Rund drei Millionen Kinder und Jugendliche wachsen in Deutschland mit mindestens einem suchtkranken Elternteil auf, das heißt jedes sechste Kind. Um auf das Thema Sucht in der Familie aufmerksam zu machen, beteiligt sich die Fachstelle Sucht an der bundesweiten Aktionswoche für Kinder aus Suchtfamilien des Interessenverbandes NACOA und lädt am 16. Februar zur Telefonsprechstunde ein. Betroffene, Angehörige sowie Interessierte können sich zum Tabuthema Sucht in der Familie von den Fachkräften beraten lassen.

Die Gesellschaft sensibilisieren

Um Kindern aus suchtbelasteten Familien eine Stimme zu geben, startete die Fachstelle schon vor 20 Jahren mit einer Kindergruppe in Radolfzell. Mit dem Angebot Aufwind wurde 2019 ein zweiter Standort in Singen eröffnet. „Wir möchten die Öffentlichkeit für das Thema Sucht sensibilisieren“, sagt Lars Kiefer, Leiter der Fachstelle. Laut Schätzungen sind im Landkreis Konstanz 16,5 Prozent betroffen, das sind rund 7900 Kinder. Das sei seit 20 Jahren eine konstante Zahl mit wenig Veränderungen.

Die meisten Kinder passen sich an

„Sie passen sich an, der überwiegende Teil ist völlig unauffällig und schwimmt unter dem Radar“, sagt Christian Denecke und weist darauf hin, dass die Dunkelziffer höher liege. Nur ein Bruchteil der betroffenen Kinder könne erreicht werden, die Betreuungszahl nehme durch die Vernetzung mit Einrichtungen bis hin zum Jugendamt aber zu. „Wir möchten den Kindern eine Stimme geben, erreichen aber nur einen Bruchteil der betroffenen Kinder“, sagt Denecke. Aktuell werden 30 Kinder regelmäßig in der Kindergruppe Aufwind betreut. Sie kämen gern und jahrelang, manche seien mittlerweile erwachsen.

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In der Gruppenarbeit könnten sie über ihre Ängste, Sorgen und die Suchtkrankheiten ihrer Eltern reden und sich so entlasten. „Die Kinder erfahren, dass sie nicht allein sind und werden selbstsicherer“, sagt Jana Klaiber. Wichtig für sie sei eine vertrauensvolle Bezugsperson, da sie aus ihrem Alltag in suchtbelasteten Familien mangelnde Verlässlichkeit kennen. Die Selbstsicherheit trage bei ihnen dazu bei, sich zu starken jungen Erwachsenen zu entwickeln.

Gruppenarbeit auch als Prävention

„Kinder passen sich dem Verhalten ihrer Eltern an“, berichtet Denecke. Damit werde die Arbeit mit betroffenen Kindern eine effiziente Prävention, die das Risiko einer späteren eigenen Abhängigkeit oder anderer psychischer Erkrankungen reduziere. In den vergangenen 20 Jahren sei eine Sensibilisierung der Gesellschaft eingetreten, aber es gebe noch kein regelfinanziertes und flächendeckendes Netz für Hilfs- und Beratungsangebote.

Bundesweites Anliegen sei es, allen Kindern die Angebote zugänglich zu machen, erläutert Kiefer. Die Fachstelle Sucht als Einrichtung des Baden-Württembergischen Landesverbandes für Prävention und Rehabilitation konnte durch Förderung über den Verein Herzenssache eine 50-Prozent-Stelle einrichten, die auf drei Jahre begrenzt ist. „Wir brauchen finanzielle Verlässlichkeit“, sagt Lars Kiefer.

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