Was kann Musik, was kann Literatur in den Köpfen der Menschen bewirken? Im Krieg Russlands gegen die Ukraine melden sich Schriftsteller zu Wort. Es werden Zeichen gesetzt, so wie mit der Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels an den ukrainischen Schriftsteller Serhij Zhadan am Wochenende.
Doch helfen die Warnungen? Der aktuelle Krieg in Europa nach über 70 Jahren Frieden hat die Welt verändert. Ein Blick zurück in die Zeit der Judenverfolgung durch die Nationalsozialisten ist aktueller denn je. Und hier kommt „Opus 45“ ins Spiel.
Gegen Gräueltaten anschreiben
„Den Nazis eine schallende Ohrfeige versetzen“, so haben die fünf Bläser und der Schauspieler Roman Knizka ihr kammermusikalisch-literarisches Programm genannt, mit dem sie durch den deutschsprachigen Raum touren. Jetzt waren sie auf Einladung des jüdischen Kulturvereins Gailingen und der Singener Kriminalprävention in der Singener Basilika zu Gast.
Es ist keine leichte Kost, die die Künstler dem Publikum servieren. Auch wenn die Massenvernichtung der Juden im Dritten Reich mit den heutigen Gräueltaten in der Ukraine nicht vergleichbar sind; der verzweifelte Versuch von damals, dagegen anzuschreiben, wiederholt sich.
Deshalb stockt dem Singener Publikum bei dem Programm von „Opus 45“ immer wieder der Atem. Das liegt nicht nur an dem intensiven, szenischen Vortrag von Roman Knizka, sondern ebenso an der Musikauswahl.
Ein Coup gegen die Nazis
Dem Pazifisten Konrad Reisner gelang es unter anderem zusammen mit Willy Brandt – so erzählt der Schauspieler – den inhaftierten Journalisten und Herausgeber der Zeitschrift „Die Weltbühne“ aus dem Konzentrationslager Papenburg-Esterwegen zu befreien und 1936 rückwirkend die Verleihung des Friedensnobelpreises zu erwirken.
Es liegt ein bisschen Schadenfreude darin, wenn Roman Knizka von diesem Coup berichtet. Das ist die schallende Ohrfeige gegen die Nazis.
Ein Versuch, wachzurütteln
Blauer Anzug, dunkle Krawatte, eine Mappe in der Hand: Knizka schlüpft in die Rolle des Anwalts. Eindringlich rezitiert er Gedichte, Aphorismen von regimekritischen, verfolgten Autoren. Mit spitzer Feder und viel Sarkasmus schrieben sie gegen den Nationalsozialismus an, versuchten wachzurütteln. Der Schauspieler verleiht ihnen seine Stimme.
Das Programm ist jenen Künstlern gewidmet, die sich bis zum Schluss dem Naziterror widersetzten: Kurt Tucholsky, Erich Kästner, Bertold Brecht, Oskar Maria Graf, Paul Celan, Else Lasker-Schüler, Zygmunt Lubicz und Mascha Kaléko. Dazu spielt das Bläserquintett Werke von Paul Hindemith, György Ligeti und Pavel Haas.
Letzter überlebte das Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau nicht. Musik, die ebenso flehend wie aufreibend ist und sich schrill in den Nervenbahnen der Zuhörer festsetzt. Ein starkes Stück Zivilcourage, das kaum zu überbieten ist. Und doch half es nichts. Die Nazis mordeten in ihrem Wahn der ethnischen Säuberung weiter. Und heute?
Es kann sich wiederholen
„Es ist geschehen und folglich kann es wieder geschehen“, zitiert Roman Knizka den italienischen Schriftsteller Primo Levi am Ende des Abends, um anzufügen: „Darin liegt der Kern dessen, was wir zu sagen haben.“
Da haben die wenigen Jugendlichen das Theater längst verlassen. Und trotz des begeisterten Applauses für die schauspielerische und kammermusikalische Leistung herrscht bedrückendes Schweigen im Publikum.
Dem jüdischen Kulturverein Gailingen und der Singener Kriminalprävention geht es mit diesem gemeinsam gestalteten Abend um Prävention. „Wir sehen diesen Abend als Einheit mit unserer Arbeit im Museum“, sagt die wissenschaftliche Mitarbeiterin Sarah Schwab. Marcel Da Rhin, Leiter der Singener Kriminalprävention, geht es darum, den Nazi-Leugnern in den sozialen Medien etwas entgegenzuhalten. Leider war von denen niemand im Publikum. Gefördert wurde der Abend übrigens durch das Bundesprogramm „Demokratie leben“.
„Das Bundesprogramm „Demokratie leben!“ ist Deutschlands größtes und finanzstärkstes Präventionsprogramm gegen Extremismus. Es fördert sowohl innovative Projekte als auch langfristiges Engagement vor Ort“, heißt es auf der Website. Dafür wurden in 16 Landes-Demokratiezentren 330 Partnerschaften gebildet. Ziel ist, Vielfalt zu ermöglichen und extremistische, menschenfeindliche Phänomene zu verhindern.