Nicola Maria Reimer

Herr Waghubinger, wann und über wen oder was haben Sie das letzte Mal herzhaft gelacht?

Oh, das weiß ich sogar genau. Das war letzte Woche. Ich hatte ein Gespräch mit einem Veranstalter-Ehepaar. Der Mann erzählte, dass er seinen Schwiegervater in Baden-Baden im Seniorenheim besuchen würde. Dieser sei 92 und dement. Und als er ihn das letzte Mal besuchte und mit ihm im Innenhof des Heims zehn Minuten spazieren gegangen war, blieb der Vater plötzlich stehen, schaute auf seinen Rollator und meinte zum Sohn: „So, jetzt reichts mir. Jetzt schiebst du mal.“

Das wahre Leben ist oft bühnenreif.

Absolut. Trotz der Tragik, die da mitschwang, war das unglaublich sympathisch und ja, auch lustig.

Gibt es für Sie Tabuthemen bei Ihrer Arbeit?

Ich habe da keine Liste, manches würde ich instinktiv nicht machen. Dennoch ist der künstlerische Wert abzuwägen. Witze können grausam sein und ich würde mich nicht über Krankheiten oder das Alter lustig machen. Dennoch sieht man an dem Beispiel des 92-Jährigen, dass so ein Thema durchaus auch humorvolle Züge haben kann. Ich denke, dass jede Art von Humor mit Tabuthemen spielt.

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Ihr Humor bewegt sich irgendwo zwischen Zynismus und Unschuld, Ihre Texte wirken leicht, haben aber dennoch Tiefgang. Auf der Bühne agieren Sie so wunderbar unaufgeregt. Wie ähnlich sind sich der private Stefan Waghubinger und der Bühnenmensch, der öffentlich zu sehen ist?

Einerseits sind die beiden sich sehr ähnlich. Andererseits ist der Waghubinger auf der Bühne schon extrem entspannt und wirkt manchmal einfältig, was dann auch den Witz ausmacht. Ich denke, die Personen kann man nicht völlig voneinander trennen. Das ist wie in einem Traum, da sieht man sich selbst, verhält sich aber anders. Wenn ich auf der Bühne über „Gedankenfehler“ spreche, dann sind das manchmal Fehler, die mir auch passieren könnten, andererseits zeigen sie aber auch genau das Gegenteil von mir selbst. Ich spreche über einen Konflikt, der sonst so nicht wahrgenommen wird, treibe ihn auf die Spitze und die Leute lachen, wenn sie sich wiedererkennen.

Das heißt, Sie leiten das Publikum mit diesen Dumm-Schlau-Extremen in den Witz?

Ja, ich mache das bewusst. Es ist etwas sehr Menschliches, dass wir das Böse nicht wollen, nicht als dumm oder gemein gelten möchten. Wenn ich über solche Dinge spreche, könnte es sein, dass von vornherein ein Widerstand entsteht. Weil es böse oder ekelig ist, würden die Leute aussteigen. Durch meine Darstellungsweise halte ich sie dazu an, dem Gedankengang lange genug zu folgen und dann – zack – schnappt die Falle zu – und sie lachen.

Sie treten mit Ihrem feinsinnigen Kabarett im eher kleineren Rahmen auf. Glauben Sie, dass das, was Sie machen, auch in großen Stadien funktionieren würde?

Nein, ich glaube nicht. Ich bin kein Rockstar, der mit großen Gesten über die Bühne rennt. Ich habe auch schon mal vor 1000 Leuten gespielt, mache das jedoch lieber im kleineren Rahmen. Wenn die räumliche Nähe zum Publikum fehlt, dann würde mein Programm eher wie eine Vorlesung wirken und vieles verloren gehen. Was ich auf der Bühne mache, ist eher wie ein Erzählen am Lagerfeuer.

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Sie sind Österreicher, leben aber schon lange in Baden-Württemberg. Empfinden Sie den Humor der jeweiligen Nation unterschiedlich?

Nein. Ich würde eher sagen, dass er in Deutschland – je nach Region – unterschiedlich ist. Der Rheinländer lacht über andere Sachen als jemand aus dem Norden oder Süden Deutschlands. Jedoch wurde mir oft gesagt, dass ich einen typisch österreichischen Humor habe – wie auch immer der ist.

In Corona-Zeiten haben Sie gesehen, wie schnell die Existenz eines Künstlers wackeln kann. Sie sind auch Kinderbuchautor, Cartoonist sowie ausgebildeter Theaterpädagoge. Gab es je Überlegungen, das Leben auf der Bühne aufzugeben und etwas anderes zu machen?

Nein, die gab es für mich nie. Und auch in Corona-Zeiten, als über lange Zeit gar keine Auftritte möglich waren, gab es höchstens eine hypothetische Überlegung, so nach dem Motto: „Was wäre, wenn es so bleiben würde und ich für die nächsten zehn Jahre nicht mehr auf die Bühne dürfte?“

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Und?

Wahrscheinlich hätte ich dann einen Roman geschrieben, wobei mir klar ist, dass man davon nicht leben kann. Oder ich wäre auf die dunkle Seite gewechselt, in eine Werbeagentur, in der ich pointiert als Werbetexter arbeiten könnte. Aber ernsthaft habe ich das zu keinem Zeitpunkt in Erwägung gezogen.

In der Singener Gems werden Sie Ihr aktuelles Programm „Ich sag‘s jetzt nur zu Ihnen“ präsentieren. Welche zwei bis drei Sätze stehen exemplarisch für dieses Programm?

Nun ich spiele eine Bühnenfigur, jemand der erzählt, dass er eine eigene Firma hatte, erfolgreich war und nun an einem Burnout leidet. Als dieser frage ich mich: Warum habe ich einen Burnout? Ich weiß es schon. Weil ich so viel gearbeitet habe! Warum habe ich so viel gearbeitet? Weil ich viel Geld verdienen wollte! Jetzt kann ich das Geld, das ich verdient habe, ausgeben für die Therapie gegen den Burnout. Aber ich sage Ihnen meine Meinung, ich finde, alleine dafür, dass ich mir diese Therapie leisten kann, hat sich der Burnout schon gelohnt!