Montag, der letzte Schultag bevor die Schulen wegen des Coronavirus geschlossen sind. Diese Zeit muss genutzt werden: Ich setzte mich ans Notebook und arbeite. Außerdem habe ich angekündigt, meinen Sohn Lukas von der Schule abzuholen, weil ich auch noch etwas einkaufen muss. Den Plan mit dem Lebensmitteleinkauf lasse ich fallen, weil es auf dem Parkplatz vor dem Supermarkt keinen Platz mehr gibt. Dafür wird vor dem Drogeriemarkt gerade etwas frei und das Waschmittel und die Seife gehen zur Neige. Vor dem Regal mit dem Klopapier steht eine Frau mit ihrer kleinen Tochter. „Ich habe extra keine Hamsterkäufe getätigt, jetzt haben wir kein Klopapier mehr und ich kriege nirgendwo welches“, sagt sie kopfschüttelnd. Sie ärgert sich über die Unvernunft vieler Kunden.

Keine „Hurra-Ferien-Stimmung“

Zum Schulschluss nach der fünften Stunde strömen die Kinder aus der Schule. Doch es herrscht nicht die übliche „Hurra-Ferien-Stimmung“. Die Stimmung ist fast ein bisschen gedrückt. Die Schüler verabschieden sich vor dem Hintergrund, dass sie sich teilweise fünf Wochen lang nicht sehen werden. Eine Schulkameradin von Lukas fragt mich: „Und was macht ihr so in den Corona-Ferien?“ Ich versuche einen Scherz zu machen: „Wegfahren geht wohl kaum... und ihr habt ja auch was zu tun, oder?“

Jeder bekommt sein Aufgabenpaket

Die Schüler haben in der Schule das Aufgabenpaket für die erste Woche in Deutsch bekommen. Mathe und Englisch folgen per Mail am Abend mit Ermutigungen der Lehrerinnen. „Ich wünsche uns allen viel Kraft, Durchhaltevermögen und Geduld in diesen außergewöhnlichen Tagen“, schreibt die Mathelehrerin. Die Aufgaben für die Woche sind klar, eine Lehrerin möchte ein Blatt abfotografiert am Freitag zugeschickt bekommen. Eine andere will versuchen, über Internet im Lauf der Woche mit den Schülern Kontakt aufzunehmen.

Drei Stunden Lernzeit täglich

Ich vereinbare mit Lukas täglich rund drei Stunden Lernzeit morgens von etwa 8 bis 11 Uhr und weise auf die Vorteile hin: „Du kannst morgens länger schlafen und hast weniger Stunden Schule.“ Er stimmt mir halb überzeugt zu. „In der Schule haben wir aber eine Pause“, mosert er. Das lässt sich machen. Motiviert nimmt er sich die Englisch-Aufgaben vor. Einen neuen Text hört er sich auf CD an und liest ihn mir anschließend vor. Dann ist Deutsch dran. „Das Frühlingsgedicht schreibe ich ab, aber dazu etwas malen, mache ich heute nicht!“, sagt er. Also dann morgen und was unter der Woche nicht geht, muss am Wochenende gemacht werden. Zwei Matheblätter sind bald geschafft. Wenn es Fragen gibt, kommt er zu mir. Wir sind dann doch fast den ganzen Vormittag beschäftigt und nerven uns auch manchmal ganz schön an. Denn Zuhause bedeutet für ihn zwar auch Hausaufgaben, aber in erster Linie Entspannung nach der Schule.

An Arbeiten ist nicht zu denken

An Homeoffice ist während des sogenannten Homeschooling kaum oder gar nicht zu denken. Ich kann nicht konzentriert am Stück arbeiten, außer früh morgens, abends oder wenn er ein Computerspiel spielt. Eine Bekannte, der ich das erzähle, möchte mir ein Scherzfoto schicken, auf dem die Kinder gefesselt und geknebelt in der Ecke sitzen, während die Mutter Homeoffice macht. Ich bin froh, dass ich Teilzeit arbeite und derzeit von Zuhause aus arbeiten kann. Ich kann mir die Zeit einteilen und es gibt Kollegen, die im Büro die Stellung halten. Anderen geht das nicht so. Mein Mann ist gerade ebenfalls im Homeoffice, aber wir nutzen das eine Arbeitszimmer gemeinsam und deshalb sitze ich im Wohnzimmer.

Alle müssen mal an die Luft

Mittags trifft sich Lukas mit seinem Freund aus der Nachbarschaft und die beiden gehen inlinern. Mit dem nötigen Abstand, versteht sich. Aber das Kind muss an die Luft. Ich auch. Das Wetter ist wunderbar, die Sonne scheint, alles blüht und grünt, als wäre es ein Frühling wie jeder andere. Ich gehe spazieren, allein, mit meinem Mann oder mit einer Freundin, auch wenn es nur mal für eine halbe Stunde ist, und treffe unterwegs andere Mütter. „Ich muss mindestens einmal am Tag raus“, sagt mir eine.

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Ich bin keine gute Lehrerin

Mir wird an jedem Tag Heimunterricht bewusst, warum ich nicht Lehrerin geworden bin. Mir fehlt in erster Linie die Geduld. Das haben mein Sohn und ich gemeinsam. Ich bin langsamer im Denken und Verstehen als mein Junior und meine eigene Schulzeit liegt fast drei Jahrzehnte zurück. Während ich die Aufgabe lese, präsentiert er mir schon drei mögliche Lösungen. Wir können also beide etwas lernen. Außerdem war Deutsch immer mein Lieblingsfach, seins ist Mathe. Weshalb ich nur schwer verstehen kann, warum Eduard Mörikes Frühlingsgedicht „Er ist‘s“ (“Frühling lässt sein blaues Band/Wieder flattern durch die Lüfte;...“) keine Begeisterung hervorruft. Schon am ersten Tag sagt mir Lukas, dass er jetzt lieber in der Schule wäre. Daran werde ich ihn erinnern, wenn die Schule wieder losgeht.

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Wir schaffen das, irgendwie

Aber es ist eine besondere Situation, wir sind alle noch halbwegs gesund und wir werden das schaffen, irgendwie. Wenn alle sich an die Regeln halten und kreative Möglichkeiten finden, das Arbeits-, Schul- und Sozialleben aufrecht zu erhalten. Gerade hat sich zum Beispiel die Musikschullehrerin per WhatsApp-Videokonferenz gemeldet und macht mit Lukas Unterricht. Eine willkommene Abwechslung, über die wir uns sehr freuen. Außerdem kann man die gemeinsame Zeit ein Stück weit als Familienzeit nutzen. Mir wird immer wieder bewusst, wie kurz der Weg von der Normalität zum Ausnahmezustand war. Um durchzuhalten schaue ich mir ab und zu einen Videovortrag der Psychologin und Motivationstrainerin Vera F. Birkenbihl an, die zu allen Nörglern und Motzern sinngemäß sagte: „Wenn Du etwas daran ändern kannst, mach‘ es, wenn nicht, wechsle das Thema.“