Her Maué, Dritt- und Viertklässler der Scheffelschule in Rielasingen nahmen am Präventionsprojekt „Mein Körper gehört mir!“ teil. Sind Grundschüler nicht noch zu jung für Themen wie sexualisierte Gewalt, müssen Kinder in diesem Alter schon Berührung zu solchen Themen haben?

Die Antwort ist eindeutig Ja. Wir wollen einen Schutz für Kinder aufbauen, sodass sie gestärkt durchs Leben gehen. Dafür werden schwierige Themen altersgerecht benannt, damit die Kinder sensibilisiert werden. Und die Kinder lernen dabei, dass sie ihrem Bauchgefühl vertrauen können. Wenn es dort ein Nein-Gefühl gibt, wissen die Kinder, dass etwas nicht stimmt.

Welches Verhalten wird den Kindern empfohlen, wenn sie in eine für sie unangenehme Situation geraten?

Wenn die Kinder auf nur eine der folgenden Fragen: „Habe ich ein Ja-Gefühl?“, „Weiß jemand wo ich bin?“ oder „Bekomme ich Hilfe, wenn ich diese brauche?“ mit Nein beantworten müssen, dann stimmt was nicht und sie müssen sich an vertraute Erwachsene wenden. Oft sind das die Eltern oder auch die Schulsozialarbeiter. Wir raten Kindern immer, in Risikosituationen die Dinge nicht alleine zu lösen. Wir sagen ihnen immer: Verliert keine Zeit, geht aus der Situation raus und holt Hilfe von einer Person, der ihr vertraut.

Wo sehen Sie Ihre Aufgabe als Schulsozialarbeiter in der Präventionsarbeit gegen sexualisierte Gewalt gegenüber Kindern?

Keine Prävention ist eine schlechte Strategie. Und das würde eher Täter als Kinder unterstützen. Wenn ich Bildung anbiete, schaffe ich Wissen und Wissen schafft Schutz. Durch die Kraft der Prävention, der Bildung und des Wissens können Kinder eine eigene Sensibilität aufbauen. Und wie bereits gesagt, Kinder haben ein gutes Gespür dafür, wer sie begleiten kann. Wir sensibilisieren Kinder darauf, immer Erwachsene anzusprechen, wenn sie sich in einer komischen Situation befinden. Das Thema sexueller Übergriffe ist ein Tabuthema in unserer Gesellschaft und altersunabhängig. Da gibt es Berührungsängste von Kindern wie auch von Eltern. Wir versuchen, die Sorgen und Ängste über solche Themen zu sprechen, abzubauen.

Wie können Sie den Schülern die Hemmungen nehmen und diese über Gefahren aufklären?

Wenn ich in die Klassen komme und die Jungen und Mädchen über sexuelle Bildung unterrichte ist das meist ein Thema, das ein Schamgefühl auslöst und die Kinder wollen dies gar nicht hören. Aber wenn die Kinder merken, dass man diese Themen altersgerecht und ganz unaufgeregt angehen kann, haben sie oft ganz viele Fragen und entwickeln eine Aufgeschlossenheit. Und genau das möchte ich erreichen.

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Zurück zum Theaterprojekt, bei dem es um Prävention und nicht um akute Gefährdungen oder Missbräuche ging. Was wurde den Kindern vorgetragen?

In unterschiedlichen Szenen wurden Risikosituationen dargestellt und interaktiv, also gemeinsam mit den Kindern, nach guten Lösungen gesucht. Ein Beispiel war das Cyber-Grooming. Die Kinder lernten, dass nicht jeder Chatpartner im Internet, derjenige ist, für den er sich ausgibt. Kinder kommen immer eher an internetfähige Endgeräte. Die dort möglichen Gefahren können von Kindern nicht vorhergesehen werden. Hier braucht es Aufklärung.

Maria Vrijdaghs und Philipp Nägele haben das Präventionsprogramm „Mein Körper gehört mir“, um Kinder zum Thema sexueller ...
Maria Vrijdaghs und Philipp Nägele haben das Präventionsprogramm „Mein Körper gehört mir“, um Kinder zum Thema sexueller Missbrauch zu sensibilisieren, auch schon in Singen gezeigt. | Bild: Jens Sikeler

Welche Rolle spielen Eltern bei diesen heiklen Themen?

Auch die Eltern sind aufgerufen, ihre Kinder zu begleiten, aufzuklären und zu sensibilisieren. Im Vorfeld wurden die Eltern an einem Elternabend über das Theaterprojekt informiert. So können die Eltern ihren Kindern Antworten auf deren Fragen geben. Ich rate Eltern grundsätzlich immer, sich exklusive Zeitfenster für ihre Kinder zu nehmen. Eltern sollten mit den Kindern über die Themen reden, welche sie beschäftigen. Und das geht nicht zwischen kochen und Geschirrspülmaschine ausräumen. Eltern dürfen es als Wertschätzung und Riesenkompliment empfinden, wenn sich die Kinder mit ihren Fragen an sie wenden.

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Wie erlebten Sie die Kinder bei den Theatermodulen?

Es war sehr spannend, die Kinder dabei zu erleben. Ich saß bei jeder Klasse im Publikum. Die Kinder nahmen jede Silbe der Darsteller auf. Klar gab es auch mal Gekicher, wenn Geschlechtsteile benannt wurden. Das ist für die Kinder ja auch komisch. Aber die Situation kippte nicht, sondern erlebte eine Normalisierung. Und das wollten wir erreichen. Denn schwierige Themen müssen vernünftig benannt werden.