Daniel Schottmüller

Hamidullah Hamidi und Saber Safi verbindet mehr als nur der exotische Klang ihrer Namen. Aus Angst vor dem Krieg in ihrer Heimat sind beide im vergangenen Jahr aus Afghanistan nach Deutschland geflohen. Und beide sind nun seit knapp einem Monat beim Handwerksbetrieb Sauter angestellt. Besucht man die jungen Männer auf ihren jeweiligen Baustellen in der Nordstadt, entdeckt man noch eine weitere Gemeinsamkeit: Die Flüchtlinge sind mit guter Laune bei der Arbeit und voll in ihre Arbeitsgruppen integriert. Kein Zufall, dass Hamidi und Safi darauf bestehen, nicht nur alleine, sondern gemeinsam mit ihren Kollegen für den SÜDKURIER abgelichtet zu werden.

Der 22-jährige Familienvater Saber Safi ist heute beim Innenausbau des Diakonie-Gebäudes im Einsatz. Als Stuckateurs-Gehilfe geht er beim Einbau von Wänden und Fenstern zur Hand. "Hier wird später noch eine Schiene eingebaut", erklärt der junge Mann und deutet auf einen Übergang zwischen Tür und Wand. Safi stammt aus Kundus. Schon vor seiner Flucht hat er auf dem Bau gearbeitet. "Ungefähr ein halbes Jahr lang", sagt der Mann mit den dunkelbraunen Locken in beinahe akzent- und fehlerfreiem Deutsch. Die Möglichkeiten seien aber begrenzter gewesen. Allein während seiner kurzen Zeit bei Sauter habe er bereits mit 50 unterschiedlichen Arbeitsmaterialien zu tun gehabt. "In Afghanistan waren es nur zwei", sagt er und lacht.

Safis Arbeitstag startet morgens um 6.30 Uhr und endet um 16.30 Uhr. Danach fährt er auf einem Fahrrad zurück in die Gemeinschaftsunterkunft, wo er mit seinem Bruder, seiner Frau und den kleinen Töchtern Nahal (4) und Yasaman (1) als eine von acht Flüchtlingsfamilien untergebracht ist. Im Moment sei die Stimmung dort aber etwas bedrückt. "Die Taliban sind vor wenigen Tagen nach Kundus vorgedrungen." Seitdem hat Saber Safi nichts mehr von seiner Familie in Afghanistan gehört. "Ich habe große Sorgen." In solchen Momenten hilft es dem 22-Jährigen, sich bei der Arbeit abzulenken oder abends mit seiner ältesten Tochter Deutsch zu üben.

Einen weiteren Deutsch-Schüler hat er in Hamidullah Hamidi. Der drahtige 29-Jährige, der heute beim Streichen eines Hauses Am Posthalterswäldle hilft, tut sich noch schwerer mit der neuen Sprache – Englisch liegt ihm eher. Hamidi hat eine lange Flucht hinter sich. Von Kabul aus wählte er den gefahrenreichen Weg über die Balkanroute. Mal sei er mit dem Bus unterwegs gewesen, mal mit dem Taxi – die überwiegende Zeit aber zu Fuß. "Oft konnte ich tagelang nichts essen und trinken", blickt er zurück. Nun ist Hamidi froh, in Singen zu sein: "Eine sehr schöne Stadt."

Dass sich Hamidi und Safi hier am Arbeitsleben beteiligen können, hat Ulrike Sauter-Steidle möglich gemacht. Sie kümmerte sich um einen Großteil des bürokratischen Aufwands im Zusammenhang mit der Anstellung der Afghanen. Sauter-Steidle vermittelte ihnen zunächst ein einmonatiges Praktikum, anschließend eine einjährige Anstellung. "Ich war überrascht, wie zuvorkommend uns die Ämter begegnet sind", freut sich die Frau von Geschäftsführer Josef Steidle. "Von der Krankenkasse bis zum Finanzamt, jeder hat geschaut, dass die Männer schnell ihre Arbeit aufnehmen können." Sie hofft, dass ihre neuen Mitarbeiter möglichst lange bleiben dürfen. "Sie sind nicht nur fleißig, man kann sich auch sehr gut mit ihnen austauschen, selbst über so persönliche Themen wie Religion und Glaube." Sauter-Steidle findet es nicht ungewöhnlich, dass es unter den nach Deutschland Geflohenen viele fähige Arbeitskräfte gibt. "Wir sind in unserem Betrieb schon länger auf ausländische Mitarbeiter angewiesen. Nur wenige Deutsche wollen heute noch auf dem Bau arbeiten."

Safi und Hamidi sind stolz darauf, etwas beitragen zu können. Und sie wissen die Hilfe, die sie bisher erhalten haben zu schätzen. "Besonders die Kollegen sind sehr freundlich", betont Safi. "Man hilft uns." Am dankbarsten ist er dafür, etwas dazulernen zu dürfen. "In Afghanistan konnte ich nicht zur Schule gehen." Seit er angekommen ist, hat er nicht nur die deutsche Sprache, sondern überhaupt erst Lesen und Schreiben gelernt. Wenn alles klappt, wird er diesen stetigen Lernprozess gemeinsam mit seinem Freund Hamidullah bereits im kommenden Jahr im Rahmen einer Ausbildung fortsetzen.

Vom Flüchtling zum Auszubildenden

  • Bedingungen einer Einstellung: Hamidullah Hamidi und Saber Safi wollen nach Ablauf ihres Einjahres-Vertrags eine Ausbildung in ihrem Betrieb beginnen. Walter Nägele, Pressesprecher der Konstanzer Agentur für Arbeit, erklärt, unter welchen Bedingungen ein Flüchtling als Azubi eingestellt werden kann: "Ab seinem vierten Monat in Deutschland kann ein Flüchtling Arbeit aufnehmen, beziehungsweise einen Ausbildungsplatz annehmen." Seit August sei dies möglich: „Das wurde in der letzten Bundesratssitzung vor der Sommerpause im Rahmen des neuen Integrationsgesetzes verabschiedet."
  • Voraussetzungen seitens des Arbeitgebers: Er muss eine Arbeitserlaubnis für den künftigen Mitarbeiter beantragen. Der bürokratische Aufwand ist aber überschaubar: „Es handelt sich lediglich um ein DIN A4 Blatt, das auszufüllen ist." Nach Eingang des Formschreibens prüft die Agentur dann, ob der Flüchtling tatsächlich tarif– oder ortsüblich bezahlt wird. Im Gegensatz zur Vergangenheit, wo sichergestellt werden musste, dass kein gleichqualifizierter inländischer Bewerber Interesse an der jeweiligen Stelle hat, wird die sogenannte Vorrangprüfung für die nächsten drei Jahre ausgesetzt. Arbeitgebern, die trotzdem noch unsicher sind, ob sie Flüchtlinge einstellen sollen, möchte Nägele Mut machen: „Wer einmal einen Ausbildungsvertrag unterschrieben hat, wird nicht abgeschoben."
  • 3+2 Regelung: Ein Auszubildender hat Anspruch auf die Beendigung seiner Ausbildung und anschließende zwei Jahre im Betrieb. Nägele freut sich, dass in den ersten drei Quartalen diesen Jahres in den Landkreisen Konstanz, Ravensburg und Bodensee insgesamt bereits 2000 Anträge auf Arbeitserlaubnis bei der Agentur für Arbeit eingegangen sind.