darauf wurde das Sportgelände eingezäunt. Als Reporter recherchierte ich weiter und arrangierte nach 16 Jahren ein Wiedersehen der inzwischen jungen Frau und Familienmutter mit dem 89-jährigen Schutzengel am Aachtalsportplatz. Das war ein unvergesslicher und berührender Moment.
Sichtlich wohl fühle ich mich, mit Kamera und Schreibblock ausgerüstet, bei Terminen im Dorf, bei Musikkonzerten, Feuerwehr, Kirche, Sport, an der Fasnet oder eben im richtigen Augenblick, wenn es eine unverhoffte und interessante Geschichte für die Zeitung zu notieren gibt. Ein Leser gab mir mal den Beinamen „Karla Kolumna, der rasende Reporter.“ Das beflügelt mich. Wichtig ist mir dabei immer, authentisch zu bleiben, Themen objektiv zu bewerten und auch mal kritisch darüber zu berichten, denn ein „Bürgermeister-Schreiber“ will ich nicht sein.

Ein unvergesslicher Höhepunkt war zweifelsfrei die Bohlinger Wallfahrt im Juli 2004 nach Schienen, als eine Rotte Wildschweine den Zug der 200 Pilger am Schienerberg kreuzte und ich reaktionsschnell die Tiere im Bild für die Zeitung festhielt. Dass der Singener Poppelechef Stephan Glunk aus dem Zeitungsartikel dann ein Lied für die Konstanzer Fernsehfasnacht komponierte, war der Knaller, und Bohlingen wurde schlagartig weit übe die Landesgrenzen hinaus bekannt.

Die traditionelle Sichelhenke im August ist immer ein Höhepunkt, wenn ich fast ohne Pause vier Tage mit dem Fotoapparat unterwegs bind und die vielen schönen Momente, bäuerlichen Tätigkeiten und die fröhlichen Besucher im Bild festhalte und damit meine Berichte für die Zeitung illustriere. Zigtausende Fotos hab ich dabei gemacht, die während den Festtagen ebenso oft bei SÜDKURIER Online angeklickt wurden. Dass ich nebenbei auch einer der vielen Ehrenamtlichen bin, welche dieses Heimatfest auf die Beine stellen und tagelang werkeln, erfüllt mich mit Stolz. Die Sichelhenke ist einmalig schön, die Dorfgemeinschaft in Bohlingen funktioniert, da lohnt sich der unermüdliche Einsatz.
Die Corona-Pandemie hat die Berichterstattung aus dem Singener Stadtteil zwar ausgebremst, doch das Herzblut für spannende Artikel ist nach nun 25 Jahren als freier Mitarbeiter für den SÜDKURIER immer noch vorhanden wie am ersten Tag. In Bohlingen gibt es keine Langeweile.