3G zu Weihnachten: alle Generationen, gemütlich und gut essen. Idealerweise klappt dann auch noch das 3 F-Prinzip: friedlich und fröhlich feiern. Aber spätestens seit Corona viele von uns zum Stubenarrest verdonnerte, wissen wir, dass das oft ein frommer Wunsch ist, ganz besonders zu Weihnachten, dem Fest an dem alles perfekt sein soll, liegen die Nerven oft blank und es gilt der alte Spruch: Zu viel Nähe erzeugt Reibung. Wie beim Streichholz können dann die Funken fliegen und vorbei ist‘s mit „Stille Nacht“. Wobei Jugendliche und junge Erwachsene sowieso häufig andere Vorstellungen haben und die traditionelle Festgestaltung durchaus mal mit dem Ausruf „holy shit!“ kommentiert wird. Augenrollen gibt es auch beim Satz „Du bist aber groß geworden“ und zum echten Horror kann die Frage werden: „Was willst du denn gerne werden?“ Oder in der unfreundlichen Variante: „Was soll aus dir bloß werden?“

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Für Orientierungscoach Katja von Glinowiecki ein echtes No-Go bei Familienfeiern – mit einer Ausnahme: „Es gibt junge Menschen, die schon von Kindesbeinen an wissen, was sie mal werden wollen. Die erzählen gern von ihren Plänen.“ Aber häufig sticht man mit dieser Frage in ein Wespennest, da Jugendliche unsicher sind, ihre Interessen von den Eltern nicht ernstgenommen werden, abgetan als brotlose Kunst, oder vorhandene Begabungen in ein viel zu enges Korsett eingeschnürt werden. „Durch Corona sind unzählige Berufspraktika ausgefallen“, weiß von Glinowiecki.

Die Möglichkeit, konkrete Erfahrungen zu machen, fehlt jedenfalls schmerzlich. Im Praktikum merkt man nämlich, wenn der vermeintliche Traumberuf gar nicht so toll ist. Auch das kann eine wichtige Entscheidungshilfe sein. Die Auswahl ist jedenfalls verwirrend: Noch vor zweihundert Jahren beschränkten sich die Universitäten auf eine Handvoll Fachgebiete und es gab eine überschaubare Auswahl an Berufen. Heutzutage existieren ca. 22.000 Studiengänge und 6400 Ausbildungsberufe. Eine verwirrende Vielfalt.

Glinowiecki hört oft, dass Jugendliche die Botschaft „Dir liegt die Welt zu Füßen – du musst nur auswählen“, auf den Weg bekommen. Aber was wie ein Universum der Möglichkeiten wirkt, kann auch überfordern. „Und das ist längst nicht alles“, weiß von Glinowiecki. „Wer sich heute für eine Ausbildung oder ein Studium entscheidet, lernt oft für einen Beruf, den es noch gar nicht gibt.“ Wer kannte in den Achtzigern das Berufsbild Webdesign? Aus dem Automechaniker wurde der Mechatroniker.

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„Klar geht es auch um Basiskompetenzen“, betont von Glinowiecki. „Aber um wirklich fit für die Zukunft zu werden, sind Begeisterung und Passion entscheidend. Gute Noten spiegeln nicht unbedingt die wahren Interessen und Begabungen wider. Viel zentraler ist es, sich auf die Begriffe Selbstvertrauen, Motivation und Wertschätzung zu konzentrieren.“ Viele junge Menschen, die sich beraten lassen, wünschen einen fixfertigen Lebensplan mit Jobgarantie und hohem Einkommen. Aber besser ist, wenn man gelernt hat, flexibel zu bleiben, aus Fehlern zu lernen und zu erkennen, dass es im Leben keine Sackgassen gibt. Denn die persönliche Entwicklung geht immer weiter.

Genau hier werden Erwachsene wieder wichtig. Wenn Opa davon erzählt, dass er nicht studieren durfte, oder Mutter berichtet, wie die Karriere durch fehlende KiTa-Plätze ausgebremst wurde, verschieben sich die Perspektiven. Erwachsene be- und verurteilen nicht länger. Sie sind auf Augenhöhe und werden glaubwürdig. So können Erfahrungsschatz gehoben werden. Es heißt nicht länger „Was willst du werden?“, sondern die Jugendlichen fragen: „Erzähl mal, wie war dein Weg ins Leben? Was ist aus deinen Träumen geworden?“ Dass junge Menschen diesen Austausch schätzen, belegt auch die neueste Forsa-Umfrage zum Tag der Bildung: Jugendliche und junge Erwachsene wurden dort gefragt, was entscheidend für den eigenen Berufs- und Bildungsweg ist. 90 Prozent antworteten, dass Zuwendung und Unterstützung durch die Eltern eminent wichtig seien. Die eigene Motivation landet weiter hinten: 86 Prozent der Jugendlichen würden allein darauf setzen. „Auch hier ergibt sich ein Anknüpfungspunkt“, sagt von Glinowiecki. Selbstmotivation und Leidenschaft fürs eigene Tun gehen Hand in Hand. Das Bild vom Beruf, der zwingend mit Stress und Leiden verbunden ist, sei hingegen ein Stereotyp, von dem wir uns befreien sollten.

zu Weihnachten 2014 in Indien diente eine Aracaura-Tanne als Weihnachtsbaumersatz bei den von Glinowieckis.
zu Weihnachten 2014 in Indien diente eine Aracaura-Tanne als Weihnachtsbaumersatz bei den von Glinowieckis. | Bild: Karsten von Glinowiecki

Idealerweise könnte also statt Streit unterm Weihnachtsbaum ein Frage- und Antwortspiel zwischen Generationen entstehen. All dies kann zum Zündfunken werden – nicht zum Streit, sondern als Feuerwerk der Ideen.