In einer Woche versammeln sich jugendliche und erwachsene Klimaschützer wieder um 13.30 Uhr am Karstadtgebäude. Sie wollen die Politik aufrütteln, Entscheidungsträger zum Handeln bewegen. Dabei geht es den Demonstranten der Fridays-for-Future-Bewegung aber nicht nur um Entscheidungen auf globaler Ebene. Auch vor Ort muss mehr getan werden, finden Amina Trautmann und Matti Pelz von Fridays for Future Singen. Die im Klimaschutzkonzept der Stadt festgehaltenen Ziele reichen ihnen nicht aus.

Inspiriert von der Konstanzer Ortsgruppe haben die Aktivisten deshalb zusammen mit Umweltexperten von BUND und Solarcomplex ein in vier thematische Blöcke unterteiltes Forderungspapier erstellt und den Fraktionen des Gemeinderats übergeben. Bis jetzt haben diese noch nicht öffentlich Stellung bezogen. Auf Nachfrage des SÜDKURIER kündigten die Fraktionen an, sich Ende November ausführlich zu den Klimaschutzzielen der Aktivisten zu äußern.

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Punkt 1: Struktur

Eineinhalb Monat ist es her, dass sich die Fridays-for-Future-Ortsgruppe mit konkreten Forderungen an den Singener Gemeinderat gewendet hat. Bei der Abschlusskundgebung ihrer Klima-Aktionswoche Week4Climate verlasen die Schüler am 27. September Klimaschutz-Ziele, die sie sich für ihre Heimatstadt gesetzt haben. „Wir haben unsere Forderungen in vier Kategorien unterteilt“, erklärt Amina Trautmann: „Struktur, Energieversorgung, Stadtplanung und Mobilität.“

Bild 1: Fridays for Future fordert Veränderungen: Klimaschützer schnüren ein Maßnahmenpaket für den Singener Gemeinderat
Bild: Tesche, Sabine

Die umfassendste Maßnahme, die die Aktivisten einfordern, haben sie mit dem Wort „Struktur“ überschrieben. Darunter heißt es, dass alle an den Gemeinderat gerichteten Beschlussvorlagen künftig hinsichtlich ihrer Klimaverträglichkeit zu bewerten seien. Vornehmen soll diese Bewertung ein in Vollzeit beschäftigter Klimaschutzmanager – als die Jugendlichen ihre Ziele formulierten, war diese Stelle vakant.

Angelehnt ist die Forderung an den Klimanotstand, den der Gemeinderat Konstanz im Mai ausgerufen hat. „In Singen hat man daraufhin eine Klimaresolution verabschiedet“, erklärt Matti Pelz. Seine Kritik: „Eine solche Resolution ist nicht verbindlich und kann im Zweifel auch einfach ignoriert werden.“

Punkt 2: Energieversorgung

„Wir wollen Erneuerbare in die Stadt bringen“, sagt Amina Trautmann. Geht es nach den Aktivisten, dann wird die Energieversorgung bis 2035 komplett durch Erneuerbare gedeckt. Noch sei der Anteil von Ökostrom in Singen aber vergleichsweise gering, ergänzt Matti Pelz. Bei einer Recherche auf der städtischen Homepage sei er auf die Information gestoßen, dass der Ökostrom-Anteil 2013 bei drei bis fünf Prozent lag. „Ehrlich gesagt, würde mich wundern, wenn sich das seitdem signifikant geändert hätte“, sagt der Schüler.

Fridays for Future regt an, dass die Stadt bei Neubauten auf den Einsatz von Solarthermie oder Photovoltaikanlagen besteht. Sollte es nicht möglich sein, entsprechende Anlagen zu installieren, sei die Eignung auf eine Dachflächenbegrünung zu prüfen, heißt es in dem Forderungspapier weiter. „Nach Möglichkeit gilt das Gleiche auch für bestehende Bauten“, fährt Amina Trautmann fort. Verbesserungspotenzial beobachten die Jugendlichen quasi vor der eigenen Haustür: „Am Hegau-Gymnasium setzen wir uns für eine Dachbegrünung des Anbaus ein“, berichten die Schüler.

Punkt 3: Stadtplanung

„Alle Neubauten sind in Holzbauweise herzustellen beziehungsweise mit einem Mindestanteil von 75 Prozent Recycling-Beton“, schreiben die Aktivisten in ihrem Forderungspapier. Warum? „Herstellung und Einbau von Beton machen sieben Prozent des weltweiten CO2-Ausstoßes aus“, erklärt Matti Pelz. Eine weitere Forderung: Neubauten sollen dahingehend geprüft werden, ob sie sich für eine Fassadenbegrünung eignen. „Eine Fassadenbegrünung bindet Stickstoffe und wirkt sich positiv auf die Luftqualität aus“, ist Matti Pelz überzeugt. Er verweist auf entsprechende Pilotprojekte in Paris.

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Mehr Grün soll es aber nicht nur an den Wänden geben. Bis 2025 mindestens 50 Prozent der oberirdischen Parkplätze so umzufunktionieren, dass sie als insektenfreundliche Grünflächen oder Radabstellflächen dienen können, ist ein weiteres Ziel der Aktivisten. Nach 2025 wollen sie, dass überhaupt keine oberirdischen Parkplätze mehr gebaut werden. In der Zwischenzeit fordern die Klimaschützer, jeweils für je drei ober- oder unterirdisch neu gebaute Parkplätze einen Baum im Stadtgebiet zu pflanzen.

Punkt 4: Mobilität

Fridays for Future Singen fordert, dass eine Einzelfahrt mit dem Stadtbus ab Ende 2020 nicht mehr als einen Euro kostet. Die Aktivisten setzen sich weiterhin für einen städtischen 15-Minuten-Takt ab 2020 ein. In den Ortsteilen sollen die Busse im 30-Minuten-Takt verkehren. Im Forderungspapier ist auch von Schnellbuslinien und einer abgestimmten Taktung mit der Bahn die Rede.

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„Aber natürlich ist man mit dem Fahrrad immer noch unabhängiger als mit dem Bus“, betont Amina Trautmann. Die Jugendlichen fordern, dass die Stadt Einbahnstraßen für den gegenspurigen Radverkehr öffnet. Zudem soll eine komfortable Kombination von ÖPNV und Radverkehr ermöglicht werden. Die Jugendlichen fordern die Stadt auf, Mängel an Radwegen systematisch zu erfassen und zu beseitigen. Auf lange Sicht wünschen sie sich einen CO2-freien Antrieb bei Stadtbussen und Taxen sowie ab 2025 eine autofreie Innenstadt.

Bild 2: Fridays for Future fordert Veränderungen: Klimaschützer schnüren ein Maßnahmenpaket für den Singener Gemeinderat
Bild: Tesche, Sabine

Wie es jetzt weitergeht

Wie die Gemeinderats-Fraktionen auf die Forderungen der Aktivisten reagieren, erfahren Sie im Dezember beim SÜDKURIER. Die Forderungen zum Nachlesen finden Sie unter: http://www.fffsingen.de