Es ist ein Experimentierfeld, das wächst und gedeiht. Die Cousins Severin und Matthias Denzel, beide 24 Jahre alt, haben Anfang des Jahres in Friedingen die Hegau Solawi Klimaland GbR gegründet, wobei Solawi für Solidarische Landwirtschaft steht. Auf einem rund 700 Quadratmeter großen Feld, das der Familie Denzel gehört, ist in diesem Jahr ein Marktgarten mit Gewächshaus entstanden, auf dem jetzt unter anderem Tomaten in allen Farben und Größen, Mangold, Zucchini, Fenchel oder Gurken reifen. Die Solidarische Landwirtschaft versteht sich als Gemeinschaft von Produzent und Verbraucher, die ihre Versorgung mit Gemüse und anderen landwirtschaftlichen Produkten unabhängig von Vertrieb und Handel organisiert. „Sie bringt Landwirt und Menschen zusammen und sorgt dafür, dass der Landwirt nicht mehr dem Preiskampf ausgesetzt ist und ökologisch wirtschaften kann“, sagt Severin Graf. Nach einem halben Jahr gehören der Solawi rund 30 Mitglieder an.

Ernteausfälle trägt die Gemeinschaft
Jedes Mitglied zahlt einen ganzen oder halben Anteil, je nach Menge, und bekommt dafür einmal pro Woche eine Auswahl an Gemüsen und Kräutern der Saison. Am Samstag wird geerntet und die Mitglieder holen ihren Anteil ab. Ernteausfälle zum Beispiel durch Unwetter werden von der Gemeinschaft getragen. Die Mitglieder dürfen mitarbeiten und sich in die Arbeitsgruppen einbringen. Dabei setzen die Gründer auf Vielfalt und bauen auch alte, vergessene Sorten an. Die Pflanzen werden selbst aus ökologischem Saatgut gezogen. „Das ist Palmkohl“, erklärt der gelernte Winzer Severin Denzel und hebt ein Vlies gegen den Fliegenbefall hoch. Darunter kommt kein kompakter Kohlkopf, sondern ein Kohl zum Vorschein, dessen Blätter wie Palmwedel nach außen wachsen. „Wir ernten die äußeren Blätter, so kann er innen weiterwachsen. Er schmeckt so ähnlich wie Wirsing“, sagt Denzel.

Severin und Matthias Denzel und ihre Mitstreiterin Klara Bach haben die Solawi gegründet, weil sie das Bedürfnis hatten, sofort etwas zu tun, um den Klimawandel aufzuhalten. „Wir müssen jetzt handeln“, sagt Matthias Denzel, der gelernter Schreiner ist. „Die Natur sagt uns, wo‘s langgeht. Die Frage ist, ob wir das verstehen. Wenn nicht, kommt die Natur auch ohne uns klar“, erklärt Severin Denzel. Die kleinstrukturierte Landwirtschaft nach dem Prinzip der Permakultur ist ihr Beitrag und sie sehen darin auch die Zukunft der Landwirtschaft. Die Permakultur orientiert sich an natürlichen Ökosystemen, will die Bodenfruchtbarkeit erhalten und die Artenvielfalt erhöhen.
100 Mitglieder geplant
Der Klimawandel werde jetzt spürbar und trete schneller ein als erwartet, deshalb müsse man handeln. Das wollen die drei jungen Leute mit ihrem Projekt, das nach einem Jahr Probelauf im kommenden Jahr mit 100 angestrebten Mitgliedern richtig durchstarten soll. Bisher betreiben sie die Solawi im Nebenerwerb. „Wir müssen nicht davon leben und konnten deshalb in Ruhe ausprobieren“, so Matthias Denzel. Das erste Probejahr wird im Oktober enden, weil die Solawi bisher noch keine Lagermöglichkeit hat. Alles Gemüse, das geerntet wird, muss direkt verbraucht werden. Erste Versuche mit Wintergemüse laufen aber schon. Es sei auch angedacht, die Produktpalette zu erweitern und weitere Landwirte einzubinden. Nächstes Jahr soll die Solawi in eine Genossenschaft oder einen Verein überführt werden.
Mitglieder arbeiten mit
Christine Krämer aus Singen ist Mitglied und erntet gerade Tomaten. Sie schätzt an dem Projekt, dass es in der Nähe ihres Wohnorts ist und die Produkte regional sind. „Es sind einfach gute Sachen“, erklärt sie. Einmal die Woche hilft sie mit, weil sie als Ausgleich zu ihrem Bürojob etwas Handfestes machen wollte. Der Aufbau der Strukturen der Solawi beschreibt sie als arbeitsintensiver als gedacht. „Was die beiden Gründer und Klara Bach an Arbeit, Zeit und Begeisterung in das Projekt stecken, ist wirklich bewundernswert“, lobt Christine Krämer. Die grüne Stadträtin Regina Henke, die in Friedingen wohnt, ist ebenfalls Mitglied und kümmert sich um die Logistik. „Viele Friedinger nehmen das Angebot vor Ort sehr gerne an“, sagt sie.
Landtagsabgeordnete begeistert
Die grüne Landtagsabgeordnete Dorothea Wehinger, die die Solawi jüngst besuchte, war von dem Projekt begeistert. „Die beiden beiden jungen Männer gehen mit dieser ökologischen Lebensphilosophie einen großen Schritt hin zu einer nachhaltigen und ökologischen Bewirtschaftung im Gartenbau und richten sich dabei nach den Kreisläufen der Natur“, erklärt sie. Das vielfältige Gemüse auf dem Grundstück ließen ihr das Wasser im Mund zusammenlaufen. „Ich wünsche den beiden, dass sie noch sehr viele Menschen für ihre guten Produkte begeistern können, denn regionaler und gesünder geht es nicht mehr“, so Wehinger.