Endlich konnte er wieder leibhaftig aus seiner Gruft steigen, der Singener Poppele. Bei der Martinisitzung am 11. November war es soweit: Unter Donner vom Band und mit viel Getöse eroberte die Zentralfigur der Singener Fasnacht, verkörpert von Timo Heckel, die Bühne im Gems-Saal, holte die Narrenkappen aus der verschlossenen Truhe und präsentierte die Figuren der Singener Fasnacht. Also alles endlich wie immer, nachdem die Martini-Sitzung im Corona-Jahr 2020 nur im Internet stattgefunden hatte?

Ein Lied aufs Fasnachtsmotto: Zunftmeister Stephan Glunk an Gitarre und Gesang.
Ein Lied aufs Fasnachtsmotto: Zunftmeister Stephan Glunk an Gitarre und Gesang. | Bild: Tesche, Sabine

Leider nein. So waren im Gems-Saal einige Plätze frei, wo es sonst zur Martinisitzung rappelvoll gewesen sei, wie Zunftmeister Stephan Glunk nach der Veranstaltung erklärte. Einige geladene Gäste hätten wegen Corona abgesagt. Und was im Jahr 2022 an Fasnacht möglich sein wird, ist derzeit auch noch völlig unklar. Die zurückliegende Fasnacht konnte zum Schutz vor Ansteckungen mit dem Coronavirus nur in einem sehr sparsamen Rahmen stattfinden, Bälle und Umzüge wurden abgesagt. Nun konnte Glunk auf die Aufforderung des Poppele, die närrischen Pläne zu verkünden, nur sagen: „Wir wissen selbst nicht, was wir vorhaben.“ Und außerdem sei noch schwer zu sagen, was man überhaupt dürfe.

Stephan Glunks Lied zum Fasnachtsmotto Video: Freißmann, Stephan

Dass die Absicht vorhanden ist, Fasnacht zu machen, war den versammelten Narren aber in jeder Faser anzumerken. Und entsprechend lautet auch das Motto: „Mir dätet welle!“ Die Erläuterung des Mottos übernahm Narremodder Ekke Halmer. Der sagte, er sei deprimiert über das, was jetzt schon wieder passiert. Doch einen Hoffnungsschimmer gebe es: Der 11.11. komme jedes Jahr immer. Und „für die ausländischen Mitbürger aus Schwaben, Sachsen und Bayern“ lieferte Halmer auch gleich eine Übersetzung des Mottos mit: Wir würden gerne wollen – zum Beispiel eine schöne neue Scheffelhalle oder eine grüne Welle, die funktioniert.

Zunftkanzler Ali Knoblauch schießt närrische Spitzen ab – unter dem strengen Auge des Poppele, Schirmherr der Singener Fasnacht.
Zunftkanzler Ali Knoblauch schießt närrische Spitzen ab – unter dem strengen Auge des Poppele, Schirmherr der Singener Fasnacht. | Bild: Tesche, Sabine

Zunftkanzler Ali Knoblauch verteilte in seinem Jahresrückblick närrische Spitzen. Zum Ziel dieser Pfeile wurde beispielsweise die Sparkasse, die ihren Geldautomaten in Bohlingen abgebaut hat – das Image der Nähe zum Kunden sah Knoblauch ramponiert. Die Singener Kriminalprävention bringe regelmäßig die Botschaft unters Volk, dass die Herkunft eines Menschen keine Rolle spiele. Seine Erfahrung, so Knoblauch, sei aber: „Konschdanzer sin eifach andersch.“

Und auch das Pfandbecherprogramm der Stadt, für das Verwaltungsvertreter kürzlich einen Preis in Berlin entgegennehmen durften, sei ein Plagiat. Die Zunft habe das schon 2004 gemacht. Der Zunftkanzler schlug daher eine Beteiligung am Preisgeld für die Narren vor. Und auch die Nachbarn aus Stockach bekamen einen Seitenhieb. Zum Thema alte Autokennzeichen sagte Knoblauch: „Wer hätte das früher jemals gedacht, dass man Stockach wieder salonfähig macht.“ Doch durch das STO-Kennzeichen wisse man immerhin sofort, wenn ein Autofahrer vom Land komme.

Narremodder Ekke Halmer erläutert das Motto der Fasnacht.
Narremodder Ekke Halmer erläutert das Motto der Fasnacht. | Bild: Tesche, Sabine

Und selbstredend geht keine Fasnacht ohne Witzeleien über die Presse über die Bühne. Zunftmeister Stephan Glunk hatte die Vertreter der schreibenden Zunft besonders aufs Korn genommen – aufgrund einer Berliner Geschichte über ein oder einen Poppele. In der Bundeshauptstadt hatte der frühere SÜDKURIER-Chefredakteur Gerd Appenzeller in Erfahrung gebracht, dass ein Platz in Berlin als Poppele-Platz benannt werden soll. Flugs stellte er in einem Bericht des Berliner Tagesspiegels die Verbindung zum Hegauer Poppele her.

Doch nach Glunks Darstellung haben sich im fernen Berlin ein paar Unschärfen eingeschlichen – oder es ging gleich gar nicht um den Singener Poppele. Denn: Es heiße der und nicht das Poppele, die Gruft ist auf dem Hohenkrähen im Hegau und nicht im Schwarzwald, der Poppele sei ein Geist und kein Kobold, seine Schulpflicht habe der Poppele schon abgeleistet, sei aber immer wieder zu Gast in Schulen, er fahre nicht zur See und lege auch nie Eier – anders als im Berliner Bericht behauptet. Welcher (oder welches?) Poppele für den Platz im fernen Berlin Pate gestanden hat, lässt sich vom Hegau aus nur schwer beurteilen. Doch: Wenn es um ihren Poppele geht, werden Singener Narren ganz schnell ernst.

Joachim „Aki“ Kania und Sandra Georg sind neu im Narrenrat.
Joachim „Aki“ Kania und Sandra Georg sind neu im Narrenrat. | Bild: Tesche, Sabine