Die AfD soll kein allzu großes Thema sein. Denn natürlich hängen die Anfänge der jungen Partei Liberal-Konservative Reformer (LKR) mit der sogenannten Alternative für Deutschland zusammen. Doch wer von der AfD zur LKR wechselte, habe sich ja eben von dem drastischen Kurs der AfD abgewandt, betont Michael Streitberger. Statt einer rechtsaußen-orientierten Politik setze man sich für die Mitte ein. Er muss es wissen, denn er ist Landes-Spitzenkandidat für die Bundestagswahl im September. „Wir sind die Partei der Mitte. Das sagen viele, aber wir sind es wirklich“, sagt Günter Waldraff als Landesvorsitzender. Er engagiert sich schon seit Jahren in der Politik, erst in der FDP und nun in der LKR. „Man kann nicht immer nur meckern, sondern muss auch was machen“, findet er. Seit einigen Wochen und Monaten haben die Neu-Politiker besonders ein Ziel: Die Fünf-Prozent-Hürde schaffen und dann als Opposition mitgestalten.

Aach könnte zwei Bundestags-Abgeordnete haben

Im Hegau sind besonders große, etablierte Parteien präsent. Im ganzen Hegau? Nein, in einem kleinen Dorf macht auch eine neue, kleine Partei auf sich aufmerksam: die Liberal-Konservativen Reformer. Vorsitzender und Spitzenkandidat des Landes wohnen beide in Aach, die Geschäftsstelle findet sich in Welschingen. Warum ist gerade der Hegau eine Keimzelle für solch politisches Engagement? Zufall, sagt der 62 Jahre alte Günter Waldraff. Irgendwo muss man ja anfangen, sind sie sich einig.

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Günter Waldraff und Landesschatzmeister Günter Hückmann (78) waren schon Gründungsmitglieder der Allianz für Fortschritt und Aufbruch (siehe Info), woraus die LKR wurde. „Wenn wir die Fünf-Prozent-Hürde erreichen, gibt es in Aach bald zwei Bundestagsabgeordnete“, sagt Waldraff lachend. Die Partei habe über 1000 Mitglieder, davon 140 in Baden-Württemberg.

Herausforderung bis Juli: 2000 Unterstützer-Unterschriften sammeln

Doch der Wahlkampf fällt in Pandemie-Zeiten besonders als kleine und noch recht unbekannte Partei schwer. Das fängt schon bei der Benennung von Direktkandidaten an, denn das geschehe momentan doppelt und dreifach: Erst online, dann per Briefwahl und zuletzt wird öffentlich ausgezählt – also wieder online. „Wir werden es nicht schaffen, alle Wahlkreise zu besetzen“, sagt Günter Waldraff, doch in vielen soll auch die LKR auf der Liste stehen. Damit das überhaupt möglich ist, braucht es auch Unterstützer: 2000 Unterschriften müssen bis 19. Juli beim Land eingehen.

„Das ist eine Herausforderung, da die persönlichen Kontakte ja sehr eingeschränkt sind“, sagt Günter Hückmann. Er hofft, dass die Mindestzahl an Unterschriften wegen der Pandemie noch gesenkt wird. Michael Streitberger ist aber schon jetzt zuversichtlich – auch wenn es noch ein weiter Weg zu gehen sei. Rund 100 Unterschriften würden schon vorliegen.

Wen soll man noch wählen? Das fragte sich auch der Spitzenkandidat

Liberale und konservative Werte hätten für ihn schon früh eine Rolle gespielt, sagt Streitberger. „Ich finde, dass der Mittelstand heute keine Stimme mehr findet“, sagt er. Die CDU orientiere sich mit ihrer Politik immer weiter nach links und die FDP versuche, irgendwie an Regierungsverantwortung zu kommen. Die SPD sei in einer schwierigen Findungsphase, die Grünen stünden für noch mehr Bürokratie. Wen solle man also wählen?

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„Wir sind Praktiker. Wie wichtig das ist, zeigt sich auch aktuell beim Umgang mit der Pandemie. Denn da wird viel auf Sicht gefahren, statt den zweiten oder dritten Schritt mitzudenken“, sagt der Spitzenreiter der Landesliste. Ihm fehlen die Macher, die nicht ihre eigene Machtposition sondern das Beste für alle zum Ziel haben. „Unsere Kinder sollen es einmal mindestens so gut haben wie wir“, sagt Günter Hückmann.

Günter Waldraff (links) und Günter Hückmann (rechts) gehören ebenfalls zum Landesvorstand der LKR, die vom Hegau aus die Bundespolitik ...
Günter Waldraff (links) und Günter Hückmann (rechts) gehören ebenfalls zum Landesvorstand der LKR, die vom Hegau aus die Bundespolitik mitgestalten möchte. | Bild: Tesche, Sabine

Wofür die LKR stehen will: Die Themen

Die Themen der LKR sind vielfältig: Die Wirtschaft könne sich zu wenig frei entfalten, die Bürokratie sei überfrachtet, Altersarmut vorprogrammiert und die Digitalisierung habe großen Nachholbedarf. Familien sollen gestärkt und das Gesundheitssystem verändert werden: Rein ökonomische Gesundheitszentren können nicht die Zukunft sein, findet der Spitzenkandidat.

Das Ziel ist, fordernd und fördernd einzugreifen

„Wir haben in Deutschland kein Einnahmen-Problem, sondern ein Ausgaben-Problem“, schildert Streitberger. Da wolle die Partei fordernd und fördernd eingreifen. Technologien seien immer maßgebend für Wohlstand gewesen, ergänzt Günter Hückmann. Und genau da will der Spitzenkandidat Streitberger Deutschland wieder sehen: Als das Land der Patente, das durch technologischen Fortschritt die Zukunft gestalte. Er will die LKR nicht als Auto-Partei begreifen, warnt im Autobauer-Land Baden-Württemberg aber: „Wenn ich den Ast absäge, auf dem ich sitze, wäre es gut, wenn man ein Netz gespannt hat.“

Eines ist dem 65-Jährigen besonders wichtig: „Wir begreifen uns nicht als Protestpartei, sondern eine sachlich mitwirkende Partei.“ Ihnen sei klar, dass niemand auf die Liberal-Konservativen Reformer gewartet habe. Doch vielleicht könnten sie mit ihren Themen und Vorschlägen punkten und sogar die Fünf-Prozent-Hürde meistern.

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Zu Person und Partei

  • Michael Streitberger ist 65 Jahre alt, Vater einer Tochter und studierter Diplom-Agrarfachwirt. Inzwischen arbeitet er in der Autobranche. Weil er sich beruflich mehr Freiräume schaffen könne, wolle er seine Erfahrungen nun in der Politik einbringen. „Ich fühle mich zu fit, um mich auf ein Rentnerbänkle zu setzen.“ Seit 2019 sitzt er für die Unabhängige Freie Liste Aach im dortigen Gemeinderat, im Februar wurde er auf den Spitzenplatz der Landesliste der Liberal-Konservativen Reformer gewählt.
  • Die Partei Liberal-Konservative Reformer (LKR) entstand 2015 als „Allianz für Fortschritt und Aufbruch“ (Alfa) von Bernd Lucke. Der Ökonomie-Professor Lucke war maßgeblicher Mitbegründer der AfD, die er auch als Bundessprecher und im Europäischen Parlament vertrat. 2015 trat er nach einem Richtungsstreit aus und gründete Alfa. Nach einer Klage der Lebensrechtsbewegung „Aktion Lebensrecht für Alle“, die ebenfalls mit dem Kürzel Alfa auftrat, benannte sich die Partei um in LKR. Bei der Landtagswahl 2016 in Baden-Württemberg erhielt die LKR rund ein Prozent der Stimmen.
  • Unterstützer können mit einer Unterschrift dazu beitragen, dass die LKR bei der Bundestagswahl gewählt werden kann. Das Formblatt ist unter anderem auf der Partei-Webseite verfügbar und kann dann zum Beispiel bei der LKR abgegeben werden.