Die Halle an der Schaffhauser Straße in Richtung Gottmadingen sieht eher wie ein Lager oder eine Industriehalle aus und lässt nicht vermuten, was sich in ihrem Inneren befindet. Einzig der rot-weiße Anstrich ist etwas ungewöhnlich und die Aufschrift „Shri sithi vinayagar temple e. V.“. Doch wer die Halle betritt, kommt ins Staunen: Neun prachtvolle Altäre schmücken den Raum. Die Hindugemeinde in Singen mit rund 250 Mitgliedern hat eine neue spirituelle Heimat. Ende Juni wurde der Tempel eingeweiht. „Wegen Corona im kleinen Kreis, aber wir planen noch einen Tag der offenen Tür“, berichtet der Gemeindevorsitzende Darma Vivekachandran, der ursprünglich aus Sri Lanka stammt. Er und sein Schatzmeister Thurairajah Saravanababam führen voller Stolz durch das Gebäude, an dessen Vollendung sie trotz aller Widrigkeiten fest geglaubt und hart gearbeitet haben.
Nachdem die Hindus nach drei Jahren des Suchens endlich ein Grundstück gefunden hatten, blieb der Kraftakt des Neubaus der 350 Quadratmeter großen Tempelhalle. Rund 900.000 Euro inklusive Grundstückskauf hat die Gemeinde investiert. „Wir haben uns für die Metallbauhalle entschieden, alles andere wäre noch teurer geworden“, so der Vorsitzende. Der Bau werde durch Spenden finanziert. Doch viele Gemeindemitglieder, die eine hohe Spende zugesagt hatten, hätten aufgrund finanzieller Einbußen durch Corona nicht spenden können, berichtet Vivekachandran. Deshalb habe er ein Privatdarlehen aufgenommen. Außerdem stecke viel Eigenarbeit in dem Tempel. Den Ausbau der Halle mit Fliesen und Mauern haben die Mitmitglieder übernommen. „Wir haben acht Wochen nonstop mit 20 bis 30 Leuten gearbeitet“, erklärt der Vorsitzende. Jetzt ist nach seinen Angaben der Hindu-Tempel der größte in Baden-Württemberg und der zweitgrößte in Deutschland.

Der Tempel und der große Altar sind dem elefantenköpfigen Gott Ganesha gewidmet. Das hat die Mehrheit der Gemeindemitglieder so beschlossen. Eine Statue des Gottes steht im Inneren des Altars, den nur der Priester (Brahmane) betreten darf. Dahinter sind die Altäre verwandter Götter. Einige Statuen können für Prozessionen herausgenommen werden. Die Altäre hat der Vorsitzende nach einer Besichtigung vor Ort von einer Spezialfirma in Indien bauen lassen. Sie kamen dann per Schiff in drei Containern – mit einer Woche Verspätung, weil das Schiff im Suez-Kanal feststeckte. Sie sind wegen des geringeren Gewichts aus Fiberglas, trotzdem wiegen die drei Teile des Hauptaltars je rund 300 Kilogramm. Es gibt auch schon Pläne für weitere Anschaffungen, eine Tempelflagge ist zum Beispiel schon in Arbeit.

Gottesdienste finden jeden Abend zwischen 16 und 19 Uhr statt, danach wird gemeinsam gegessen. Da einige Mitglieder nicht nur aus dem Kreis Konstanz, sondern auch aus Villingen-Schwenningen, Tuttlingen und der Schweiz kommen, ist der Gottesdienst am Freitagabend mit 50 bis 60 Besuchern am meisten nachgefragt. Der Glaube an eine Wiedergeburt, und das Leben danach auszurichten, sei für ihn der wesentliche Bestandteil des Hinduismus, wie Darma Vivekachandra erklärt. Dementsprechend strebten Hindus danach, Gutes zu tun. Die Gemeindemitglieder nehmen Interessierte offen und gastfreundlich auf: Jeder sei willkommen, den Tempel zu besuchen, so der Gemeindevorsitzende. Er lädt auch Schulklassen zum Beispiel im Religionsunterricht ein, die Hindu-Gemeinde kennenzulernen und etwas über ihre Religion zu erfahren.
Zur Geschichte und zur Person
- Die Hindu-Gemeinde: Rund 250 Mitglieder gehören der Hindu-Gemeinde Vinayagar in Singen an, die meisten stammen ursprünglich aus Sri Lanka und Südindien. Die Gemeinde gibt es seit über 20 Jahren in Singen, sie hatte ihren Standort in der Nähe des Bahnhofs und suchte ab 2016 drei Jahre lang ein neues Domizil, als das Gebäude abgerissen werden sollte. Eine Berichterstattung des SÜDKURIER und die Vermittlung durch OB Bernd Häusler brachte die Gemeinde und den Grundstückseigentümer, das benachbarte Steinmetzunternehmen Schwarz, zusammen. Im November 2019 war Grundsteinlegung für den neuen Tempel an der Schaffhauser Straße, im Juni 2021 wurde er wegen Corona im kleinen Kreis eröffnet.
- Der Gemeindevorsitzende: Darma Vivekachandra ist nicht nur Vorsitzender der Hindu-Gemeinde, sondern seit Ende 2019 auch einer von sieben Honorarkonsuln von Sri Lanka in Deutschland. Er vertritt sein Land in Baden-Württemberg. Vivekachandra, der in Sri Lanka geboren wurde und die deutsche Staatsbürgerschaft besitzt, kam über den Botschafter von Sri Lanka zu dem Amt. Er habe ihn angesprochen, ob er sich das vorstellen könne. Der Honorarkonsul vertritt in erster Linie die Interessen seiner Landsleute und hilft ihnen zum Beispiel im Umgang mit Behörden.