Karin Zöller

Die Veranstaltung mit Arnold Stadler im Singener Kunstmuseum zur Ausstellung "Ursula Wentzlaff. Vom See weg malen" war weit mehr als eine Lesung. Aus den Worten des Schriftstellers sprachen nicht nur Achtsamkeit in der Begegnung und Wertschätzung gegenüber der 2014 verstorbenen Kressbronner Künstlerin. Seine gesellschaftskritischen Texte inmitten der rund 80 ausgestellten Arbeiten zu hören, war ein besonderes Erlebnis, das manche Gemeinsamkeit von Autor und Malerin erkennen ließ. Bei beiden zeichnen sich ihre Werke durch eine unangepasste Haltung und den kritischen Blick hinter die Fassade aus.

Für Arnold Stadler ist Mitläufertum ein Gräuel, was sich auch in seinem eigens für diesen Abend verfassten Text über soziale Netzwerke und Veränderungen in der Gesellschaft zeigt. "Meine Hauptarbeit ist die Übersetzung – ich übersetze meine Welt in meine Sprache", erklärt er. Bei Ursula Wentzlaff sei es genauso gewesen – nur, dass sie ihre Welt in Bilder übersetzt habe. Parallelen sieht auch für Christian Wentzlaff-Eggebert, der mit der Künstlerin über 50 Jahre verheiratet war: "Die Kunst meiner Frau ist nicht beliebig, was auch auf die Texte von Arnold Stadler zutrifft."

Wenn Stadler aus dem Text liest, den er 2001 über das erste Treffen mit der Künstlerin – ein beseelter, unvergesslicher Tag – geschrieben hat oder über "Ursula mit ihren Augen" spricht, ist Bewunderung spürbar. Wie eine Hellseherin habe sie ihre Umgebung und Dinge in Gesichtern wahrgenommen. "Sie ist als Künstlerin vollständig. Sie ist ganz da", stellt er fest. Aus ihrem umfangreichen Werk mit leuchtenden, großformatigen Aquarellen sowie Zeichnungen und Gemälden haben es ihm besonders die Köpfe angetan. In den figürlichen Portraits sind viel Ironie und der verschmitzte Eigensinn von Ursula Wentzlaff erkennbar.

Beim Rundgang durch die Ausstellung geht es um die Frage, was ein Kunstwerk ausmacht. "Kunst kann man nicht definieren", betont Arnold Stadler. Für ihn sei ein Kunstwerk etwas Neues, nicht zu beschreiben, geheimnisvoll und unvergesslich. Der Schriftsteller ist sich mit Christian Wentzlaff-Eggebert einig: "Künstler und Betrachter sollten Suchende sein."