Seit vier Jahren genießt Albert Stöckl seinen Ruhestand. Doch der agile Rentner hat trotzdem einen Job, den er mit Leidenschaft ausübt: Er berät angehende Rentner vor ihrem Eintritt in den neuen Lebensabschnitt. 20 Jahre lang hat er das ehrenamtlich neben seiner Funktion als Geschäftsstellenleiter der KKH in Singen getan. Danach hat er die Aufgabe quasi mit nach Hause genommen.
Stöckl ist einer von rund 2600 Versichertenberatern in ganz Deutschland. Großen Wert legt er auf die feine Unterscheidung: "Ich bin nicht Versicherungsberater." Will sagen, dass er keine Versicherungen verkauft, sondern nur dafür sorgt, dass Versicherte auch die ihnen zustehenden Leistungen bekommen. Das bedeutet, dass er zum Beispiel mit den Rentenanwärtern genau überprüft, ob sich eventuelle Beitragslücken schließen lassen. In gewisser Weise ist er der Ombutsmann der Versicherten. Er sorgt dafür, dass sie vollumfänglich zu ihrem Recht kommen.
Diese Aufgabe macht dem Mann aus Mühlhausen-Ehingen immer noch große Freude. Und weil er dranbleiben will, hat er jetzt die Bürger im Landkreis dazu aufgerufen, ihre Stimme bei der Sozialwahl bis zum 31. Mai 2017 abzugeben. Denn die Versicherten und Rentner wählen die Vertreterversammlung der Deutschen Rentenversicherung Bund, die wiederum die ehrenamtlichen Versichertenvertreter bestellt. Ebenso wählen die Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherungen deren Verwaltungsrat. Beide Parlamente vertreten die Versicherten gegenüber der Politik und nehmen somit Einfluss auf die Gesetzgebung.
"Mehr als 51 Millionen Versicherte bestimmen bei der Sozialwahl darüber, wer bei der Deutschen Rentenversicherung Bund und bei den Ersatzkassen der gesetzlichen Krankenversicherung in den jeweiligen Parlamenten sitzt und dort wichtige Entscheidungen trifft", erinnert Stöckl. Er ist aber auch Realist genug, um zu wissen, dass viele Wahlscheine schon in den Papierkörben gelandet sind, weil die Menschen die Vertreter der zwölf Listen gar nicht kennen.
Überhaupt ist die Sozialwahl für viele Versicherte ein Buch mit sieben Siegeln. Einige Kommunen hätten sich geweigert, für die Sozialwahl 2017 zu werben, ärgert sich die Bundesbeauftragte für die Sozialwahlen, Rita Pawelski. Obwohl das die drittgrößte Wahl nach Bundes- und Europawahl sei, liege die Wahlbeteiligung nur bei 30 Prozent.
Zwischen zehn und 15 Personen suchten jeden Monat die Hilfe von Albert Stöckl, berichtet er. Seine Recherche hat bei vielen von ihnen schon die Rente nach oben korrigiert, weil er die Ratsuchenden ermuntert hat, Bescheinigungen von früheren Arbeitgebern beizubringen. Den Menschen zu ihrem Recht zu verhelfen, freut Albert Stöckl. Deshalb möchte er sie auch in Zukunft gerne weiter beraten. Bewerben kann er sich für den ehrenmtlichen Job allerdings nicht. Er muss von der Vertreterversammlung in Berlin vorgeschlagen werden. Und die verteilt die Aufgaben nach dem Stimmenanteil bei der Sozialwahl. Wurde er früher über die Liste 10 (KKH-Versichertengemeinschaft) bestellt, so findet er sich als Ruheständler heute auf der Liste 1 (unabhängige Interessengemeinschaft der Versicherten und Rentner) wieder.
Sozialversicherung ist selbstverwaltet
Politikverdrossenheit hat in der Vergangenheit bei vielen Bürgern dazu geführt, dass sei zu Wahlverweigerern werden. Damit vergeben sie Chancen: am 24. September bei der Bundestagswahl und bis 31. Mai bei der Sozialwahl. Hierzu sind 51 Millionen Wahlberechtigte aufgerufen. In der SÜDKURIER-Serie "Hallo Berlin" will die Redaktion Zusammenhänge zwischen Bundespolitik und der Lebenswirklichkeit im Hegau zeigen. Im heutigen Bericht über die Sozialwahl stellen wir den kostenlosen Service eines Versichertenberaters vor.
- Warum es sinnvoll ist zu wählen? Albert Stöckl sorgt als Versichertenberater dafür, dass künftige Rentner die Rente bekommen, die sie verdienen. Die Versichertenberater werden in Folge der Sozialwahl von der Vertreterversammlung gewählt. Damit entscheiden die Wähler letztlich mit ihrem Stimmenanteil über die Anzahl der Berater und damit über den Service im Landkreis Konstanz.
- Was bedeutet Selbstverwaltung? Die gesetzliche Sozialversicherung ist laut Deutscher Rentenversicherung selbstverwaltet. Versicherte und Arbeitgeber haben ihre eigenen Parlamente. Diese wählen den Vorstand und beschließen unter anderem den Haushalt. Das Prinzip: Wer Beiträge eingezahlt hat, der soll auch mitbestimmen. (gtr)