Sabine Tesche und Daniel Schottmüller

Es war ein besonderer Vormittag. Nicht nur für die zahlreichen Singener, die der Einladung der Hindugemeinde gefolgt waren. Auch dem Präsidenten von Singen Vinayagar, Darma Vivekachandran, war die Aufregung deutlich anzusehen.

Kein Wunder: Für viele der derzeit rund 200 Gemeindemitglieder wird es vermutlich das erste und letzte Mal sein, dass sie miterleben, wie ein neuer Tempel entsteht. Damit die Wände des Gebäudes an der Schaffhauser Straße Meter für Meter in die Höhe wachsen können, musste aber zunächst einmal der Grundstein gelegt werden.

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Ein weiterer Grund für die strahlenden Gesichter in dem weiß-roten Zelt, das die Hindus für diesen symbolischen Akt errichtet hatten: Priester Somaskantha Kurukkal war aus dem fernen London angereist, um die zeremonielle Grundsteinlegung zu begleiten. Ein entscheidender Bestandteil der Feierlichkeiten, die der Priester mit Shantirakantha Kurukkal – er ist der Geistliche, der die Freitagsgottesdienste von Singen Vinayagar leitet – gestaltete, war das Füllen des Grundsteins.

Kuhdung für den Grundstein

Auf den in Deutschland üblichen Brauch, über sogenannte Zeitkapseln, Dokumente, Zeitungen oder Geldmünzen in das Fundament des zu errichtenden Gebäudes einzulassen, verzichteten die beiden Priester. Stattdessen wurde der Grundstein mit Kräutern, Muscheln und dem Dung der für Hindus heiligen Kuh gefüllt. Das dürfte selbst für Singens Oberbürgermeister Bernd Häusler und den Bürgermeister von Gottmadingen, Michael Klinger, – berufsbedingt ja echte Experten in Sachen Einweihungen, Spatenstichen und Grundsteinlegungen – eine spannende neue Erfahrung gewesen sein.

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Zum sichtlichen Vergnügen der etwa 300 Anwesenden im Festzelt durften sich die Ehrengäste anschließend noch bunte Tücher und Blumenketten überwerfen, die ihnen von den Mitgliedern der Hindugemeinde gereicht wurden.

Gottmadingens Bürgermeister Michael Klinger und der Oberbürgermeister von Singen Bernd Häusler (obere Reihe, Zweiter und Dritter von ...
Gottmadingens Bürgermeister Michael Klinger und der Oberbürgermeister von Singen Bernd Häusler (obere Reihe, Zweiter und Dritter von links) werden in die Feierlichkeiten einbezogen. | Bild: Tesche, Sabine

„Ich freue mich, dass die Gemeinde in Singen bleiben kann“, sagte Oberbürgermeister Häusler, der Anfang des Jahres den Kontakt zwischen Grundstückeigentümer Joachim Schwarz und den Hindus hergestellt hatte.

Grüße an den SÜDKURIER

Da Joachim Schwarz erst über einen entsprechenden Artikel auf die zu diesem Zeitpunkt drei Jahre andauernde Tempelsuche (siehe Erklärstück unten) von Singen Vinayagar aufmerksam geworden war, schloss Gemeindepräsident Vivekachandran auch den SÜDKURIER in seine Dankesrede mit ein. „Bald bekommt unsere Gemeinde eine echte Heimat“, freute er sich.

Der für die Bauarbeiten nötige Schotter liegt schon bereit, die 350 Quadratmeter große Tempelhalle sei bestellt, berichtete Vivekachandran. „Ab Januar geht es für uns richtig los.“. Bis auf Sanitär und Elektrik plant die Gemeinde, den Innenausbau eigenhändig vorzunehmen.

Eine Gemeinde auf Herbergssuche: Singen Vinayagars steiniger Weg zum eigenen Tempel

  • Die Gemeinde: Singen Vinayagar besteht aus rund 200 Mitgliedern. Die meisten von ihnen haben Wurzeln in Südindien und Sri Lanka, leben aber bereits in zweiter oder dritter Generation in Deutschland. Für ihre Freitagsgottesdienste nehmen die Gemeindemitglieder zum Teil weite Wege auf sich – sie wohnen nicht nur im Hegau, sondern auch in Stockach, Radolfzell, auf dem Bodanrück, im Schwarzwald und der Schweiz. Der Grund: Der nächstgelegene Hindutempel befindet sich erst wieder in Stuttgart.
  • Gottesdienst an den Gleisen: 20 Jahre lang war die Hindugemeinde in 70 Quadratmeter großen Räumlichkeiten nahe des Gleis 1 am Singener Bahnhof untergebracht. Der Vermieter, die Deutsche Bahn, ließ aber bereits vor einigen Jahren verlauten, das Gebäude im Zuge des Cano-Neubaus und der damit verbundenen Arbeiten am Bahnhofsvorplatz abreißen zu wollen.
  • Die Suche beginnt: Die nächsten drei Jahre suchte die Gemeinde nach einem neuen Standort. Sie wurde dabei zwar von katholischen Kirchengemeinden unterstützt, doch sowohl der Engener als auch der Singener Gemeinderat lehnten Gesuche der Gemeinde für die Errichtung eines Gebetshauses ab. Auch in Stockach, Radolfzell und Tuttlingen gelang es den Hindus nicht, ein geeignetes Gebäude oder einen Bauplatz zu finden.
  • Ende der Odyssee: Nachdem der SÜDKURIER auf die Herbergssuche der Hindus aufmerksam gemacht hatte, nahm Joachim Schwarz über OB Bernd Häusler Kontakt zur Gemeinde auf. Er bot Singen Vinayagar an, in der Nähe des Waldfriedhofs ein Grundstück in direkter Nachbarschaft zu seiner Firma zu erwerben. Zum Preis von 250.000 Euro erwarb die Gemeinde das Gelände, auf dem in den kommenden Monaten der Tempel gebaut wird.