Celik Abduloski (40) arbeitet seit neun Jahren als Präsenzkraft im Emil-Sräga-Haus. Die Vorfahren des gelernten Kochs stammen aus Mazedonien. Abduloski selbst ist als Gastarbeiterkind in Deutschland aufgewachsen. Obwohl er fließend deutsch spricht, weiß er sich von seiner mazedonischen Herkunft geprägt. Es sei weniger sein religiöser Hintergrund als Moslem, sondern mehr die Kultur, die ihn unterscheidet.

„Ich bin mit Oma und Opa aufgewachsen“

„In Mazedonien sind die Menschen ärmer, daher müssen sie näher zusammenleben“, beschreibt er. Dies mache Menschen mit einer Herkunft aus ärmeren Ländern sicher sensibler, schlussfolgert er: „Ich bin selbst mit Oma und Opa aufgewachsen und bin es einfach gewöhnt, dass man den Großeltern helfen muss.“ Dem 40-Jährigen Abduloski wird die Last des Alters besonders deshalb so deutlich, weil er vor seiner Tätigkeit im Pflegeheim in verschiedenen Diskotheken tätig war und dort junge Menschen zwischen 18 und 30 Jahren erlebt hat. Dort die Lebenslust der Jugend, hier die Schwermut des Alters.

„Wie abhängig man im Alter werden kann, ist mir daher noch viel deutlicher“, betont Abduloski. Den Begriff Demenz hat er erst kennengelernt, als er im Pflegeheim angefangen hat zu arbeiten. Menschen mit mazedonischem Hintergrund würden für diesen Zustand keinen besonderen Begriff verwenden. Eher würde man dort sagen, dass der Betroffene halt alt sei und seine Vergesslichkeit und Verwirrtheit eben zum Alter dazu gehöre.

Auch die Religion spielt eine wichtige Rolle

Ähnlich geht es Elmedina Sadiku (20), die als Pflegefachkraft im gleichen Heim arbeitet. Sie lebt in dritter Generation in Deutschland und spricht fließend deutsch. Nur an ihrem Namen kann man ihre Herkunft aus dem Kosovo ableiten. „Sprache ist wichtig im Umgang mit Menschen mit Demenz“, findet sie. Man könne ganz andere Nuancen verstehen, wenn man die Muttersprache gut spreche. Dann verstehe man auch den Hintergrund, wenn ein alter Mensch mit Demenz eine Not äußere. Ausländer, die die Sprache der Senioren nicht so gut beherrschen, würden nur gelernte Worte verstehen, aber der Sinn dahinter bliebe ihnen oft verborgen.

Andererseits sieht Sadiku auch Vorteile, wenn Menschen aus anderen Kulturen in der Pflege arbeiten. „Wenn es Personal mit italienischem, spanischem oder türkischem Hintergrund gibt, können diese manchmal auch für Bewohner aus dem entsprechenden Land übersetzen“, so die Altenpflegerin. Auch die Religion spiele eine wichtige Rolle. So verstehe sie als Muslima, warum demente Moslems niemals das Gebet vergessen würden.

Wichtig sind Empathie und Verständnis

Insgesamt kommt Elmedina Sadiku zum Fazit: „Egal wo ein Mensch herkommt oder was für eine Religion er hat: Es kommt darauf an, was man im Herzen fühlt.“ Menschlichkeit könne dabei ganz verschieden zum Ausdruck gebracht werden. Wichtig seien Empathie und Verständnis. So könne man auch die aussichtslose Lage mancher dementer Menschen verstehen.

Wenn Migranten erkranken

  • Dieser letzte Teil der SÜDKURIER-Serie „Leben mit Demenz“ widmet sich dem Thema „Pflege über verschiedene Kulturen hinweg“. In dem Beitrag kommen Pflegende zu Wort, die schon längst nach Singen gehören. Durch die Herkunft ihrer Vorfahren aus Mazedonien und dem Kosovo bringen sie aber ein besonderes Verständnis für Pflege über Kulturgrenzen hinweg mit.
  • Dem Thema „Menschen mit Demenz mit einem Migrationshintergrund“ widmet sich die Fachzeitschrift für die professionelle Pflege von Personen mit Demenz „pflegen:Demenz“ Nr. 60. 3. Quartal 2021. Die Demenzforscherin Viktoria Peters-Nehrenheim erläutert in ihrem Beitrag „Migration und Demenz“ (Seite 25), dass in Deutschland rund 96.500 Menschen mit Migrationshintergrund von einer Demenz betroffen sind.
  • Häufig fehlen die Diagnosen bei der genannten Personengruppe. Gründe dafür seien, dass Menschen mit einem Migrationshintergrund erstens seltener eine ärztliche Untersuchung wahrnehmen. Zweitens gebe es immer wieder Fehldiagnosen aufgrund von sprachlichen Barrieren. Ein dritter Grund für eine fehlende Diagnose sei die Tatsache, dass Diagnostiktests westlich kulturell geprägt sind und daher weniger geeignet seien für Menschen aus anderen Kulturkreisen. Ein Problem sei zudem, dass die Betroffenen erst zu einem späten Zeitpunkt ihrer Erkrankung therapeutische und diagnostische Dienste, sowie andere Pflegeleistungen in Anspruch nehmen würden.

Weiterführende Links:
www.demigranz.de, www.demenz-und-migration.de