Sandra Bossenmaier

Es war ein Zeichen des Friedens zwischen Frankreich und Deutschland, als am 11. August 1968 im Singener Rathaus der Freundschaftsvertrag von den damaligen Stadtoberhäuptern, dem Singener Oberbürgermeister Theopont Diez und dem Bürgermeister von La Ciotat, Jean Graille, unterzeichnet wurde. Die Städtepartnerschaft zwischen Singen und La Ciotat war offiziell besiegelt.

Theopont Diez hatte die Bürger zuvor aufgerufen, sich vor dem Rathaus zu versammeln. „Damit leisten wir einen wichtigen Beitrag für die Verständigung der Völker“, so der damalige Wortlaut. Nach Unterzeichnung des Vertrages verlasen die Bürgermeister laut die Urkunden vom Balkon des Rathauses. Rund 1000 Singener Bürger hatten sich hierfür versammelt.

Eine, die sich von Beginn an für gute Beziehungen zwischen den beiden Städten einsetzte, ist Heidi Lorenz-Schäufele aus Singen. Sie besuchte La Ciotat viele Male. Wie oft, kann sie gar nicht genau sagen. Bereits im Jahr 1968 begleitete sie den ersten Jugendaustausch. Sie kennt das französische Städtchen sowie die örtlichen Gegebenheiten sehr gut und pflegt enge Freundschaften dorthin.

Im April 2018 besuchte in Begleitung einer kleinen Delegation eine Ballettgruppe aus La Ciotat in Südfrankreich die Partnerstadt Singen. ...
Im April 2018 besuchte in Begleitung einer kleinen Delegation eine Ballettgruppe aus La Ciotat in Südfrankreich die Partnerstadt Singen. Das Erinnerungsbild entstand im Singener Bürgersaal. | Bild: Stadt Singen

Heidi Lorenz-Schäufele beschreibt die Kontakte zwischen den Franzosen und den Deutschen von Anfang an als sehr freundschaftlich. „Beide Seiten hatten den starken Willen, das Geschehene hinter sich zu bringen“, berichtet sie.

In den 60er-Jahren gab es viele neue Verschwisterungen zwischen deutschen und französischen Städten. Ziel war es, die Aussöhnung zwischen den früheren Kriegsgegnern zu besiegeln und die unschöne Vergangenheit hinter sich zu lassen.

Zwei Jahre vor der offiziellen Besiegelung der Freundschaft zwischen den Städten waren die ersten Kontakte untereinander geknüpft worden. Etliche Bürgermeister aus Frankreich hatten auf ihrer Reise zu einer Tagung in Salzburg Halt in der Hohentwielgaststätte in Singen gemacht. Bewusst hatten sich französischsprechende Singener Stadträte zu einem Treffen dorthin begeben, um die ersten Kontakte zu knüpfen. Diese führten dann zu einer lang andauernden, tiefen Freundschaft, die intensiv gepflegt wurde.

Auch heute noch eine stabile Partnerschaft

Seit zwischenzeitlich 50 Jahren besteht die Partnerschaft zwischen den Städten Singen und La Ciotat, einer Stadt in Südfrankreich mit etwa 32 000 Einwohnern.

Dieses Jubiläum wird gefeiert. Da die hierfür anreisende Delegation aus La Ciotat gerne die Sichelhenke in Bohlingen besuchen möchte, wurde der Festzeitraum terminlich auf diese Veranstaltung ausgerichtet.

Die ursprünglichen Beweggründe zur Zeit der Gründung der deutsch-französischen Städtepartnerschaft scheinen in den Hintergrund gerückt zu sein. Auch wenn damals das Kriegsende bereits etliche Jahre zurück lag, konnten sich noch viele schmerzlich an diese Zeit erinnern. Ganz bewusst sollten zwischen Frankreich und Deutschland, ehemals langjährige Kriegsgegner, freundschaftliche Beziehungen aufgebaut werden.

Heute ist der Europagedanke für ein vereintes und friedvolles Europa in den Vordergrund gerückt. „Der europäische Gedanke spielt eine große Rolle in unserem Umfeld und jeder hat den Wunsch, dass die Freundschaft bleibt und auch in der Politik Rückhalt findet“, so Charlotte Villinger-Ménétré. Gemeinsam mit Wilfried Paul ist sie die Partnerschaftsbeauftragte der Stadt Singen.

Seit 35 Jahren pflegt Villinger-Ménétré die Freundschaft mit La Ciotat. Immer wieder betreute sie mit ihrem Ehemann Jugendliche während eines Austausches. Sie lernten in dieser Zeit viele Franzosen kennen, die gerne mit den Deutschen zusammenarbeiten oder auch feiern – in Singen wie auch in La Ciotat.

Die entstandenen Freundschaften und Beziehungen beschreibt die Partnerschaftsbeauftragte als unkompliziert und sehr herzlich. Die Beziehung zwischen den Städten sei in den vergangenen 50 Jahren gewachsen. Lediglich die Sprachbarriere sei manchmal eine Hemmschwelle. Auch beschreibt Villinger-Ménétré die Beziehung zwischen den Beteiligten beiderseits durchweg unbelastet von Vorurteilen.

„Möge dieser Bund für alle Zeit befestigt und gesegnet sein“, so steht es in der Freundschaftsurkunde, welche vor einem halben Jahrhundert von den damaligen Stadtoberhäupten Theopont Diez und Jean Graille unterzeichnet worden war. Auch heute werden die freundschaftlichen Beziehungen gepflegt. Zeichen davon sind rege Kontakte zwischen den Stadtverwaltungen, Schulpartnerschaften oder auch Beziehungen zwischen kulturellen Organisationen und Vereinen. So sind beispielsweise die Feuerwehren der beiden Städte verbunden. Ein anderes schönes Beispiel der guten Beziehungen sind Schüler der Hotelfachschule in La Ciotat, die ein dreiwöchiges Praktikum in einem Hotel in Bohlingen absolvierten.

Nach wie vor können beide Seiten voneinander profitieren. Besonders Jugendliche können bei einem klassischen Schüleraustausch gewinnen. Wenn auch junge Menschen heute mehr Möglichkeiten haben als früher, ins Ausland zu reisen, erhält man bei einem Austausch einen authentischen Einblick in den Alltag der Gastgeber. (bos)