Beim Begriff Künstler mag mancher an einen genialen Schöpfer denken, der spontane Eingebungen mitten in der Nacht auf eine Leinwand bannt und damit ein Werk für die Ewigkeit schafft. Der Franzose Marcel Duchamp trieb das mit der Kunstform des Readymade auf die Spitze, indem er ein Urinal unter dem Titel "Fountain" (Brunnen) als Kunst präsentierte. Auch Gabriel Zlatanovic dachte an den genialen Schöpfer mitten in der Nacht, als er sein Leben der Kunst widmete, wie er erzählt. Doch der 27-Jährige aus Engen blickt nach einigen Jahren realistischer auf seine Arbeit. Denn er weiß: Können allein reicht nicht. "Glück ist ein riesiger Faktor."
Weg von der brotlosen Kunst
Will er ein Künstlerleben oder ein Leben als Künstler? Wenn Gabriel Zlatanovic sich entscheiden muss, wählt er ein Leben als Künstler. Weg von der brotlosen genialen Kunst und einem lebenden Klischee, hin zur bewussten Auseinandersetzung mit Motiv und Material. Dabei habe er lange radikal so leben wollen, wie er sich Künstler vorstellte: Um nicht zu verkopft an die Sache heranzugehen, malte er besonders nachts und redete sich ein, dass Kunst eine traurige, melancholische Stimmung brauche. Er malte nur mit Öl oder Zeichnung, nur surreal, nur kleinformatig. "Eine gewisse Verrücktheit wird fast schon erwartet", sagt Zlatanovic heute kritisch über die Kunstwelt. Erst später wurde ihm bewusst, dass er sich genau damit verkopft hat.

Der 27-Jährige ist in Engen geboren, aufgewachsen und wohnt inzwischen in Singen. An diesem Tag sitzt er etwas aufgeregt in einem Singener Café. Seine Hände können sich kaum entscheiden zwischen den Gesten, die er machen möchte, und dem Sandwich, das vor ihm steht. Und in seinen Erzählungen springt er zwischen den Zeiten: Von aktuellen Bildern bis zu den Anfängen; von der jüngsten Idee, Lehrer zu werden, bis zur Kunsthochschule vor einigen Jahren. Zwischenzeitlich wollte er so Künstler werden, wie es die Lehre vorgibt: Nachdem er ein wissenschaftliches Studium an der Universität Konstanz abbrach, weil er lieber praktisch arbeiten wollte, bewarb er sich an den Kunsthochschulen in Hamburg und Leipzig. Doch das war ernüchternd für ihn:
"Es heißt freie Kunst, aber es gibt total viele Regeln."
Kunsthochschulen seien häufig borniert und in ihren Vorstellungen festgefahren. Opulenz sei etwa nicht gerne gesehen. Konkrete Figuren müssten für die Abstraktion zurück treten. Und als er lernen wollte, klassisch zu malen, habe er erkannt, dass das gar nicht mehr so angeboten werde. Durch die Bewerbungsverfahren merkte er aber auch, dass der Austausch mit anderen ihn weiter brachte. Also meldete er sich nach einem Volkshochschul-Kurs in Konstanz schließlich an der Jugendkunstschule in Meersburg an.

Der Heimat ist er treu verbunden, doch mit seiner Kunst möchte er über den Hegau hinaus. Inspiration findet er in den Weiten des Internets oder in Zeitschriften am örtlichen Kiosk. Häufig kombiniert er Fotovorlagen mit Malerei. Dabei sagt er selbst, dass er nicht gut darin sei, die Realität in Bildern zu verwerten. Wenig später zeigt er allerdings ein Portrait seiner Oma, das sie geradezu greifbar macht. Allerdings stand sie dafür nicht Modell im Atelier, sondern lächelte nur kurz fürs Foto. So konnte Gabriel Zlatanovic in aller Ruhe überlegen, wie er sie für das Portrait ins rechte Licht rücken möchte – und wie realistisch es sein soll.
Auch ein Künstler muss Rechnungen bezahlen
Im Leben von Gabriel Zlatanovic ist viel Platz für Realismus. Auch ein Künstler muss Rechnungen bezahlen. Seinen Lebensunterhalt verdient er sich daher als Betreuungsassistent, außerdem unterstützen ihn seine Eltern und Freundin. Zum Oktober möchte er Deutsch, Geschichte, Musik und – natürlich – Kunst auf Lehramt studieren. "Es bringt mir und meinen Sachen nichts, das radikal machen zu müssen." Künstler wird er weiterhin sein. Und je besser es ihm gehe, desto besser würden auch seine Werke. Als Lehrer möchte er seinen Schülern übrigens mehr Begeisterung mitgeben, als er sie selbst erlebte: Seine eigene Leidenschaft entwickelte sich zögerlich. Der Schulunterricht habe ihm nicht so viel Spaß gemacht, nur an eine fotorealistische Aufgabe erinnert er sich positiv.
Wer sagt, was Qualität ist? Und zählt das überhaupt?
In den vergangenen Monaten und Jahren habe er beständig gemalt, um sich und seinen Stil zu entwickeln. "Der Weg ist ein bisschen das Ziel", sagt er. "Studium oder Ausstellungen garantieren nicht, dass man davon leben kann." Es gebe schließlich keinen Leitfaden, was ein Werk von guter Qualität sei – und die Qualität sei auch nicht immer entscheidend. Bei seinen ersten Werken sei er stets nach einem festen Raster vorgegangen, um Vorlagen möglichst realitätsgetreu wiederzugeben. Doch das habe er rasch wieder abgelegt: "Ich möchte lieber etwas wagen. Der Versuch zählt."
Was der Künstler bei einer aktuellen Serie gedacht hat:



Zur Person
Gabriel Zlatanovic wurde am 1. September 1991 in Singen geboren und hat den Großteil seines bisherigen Lebens in Engen verbracht. Nachdem er 2013 sein Studium der Literatur-Kunst-Medien an der Universität Konstanz nach zwei Semestern beendete, studierte er für drei Semester Kunst in Hamburg. Seit er in die heimische Region zurückkehrte, arbeitet er als freier Künstler. Im Herbst 2018 war er beispielsweise Teil der Aktion Kunsthandel, bei der 14 Geschäfte in der Singener Innenstadt ihre Ladenfläche auch für Kunst bereit stellten und so zu Ateliers und Galerien wurden. Nun beschäftige Zlatanovic sich damit, welche Galerien und Ausstellungen passen.
Weitere Informationen und mehr seiner Bilder im Internet: www.gabrielzlatanovic.de