Erst die Diagnose, dann die Chemo, dann das Hoffen. Und dann die große Enttäuschung: Die sieben Jahre alte Yara Assis Jordan hat immer noch einen Blödmann im Kopf. Die Familie bezeichnet den Tumor als Blödmann, um Yara und ihrer kleinen Schwester Malia kindgerecht zu vermitteln, dass da etwas nichts stimmt. Yara hat einen Hirntumor, der nicht so einfach herausoperiert werden kann. Seit eineinhalb Jahren kämpft das Mädchen, dann kam die ernüchternde Feststellung: „Die Chemo hat nicht angeschlagen, der Tumor wuchs weiter.“

Nun stand eine weitere große Operation an: Zwei sogenannte Seeds, kleiner als Reiskörner, wurden eingesetzt, um den Tumor radioaktiv zu bestrahlen und damit zu schwächen. „Diese sieben Stunden während der Operation waren für mich der Horror. Man kommt psychisch an Grenzen“, erinnert sich die Mutter Carin Assis Jordan. Doch jetzt könne die Familie wieder hoffen.

„Ich wollte schon immer, dass der Blödmann weg geht“

„Nach einem Jahr Chemo und Leiden war das ein Schlag“, erinnert sich Carin Assis Jordan an den Moment im Krankenhaus, als klar war, dass die Chemo nicht angeschlagen hat. „Ich wollte schon immer, dass der Blödmann weg geht“, ruft die siebenjährige Yara dazwischen. Sie ist viel munterer als im vergangenen Sommer – und so tapfer, wie ihre Mutter sagt.

Im sozialen Netzwerk Instagram können Freunde und Bekannte den Weg der Familie begleiten. Dort sieht man auch die Mutperlenkette: Pro Behandlung hat Yara eine Perle bekommen, die ihr Mut machen soll. 151 Perlen sind es inzwischen, die erste Kette ist voll. Dass der Tumor sie beeinträchtigt, merkt Yara aber jeden Tag: Der Tumor drückt auf den Nerv ihrer linken Körperhälfte. Daher fällt es ihr trotz Ergotherapie schwer, mit der linken Hand beispielsweise eine Wasserflasche aufzumachen. Durch solche Beeinträchtigungen merkte die Familie auch, dass etwas nicht stimmt: Nachdem Yara ihre linke Hand immer mehr schonte, gingen sie zum Arzt.

Radioaktive Strahlung hätte andere beeinträchtigen können

Weil der Blödmann durch die Chemo nicht kleiner wurde, stand neulich die nächste große Operation an – und auch die hatte beeinträchtigende Folgen. Denn die sogenannten Seeds sollten für knapp drei Wochen in Yaras Kopf bleiben. Die radioaktive Strahlung war laut der Mutter genau dosiert, wirkte jedoch über Yara hinaus und hätte andere Menschen beeinträchtigen können: „In dieser Zeit mussten wir links von ihr sitzen, weil die Strahlung rechts größer war.“

Weil radioaktive Teilchen in ihrem Kopf den Tumor bekämpfen sollen, war Yara für einige Wochen auch für ihre Umgebung radioaktiv. Dank ...
Weil radioaktive Teilchen in ihrem Kopf den Tumor bekämpfen sollen, war Yara für einige Wochen auch für ihre Umgebung radioaktiv. Dank eines Helms konnte man dennoch neben ihr sitzen. | Bild: Carin Assis Jordan

Damit das Mädchen dennoch ihre Schwestern umarmen kann, habe ein Schneider aus einer alten Röntgenschürze einen Helm gefertigt. „Mit einem Einhorn drauf, damit es schicker wird.“ Denn Yara liebt Einhörner, auch auf ihrem Pulli ist eins.

„Sogar die Haare wachsen wieder“

Nun sind die Seeds entfernt: „Natürlich sind wir auch nervös, weil wir wissen wollen, wie es in Yaras Kopf aussieht. Doch jetzt ist endlich mal Ruhe angesagt.“ Denn Yara muss nicht mehr regelmäßig nach Freiburg, rund 11.000 Kilometer seien sie im Rahmen der Chemotherapie im vergangenen Jahr unterwegs gewesen. Auch der Port wurde entfernt, über den die Chemo-Medikamente verabreicht worden waren. Yara habe nun endlich wieder mehr Appetit und sei nicht mehr so bleich. „Sogar die Haare wachsen wieder“, sagt ihre Mutter.

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Sie sitzt in ihrem neuen Zuhause in der Singener Nordstadt, während Yara mit ihrer Schwester Malia auf der Couch spielt. Die Familie ist umgezogen, der Vater wohnt jetzt getrennt in der Schweiz – was für die Kinder tolle Ausflüge bedeutet, wenn man ihnen so zuhört. Neben ihnen stehen gepackte Koffer, denn die Familie nutzte die Pfingstferien für einen Urlaub: Endlich wieder Oma und Opa in Portugal besuchen. Das war die vergangenen Monate nicht möglich – wegen der Pandemie und der Erkrankung.

1,5 Jahre Achterbahn aus Hoffen und Bangen. Was ärgert, sind blöde Reaktionen

Der Alltag der Familie ist seit der Diagnose im November 2019 von Yaras Krankheit geprägt. „Wir erleben jetzt seit eineinhalb Jahren eine Achterbahn aus Hoffen und Bangen“, sagt Carin Assis Jordan. Schon vor der Corona-Pandemie war Yaras Immunsystem sehr schwach, sodass sie eine schützende Maske tragen musste.

Mutter und Tochter im vergangenen Jahr im Krankenhaus.
Mutter und Tochter im vergangenen Jahr im Krankenhaus.

Zwischenzeitig sei die Siebenjährige von all den Behandlungen geschwächt gewesen, weshalb sie beispielsweise mit einem Kinderwagen über einen Weihnachtsmarkt geschoben wurde. Die Mutter erinnert sich noch an manche Blicke und Kommentare: „Viele reagieren mit Unverständnis. Auch wenn Yara an der frischen Luft eine Maske trägt. Wir werden dann gefragt, ob man das dem Kind denn antun müsse, statt dass man überlegt, dass das auch andere Gründe haben könnte.“

Klassenkameraden helfen der Erstklässlerin schon automatisch

Umso schöner würden die Kinder in Yaras Schulklasse reagieren. Die Einschulung im September war für die Familie ein großer Schritt zurück in ein normales Leben. Gleich zu Beginn habe die Lehrerin mit den Kindern über Yaras Situation gesprochen: „Viele der Mitschüler helfen jetzt schon automatisch.“ Und als die große Operation anstand, bastelten die Mitschüler ihr ein Buch mit aufmunternden Worten und Zeichnungen.

Was die Familie beschäftigt, ist die Frage nach der Zukunft: Was passiert, wenn die jüngste Operation keinen Effekt hatte, wie geht es dann weiter? „Das können wir noch nicht sagen“, meint Carin Assis Jordan. Anfang September soll die nächste Untersuchung zeigen, ob die radioaktive Bestrahlung gewirkt hat – und der Blödmann im Kopf endlich kleiner wird.

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