Frau Meßmer, in Deutschland findet ein demografischer Wandel statt. Während die Geburtenrate sinkt, steigt die Lebenserwartung. Wie wirkt sich dieser Trend auf Ihre Einrichtung aus: Steigt die Nachfrage nach Pflegeplätzen?
Die demografische Entwicklung ist auf jeden Fall spürbar. Am meisten merkt man es in der Sozialstation. Da haben wir mittlerweile innerhalb der Seelsorgeeinheit knapp 300 Patienten. Den Wandel merken wir also deutlich.
Also gibt es lange Wartelisten?
Unsere Warteliste generiert sich primär aus den Bürgern aus dem Bereich der Seelsorgeeinheit Aachtal. Ein weiterer Punkt ist die Frage, ob Angehörige hier wohnen. Erst im dritten Schritt werden Anfragen von auswärts berücksichtigt, weil die Listen sonst gar kein Ende nähmen. Trotzdem kann es schon mal Wochen und Monate dauern, bis ein Platz frei wird. Oft nehmen wir ja auch Menschen in Akutsituationen auf, zum Beispiel Patienten, die aus dem Krankenhaus entlassen werden und nicht gleich nach Hause können, weil sie erst einmal eine Erholungsphase brauchen. Manchmal bleiben sie dann auch, das variiert. So verschieden wie die Menschen sind, so verschieden sind die Anforderungen.
Diesen Anforderungen gerecht zu werden, ist keine einfache Aufgabe – vor allem, wenn es immer weniger Fachkräfte im Pflegebereich gibt. Ist der Pflegenotstand auch im Hegau ein Problem?
Ja, das ist definitiv eine große Herausforderung. Wir sind im Moment gut unterwegs, aber das kann sich natürlich auch schnell ändern, zum Beispiel wenn Mitarbeiter krank werden oder durch Schwangerschaften. Im Moment sind unsere Stellen Gott sei Dank besetzt. Aber wir tun auch sehr viel dafür.
Vor allem im Bereich Ausbildung?
Ja, wir haben in der Regel zwischen elf und 14 Auszubildende. Das macht schon viel aus, wenn man jedes Jahr drei oder vier Absolventen hat. Allerdings könnten wir noch mehr Freiwilligendienstler brauchen. Was uns ganz gut gelingt, ist, dass wir im Rahmen des Wegebau-Programms (Weiterbildung geringqualifizierter und beschäftigter älterer Arbeitnehmer in Unternehmen) Menschen den Zugang zum Beruf ermöglichen. Das ist für beide Seiten super. Wenn man um die 40 ist, die Kinder bald aus dem Haus sind und man aber noch bis 67 arbeiten muss, dann lohnt es sich, noch eine Ausbildung zu machen. Und solche Einrichtungen wie unsere bestehen ja nicht nur aus Pflegepersonal. Auch in der Küche, Haustechnik, Verwaltung oder Hauswirtschaft müssen viele Stellen besetzt werden – was wäre die Pflege ohne diese Bereiche? Deswegen arbeiten bei uns 260 Menschen, umgerechnet sind das 125 Vollzeitstellen.
In den vergangenen Jahren waren sicher auch vermehrt ausländische Fachkräfte oder Auszubildende dabei, oder?
Ja, das stimmt. Aber das machen wir auch gezielt. Ich glaube, wir haben im Moment Mitarbeiter aus 22 verschiedenen Nationen und insgesamt sicher zwischen 30 und 40 Angestellte mit Migrationshintergrund. Das ginge auch gar nicht anders, das sind extrem wichtige und wertvolle Mitarbeiter. Natürlich ist es auch anspruchsvoll für unsere Praxisanleiter – in sprachlicher und kultureller Hinsicht. Aber ich denke, dass es kaum etwas gibt, was man nicht machen muss, um den Beruf interessant zu machen und ein guter Arbeitgeber zu sein. Auch wenn die Rahmenbedingungen nicht immer ideal sind.
Welche Rahmenbedingungen meinen Sie genau?
Wir haben bei der Caritas gute Tarifsysteme und ich finde es sehr wichtig, dass jeder Mitarbeiter gut bezahlt wird – das haben die Leute verdient. Allerdings erhöhen sich die Beiträge von der Pflegeversicherung im Pflegeheim nicht, sodass Sachkosten- und Personalkostenerhöhungen derzeit nur zu Lasten der Bewohner gehen. Die Entwicklung ist nicht gut, da müsste das System mal auf den Kopf gestellt werden.
Trotz aller Herausforderungen üben Sie diesen Beruf ja nun schon sehr lange aus – was macht Ihnen besonders viel Spaß an Ihrer Arbeit?
Es ist sehr vielseitig und die Aufgabenbereiche sind sehr komplex. Wir sind eine Einrichtung mit vielen Ideen und Innovationen. Aber was die Arbeit besonders schön macht, sind die vielen guten Mitarbeiter. Das ist das A und O. Wenn man gemeinsam Projekte erarbeitet und sie dann auch noch zum Erfolg führen darf, dann geht man einfach gern arbeiten.
Gibt es ein Projekt, auf das Sie besonders stolz sind?
Ja, das Projekt "Elektrisch mobil". Unser kompletter Fuhrpark für die Sozialstation besteht aus Elektroautos, die fast ausschließlich von der Photovoltaik-Anlage auf dem Dach gespeist werden. Für die Strecken, die die Mitarbeiter täglich zurücklegen, ist das ideal.

Im Zuge der Landesheimbauverordnung soll es ab September 2019 in Pflegeheimen nur noch Einzelzimmer geben. Wird St. Verena auch bald umgebaut?
Ja, es geht hoffentlich bald los. Die Regelung mit den Einzelzimmern finde ich gut. Es gibt einzelne Fälle, bei denen Doppelzimmer sinnvoll sind, aber das ist sehr selten. Wir sind jetzt am Ende der Planung und bauen bald so an, dass wir in jedem Wohnbereich zwei Wohngruppen mit jeweils 15 Bewohnern haben, die alle in Einzelzimmern untergebracht sind.
Also stehen nach dem Umbau insgesamt mehr Plätze zur Verfügung?
Genau, wir vergrößern uns von aktuell 96 auf 112 Plätze.
Stimmt es, dass es in Rielasingen neben Pflegeplätzen auch an seniorengerechten Wohnungen mangelt?
Aus den Gesprächen mit dem Ortsseniorenrat weiß ich von weiteren Bedarfen. Unser Schwerpunkt liegt im Bereich Betreuung und Pflege und nicht im Wohnungsbau. Aber natürlich wollen wir unsere Bürger gut versorgt wissen und wenn wir mit unserem Know-How unterstützen können, dann sind wir dabei.
Fragen: Svenja Graf
Person und Einrichtung
Gisela Meßmer, geboren 1963, lebt in Watterdingen und arbeitet schon seit vielen Jahren im Pflegebereich. Im Pflegezentrum St. Verena in Rielasingen-Worblingen ist sie von Anfang an dabei und leitet die Einrichtung, die sich aus mehreren verschiedenen Bereichen zusammensetzt. Neben dem Pflegeheim gibt es eine stationäre Dementenbetreuung, eine Tagespflegestätte mit einer Demenzgruppe, eine Sozialstation und Seniorenwohnanlagen. Dazu kommt der Service „Essen auf Rädern“ und eine offene Cafeteria. Träger der Einrichtung sind die vier katholischen Kirchengemeinden St. Stephan Arlen, St. Bartholomäus Rielasingen, St. Nikolaus Worblingen und Heilig Kreuz Überlingen der Seelsorgeeinheit Aachtal. (svg)