Neujahrsempfänge gehören zu den Ritualen, bei denen es um Kurs und Ziele fürs kommende Jahr geht. Und in diesem Jahr gab es für diese politische Standortbestimmung durch Oberbürgermeister Bernd Häusler wieder den gewohnten festlichen Rahmen beim Neujahrsempfang, nachdem der Anlass 2021 und 2022 zum Schutz vor der Corona-Pandemie ausgefallen war.

Ein mitreißender Auftritt des Schweizer Stimmkünstlers Martin O. folgte der etwa einstündigen Ansprache des OB in der voll besetzten Stadthalle. Häusler nutzte die Gelegenheit für einen Überblick über die kommunalpolitischen Themen – und um politische Botschaften zu senden. Die wichtigsten im Überblick:

Singen erhebt Anspruch auf ein Krankenhaus

Das wahrscheinlich heißeste Eisen hatte sich Singens OB für den Schluss aufgehoben: Das Strukturgutachten des Gesundheitsverbunds Landkreis Konstanz (GLKN) habe angesichts von jährlichen Verlusten im zweistelligen Millionenbereich gute Hinweise gegeben. Zur Erinnerung: Geplant ist die Reduktion der Kreiskliniken auf zwei Standorte, einen in Konstanz und einen im westlichen Hegau – wobei der letztere neu gebaut werden und die derzeitigen Krankenhäuser in Singen und Radolfzell ersetzen soll.

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„Ob wir tatsächlich eine neue Klinik bauen, wird sich in den nächsten Wochen zeigen“, sagte Häusler. Denn es geht auch ums liebe Geld. Landrat Zeno Danner, der als Gast im Publikum saß, könne wohl kaum einfach ein Sondervermögen schaffen, so der OB, der Danner rhetorisch von der Bühne fragte: „Zeno, schaffst Du das?“ Das beauftragte Gutachten über die Sanierung des Bestandes sei daher richtig.

Martin O. beim Neujahrsempfang - die Singen-Ballade Video: Freißmann, Stephan

Die Ziehmutter des Hegau und das entlegene Konstanz

Häusler bekräftigte den Anspruch, den Singen als zweitgrößte Stadt im Landkreis und sprichwörtliche Ziehmutter des Hegau auf den zweiten Klinikstandort erhebt. Immerhin würden in Singen und dem westlichen Hegau etwa 100.000 Menschen leben, mehr als ein Drittel aller Kreiseinwohner. Häusler warb für das von der Stadt vorgeschlagene Grundstück für einen Neubau als von allen Seiten gut erreichbar – auch aus dem „entlegenen Konstanz“, dem „end of the länd“. Und er ließ durchblicken, dass Singen wie Radolfzell mehrere Grundstücke ins Rennen schicken könnte. Details gab er freilich auch auf Nachfrage nicht preis.

Manchmal braucht es die große Geste, um das Gesagte zu unterstreichen.
Manchmal braucht es die große Geste, um das Gesagte zu unterstreichen. | Bild: Hanser, Oliver

Neuer Vorstoß für Videoüberwachung

Man erlebe in der Stadt immer wieder, dass sich Gruppen, die meist aus Männern bestehen, nicht so benehmen, wie man es erwarten würde, sagte Häusler. Daher werde er erneut Videoüberwachung für bestimmte kritische Stellen thematisieren: „Es ist doch ein Treppenwitz, dass die Polizei bei Straftaten um Videos aus der Bevölkerung bitten muss.“ Solche Videos würden sicher keiner Datenschutzüberprüfung standhalten.

Eine rechtlich überprüfbare Videoüberwachung durch die Stadt sei aber nicht zulässig – wegen des Datenschutzes. Dabei sei diese in anderen Ländern schon längst eingeführt. Häusler kommentierte trocken: „Mir wäre es neu, dass die Schweiz, Frankreich oder England Überwachungsstaaten sind.“

Der Schweizer Stimmkünstler Martin O. im zweiten Teil des Abends auf der Bühne: Er posiert auch mal für den Fotografen.
Der Schweizer Stimmkünstler Martin O. im zweiten Teil des Abends auf der Bühne: Er posiert auch mal für den Fotografen. | Bild: Hanser, Oliver

Und noch einen Appell hatte Häusler im Gepäck. Es solle endlich ein lange geplanter Neubau für die Bundespolizei beim Bahnhof entstehen. Dabei habe er schon 2013 die ersten Gespräch dazu gehabt, 2016 habe der Gemeinderat eine Bauvoranfrage genehmigt. Doch passiert sei wenig, einen Zeitplan gebe es immer noch nicht, so Häusler. Dabei wäre ein Neubau auch für das Sicherheitsgefühl rund um den Bahnhof und in der Innenstadt gut.

Zahlreiche Initiativen für Umwelt- und Klimaschutz

In Sachen Umweltschutz konnte sich Häusler einen Seitenhieb nicht verkneifen. Singen habe den European Energy Award in Gold erhalten, ebenso wie Konstanz. Doch dessen OB Uli Burchardt habe bei der Würdigung dieses Erfolgs glatt vergessen, auch Singen als eine Stadt aufzuzählen, die in der Landesliga der Klimaschützer spiele – eine Spitze, die Gelächter im Saal hervorrief.

Martin O. beim Neujahrsempfang - Auf den Schultern der Ahnen Video: Hanser, Oliver

Eine ganze Reihe weiterer Maßnahmen erwähnte Häusler, etwa Singen als fahrradfreundliche Stadt, die dringend ein weiteres Fahrradparkhaus am Bahnhof bräuchte – die Bahn gebe für eine solche Anlage für ihre radelnden Kunden aber keine Flächen her, so Häusler. Auch die Situation bei Gäubahn und Etzwiler Bahn beleuchtete der OB.

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Kinderbetreuung, Wohnbau, Nordstadtversorger, städtische Finanzen, Schulen, Sport, Arztversorgung, Kunst und Kultur – über zahlreiche weitere kommunalpolitische Themen gab Häusler einen Überblick. Dafür erntete er viel Applaus. Zuspruch im Saal erhielten aber auch alle, denen Häusler von der Bühne herab für ihre Dienste dankte, von Feuerwehrleuten über Krankenhausmitarbeiter bis zu Polizisten, Ordnungsdienst, Gemeinderäten und Verwaltungsmitarbeitern.

Martin O. mit seinem Loopgerät auf Stimmenfang im Publikum.
Martin O. mit seinem Loopgerät auf Stimmenfang im Publikum. | Bild: Hanser, Oliver

Er habe den Neujahrsempfang sehr genossen, sagte Häusler beim abschließenden Umtrunk: „Ein wunderschöner Abend, ein toller Künstler und gute Stimmung.“ Ein Blick in die Runde bestätigte diesen Eindruck. Auch Stefan Dierking bekräftigt das. Er habe den Abend super gefunden: „Der Musiker war klasse. Und ich war gespannt auf die großen Themen der Stadt, vor allem zum Krankenhaus.“ In dieser Hinsicht gab es viel zu hören.