Im letzten Jahr musste das Stück auf Eis gelegt werden, jetzt konnten die Radolfzeller Laienschauspieler von „Die Kulissenschieber“ wieder zurück auf die Bühne. Im Kulturpunkt Arlen spielten sie die Theaterkomödie „Gretchen 89ff“ von Lutz Hübner. Dabei geht es um die Kästchenszene aus Goethes Faust.
Die Kulissenschieber schlüpften dafür in neun Szenen in die Rollen völlig überzogener Charaktere von Regisseuren und Schauspielern und unterhielten damit das Publikum auf humorvolle Weise. Die Zuschauer bedankten sich mit anhaltendem Applaus und anerkennendem Lachen.
Eine Szene, ganz unterschiedliche Interpretationen
Die Kästchenszene aus dem Reclamheft Seite 89 folgende wird von den Akteuren auf der Bühne neunmal ganz unterschiedlich interpretiert. Dabei geht es nicht nur um die Faust-Szene alleine, sondern die Schauspieler setzen auf der Bühne eine fiktive Probe für das Stück in Szene. Es geht also eher um das Wirken zwischen Regisseur und Schauspielern, das hier auf verschiedene Weise zum Ausdruck kommt.
Auf der Bühne stehen dabei etwa schrullige Theaterleute, einer davon neigt zu Fettleibigkeit und Bluthochdruck, oder eine exzentrische Diva. Eine Interpretation handelt auch von einer Dramaturgin, die im Theater ihren Traum von einem Projekt mit arbeitslosen Schauspielern umsetzen möchte.

Oder von einem alten Haudegen mit wenig interessanten Anekdoten aus seinem Berufsleben. Dabei entstehen neun ganz unterschiedliche Situationen, obwohl doch alle dieselbe Vorlage haben. Es sind tiefgehende Macken und künstlerische Eigenheiten, welche hemmungslos bei den dargestellten Proben ausgelebt werden.
Akteure und Details
In der Szene kommt das Gretchen nach Hause und findet ein Kästchen voller Schmuck, das zuvor von Faust und dem Teufel Mephisto hinterlegt worden war. Kennen muss man für „Gretchen 89ff“ weder Goethes Faust noch die Kästchenszene. Im Mittelpunkt steht das Agieren von Regisseur und Schauspieler.
Ganz so überzogen wie im Stück dargestellt seien die Proben bei den Kulissenschiebern aber nicht, versichert Ursula Taaks. Aber ihre eigenen Emotionen einzubringen sei ihr schon wichtig. Und es sei spannend zu sehen, wie jeder der Schauspieler diese Emotionen unterschiedlich auf der Bühne wiedergeben könne.

Eine viel zu lange Zeit ohne Theater liegt hinter den Kulissenschiebern. Wegen der Pandemie gab es im letzten Jahr keine Aufführungen. Die Regisseurin Ursula Taaks hatte sich bewusst für die Komödie von Lutz Hübner entschieden. Es befinden sich immer nur drei Schauspieler gleichzeitig auf der Bühne und immer ist ein sicherer Abstand gewährt.
In keiner Szene müssen sich die Schauspieler nahe kommen. Und doch war es der Pandemie geschuldet, dass die Kulissenschieber dem Publikum bis jetzt nicht ihr Können zeigen konnten. Umso schöner, dass es jetzt wieder möglich war.
Masken beeinträchtigen Theatergenuss nicht
Auch wenn der Saal des Kulturpunktes Arlen nur zur Hälfte besetzt werden durfte, war es ein stimmungsvoller Theaterabend. Das Publikum ließ sich die Freude an der Darbietung von den Gesichtsmasken und der nötigen Auflagen nicht nehmen.
Durch die Proben auf der Bühne führte der Conférencier, ein humorvoller Ansager, Michael Bingeser. Er erkannte in dem Publikum gleich zu Beginn der Aufführung Liebhaber des anspruchsvollen Boulevardtheaters – und er sollte recht behalten. „Jede Aufführung ist ein neues Geschenk für uns“, so Ursula Taaks.
