Vor dem Rathaus liegt Viktoria Hartmann in der gelben Warnweste auf den Knien und müht sich an einer kleinen Messingtafel ab. Ausgerüstet mit Putzlappen und Messingpolitur fördert sie den Namen Daniel Jakob Kahn zutage. Der ehemalige Singener SPD-Stadtrat und uneheliche Sohn einer Jüdin war den Nationalsozialisten stets ein Dorn im Auge und wurde schließlich 1944 nach Dachau deportiert, von wo er schwer krank nach Singen zurückkam. Hier verstarb er an Spätfolgen der Haft. Damit dieses Schicksal nicht in Vergessenheit gerät, müht sich Viktoria Hartmann jetzt ab. Und mit ihr weitere Helfer.
Allein 60 kleine Gedenktafeln, die der Kölner Künstler Gunter Demnig im Rahmen seiner bundesweiten Stolperstein-Aktion verlegt hat, erinnern in Singen an die Nazi-Opfer. 200 Stolpersteine müssten es werden, um an alle Verstorbenen zu erinnern. Heinz Kapp und Hans-Peter Storz hatten den Kontakt zu dem Künstler hergestellt, der seit 1992 mit seinen Messingtafeln gegen das Vergessen ankämpft. Am Holocaust-Gedenktag brachten acht Singener die Steine wieder zum Leuchten. "Wir laufen Gefahr, wieder in faschistische Formen reinzulaufen", sagt Markus Höning, während er in der Scheffelstraße die Namen der Familie Guttmann freilegt. "Da ist es gut sich an die alten Formen zu erinnern." Über den Winter haben sich Schmutz und Patina über die Steine gelegt, sodass sie sich kaum noch vom gewöhnlichen Pflaster abheben. Während der Aktion lässt die Sonne die frisch geputzten Tafeln besonders hell erstrahlen. 120 Euro kostet so eine Erinnerungstafel. In einem Grundsatzbeschluss hat die Stadt Singen die Straßenflächen für die Erinnerungskunst freigegeben.