Eine digitalisierte Medienwelt verschiebt Wirklichkeiten, bringt Fake News hervor und sorgt für Verunsicherung. Neue Kompetenzen sind erforderlich, damit richtig umzugehen. Deshalb fordert der renommierte Medienforscher Bernhard Pörksen die Einführung eines neuen Schulfachs.

Ein flammendes Plädoyer hielt der Professor nun vor rund 150 Schulleitern, Lehrern, Elternbeiräten und Bürgermeistern bei der SÜDKURIER-Jubiläumsveranstaltung "20 Jahre Medienprojekt Klasse!". Seine Begründung: In einer medialen Welt, in der es zu viel Information gibt, vor allem ungefiltert und ungeordnet, in der jeder zum Sender geworden ist, steigt die Gefahr der Desinformation und wird zur Existenzfrage der Demokratie. Deshalb muss Medienmündigkeit mit jungen Menschen schon in der Schule eingeübt und trainiert werden. Die Botschaft kam im Saal bei den Zuhörern an. Großer Applaus.

Bernhard Pörksen spricht vor rund 150 Lehrern.
Bernhard Pörksen spricht vor rund 150 Lehrern. | Bild: Tesche, Sabine

Der SÜDKURIER hatte für die Veranstaltung den Medienwissenschaftler aus Tübingen sowie die Kultusministerin des Landes Baden-Württemberg, Susanne Eisenmann, zusammen aufs Podium gebracht. Vision kontra Bildungsrealität, eine Diskussion, die SÜDKURIER-Chefredakteur Stefan Lutz in der Stadthalle Singen moderierte.

Ging es vor 20 Jahren im Medienprojekt Klasse!, das seit vielen Jahren von der EnBW unterstützt wird, noch ums Lesen und um Darstellungsformen des Journalismus, so geht es heute um entschieden mehr. „Wie können Kinder und Jugendliche in dem medialen Irrsinn unserer Zeit die Orientierung behalten, wie können sie Wahres von Unwahrem unterscheiden, Wichtiges von Unwichtigem trennen?“, fragte der Chefredakteur in seiner Begrüßung. Viele Lehrer seien selbst unsicher und würden sich dabei Unterstützung wünschen.

Ein eigenes Schulfach an der Schnittstelle von philosophischer Ethik, Sozialpsychologie, Medienwissenschaft und Informatik wäre der richtige Ansatz, ist Pörksen überzeugt. „Guter Journalismus ist angewandte Ethik und sollte zu einem Element der Allgemeinbildung werden.“ Die Orientierung an Glaubwürdigkeit, an Relevanz, eine grundsätzliche Skepsis, die Prüfung von Quellen und das Bemühen, auch die andere Seite zu hören, gehören dazu.

Ein eigenes Schulfach lehnte die Kultusministerin auf dem Podium ab. Im Bildungsplan seien bereits die Leitperspektiven für Medienbildung verankert. Sie hält die Bündelung in einem Schulfach nicht für sinnvoll, sie ist für eine breitere Fächerung. Das sah Pörksen anders, die Aufgabe sei zu groß und zu wichtig, um sie in die Breite zu geben, denn ohne klare Systematik fühle sich am Ende keiner verantwortlich.

Großer Beifall für den Vortrag von Prof. Dr. Bernhard Pörksen, der frei und mitreißend spricht und viele interessante Denkanstöße liefert.
Großer Beifall für den Vortrag von Prof. Dr. Bernhard Pörksen, der frei und mitreißend spricht und viele interessante Denkanstöße liefert. | Bild: Tesche, Sabine

Eisenmann könne aber Schule nicht beliebig verlängern, müsse Unterricht woanders streichen, so ihr Einwand. Doch es geht Pörksen neben der Einführung eines Schulfaches um eine Wertedebatte, um mehr Öffentlichkeits- und Qualitätsbewusstsein, und am Ende geht es um die Existenz der Demokratie.

 

Klasse!-Medienprojekt

Das sagen die Zuhörer im Saal

„Die Veranstaltung hat mir Denkanstöße geliefert. Ich glaube, dass das Bewusstsein und die Haltung bei der Mediennutzung ganz wichtig sind. Das müssen wir unseren Schülern vermitteln – keine einfache Aufgabe.“

Sabine Beck, Friedrich-Wöhler-Gymnasium Singen

Sabine Beck
Sabine Beck | Bild: Schottmüller, Daniel

 

„Die Idee eines eigenen Schulfaches ist gut. Ich finde es fehlt derzeit an konkreten fächerübergreifenden Fortbildungen, wie man die neue Leitperspektive Medienbildung in seinem Fach gewinnbringend für die Schüler umsetzen kann. Bei aller Liebe zur Freiheit wünsche ich mir mehr Handreichung.“

Miriam Sauter, Nellenburg Gymnasium Stockach

Miriam Sauter
Miriam Sauter | Bild: Tesche, Sabine

 

„Das Projekt Klasse! halte ich für eine lebendige Einbindung von Journalismus in den Deutschunterricht. Ich bin mit Kollegen aus den Fachbereichen Deutsch und Ethik gekommen. Uns beschäftigt, wie wir damit umgehen können, dass jeder Jugendliche über das Internet zum Journalisten werden kann.

Mario Mosbacher, Schulleiter des Fürstenberg Gymnasiums Donaueschingen

Mario Mosbacher
Bild: Schottmüller, Daniel

 

„Ich fand die Veranstaltung anregend, was die Themen Social-Media-Nutzung und Digitalisierung betrifft. Medien sind wichtig, und Schüler sollten lernen, wie eine Zeitung arbeitet, wie sie aussieht und aufgebaut ist.“

Dominik Schaebs, Georg-Müller-Realschule Schwenningen

Dominik Schaebs
Dominik Schaebs | Bild: Schottmüller, Daniel

 

„Bei dem Projekt Klasse! geht es um die Fragen: Was ist guter Journalismus und welche Bedeutung hat er für die Demokratie? Die Tageszeitung als glaubwürdigstes Medium bietet sich an, um diese Fragen in die Schulen zu bringen.“

Rainer Wiesner, Geschäftsführer des Medienhauses SÜDKURIER

Rainer Wiesner
Rainer Wiesner | Bild: Schottmüller, Daniel

 

„Ich fand die Diskussion zwischen Herrn Pörksen und Frau Eisenmann sehr interessant. Herr Pörksen hat recht: Im heutigen Zeitalter wird jeder zum Publizisten. Es reicht aber nicht aus, wenn sich nur ein einziges Schulfach mit dem Thema Massenmedien auseinandersetzt.“

Gabriele Wiedemann, Rektorin der Gerhard-Thielcke-Realschule Radolfzell

Gabriele Wiedemann
Gabriele Wiedemann | Bild: Schottmüller, Daniel